von Redaktion

The Good, The Bad & The Ugly CX

In eigener Sache: Glücksfall, Abschied, Misere

The Good – Zwölf Jahre MEDIENWOCHE

Den Anstoss zur Gründung der Medienwoche gab im Sommer 2010 eine schon lange reservierte, aber noch ungenutzte Internet-Domain. Dass sich aus medienwoche.ch einmal ein branchenweit respektiertes Fachmagazin entwickeln sollte, damit rechnete damals niemand. Weder Herausgeber Thomas Paszti, noch das vierköpfige Projektteam um Nick Lüthi, Ronnie Grob, René Worni und Kathrin Fischer. Man plante eher, ein weiteres Medienblog zu machen, wie es damals noch einige gab. So dominierten in den Anfängen denn auch Medienkritik und Meinungsbeiträge.

Der Übergang zu einem Magazin mit recherchierten Hintergrundartikeln und vertiefenden Analysen erfolgte fliessend. Voraussetzung für diesen Ausbau war die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel für aufwändigeren Journalismus. Die stabilen Erträge der Stellenplattformen medienjobs.ch (und später auch ictjobs.ch), aus denen sich die MEDIENWOCHE finanzierte, ermöglichten eine kontinuierliche Aufstockung des Redaktionsbudgets.

Die Rahmenbedingungen mit genügend Geld und grösstmöglicher Unabhängigkeit schufen die Basis für einen Medienjournalismus, der auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen brauchte. Das Geschäftsmodell der MEDIENWOCHE war eigentlich nichts Besonderes: eine Mischung aus klassischer Inserate-Finanzierung, Quersubventionierung und Mäzenatentum. Wenn es läuft, dann läuft es. Im Fall der MEDIENWOCHE lief es zwölf Jahre richtig gut.

The Bad – Ende der MEDIENWOCHE

Die Einstellung der MEDIENWOCHE mag für Aussenstehende überraschend gekommen sein und unverständlich erscheinen. Umso mehr, als dass nicht das fehlende oder ausgehende Geld den Ausschlag gegeben hat. Doch jedes Erfolgsmodell kennt seine Schattenseiten. Die MEDIENWOCHE war von Beginn weg ein Nischenprodukt. Monothematische Publikationen richten sich per se an ein kleineres Publikum als Massenmedien. Wenn diese sowieso schon kleine Nische immer kleiner wird und das Interesse spür- und messbar nachlässt, obwohl sich Aufwand und Angebot nicht grundsätzlich verändern, in der Tendenz sogar verbessern, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Noch einen drauflegen oder die Reissleine ziehen. Weiterwursteln war keine Option.

Wir haben uns für den klaren Schnitt entschieden. Die Aussichten auf einen Aufschwung hielten wir für ungewiss. Kommt dazu, dass die Finanzierung in der bisherigen Form sowieso nur noch drei bis fünf Jahre gesichert gewesen wäre. So spontan wie die MEDIENWOCHE vor zwölf Jahren aufgetaucht war, so überraschend verschwindet sie nun auch.

The Ugly – Medienjournalismus ohne MEDIENWOCHE

Was wird nach dem Verschwinden der MEDIENWOCHE fehlen? Schwer zu sagen. Fest steht nur: Die Nachricht vom Tod des Medienjournalismus ist stark übertrieben. Noch existiert eine kontinuierliche Selbstbeobachtung, welche die grossen Entwicklungen (der grossen Player) im Auge behält.

Doch die strukturellen Defizite lassen sich nicht schönreden. Der Medienjournalismus der grossen Verlage erreicht zwar ein breites Publikum, fokussiert aber stark auf die SRG. Mit der gesellschaftlichen Rolle des öffentlichen Rundfunks und dessen gesetzlich verordneter Finanzierung durch das Publikum lässt sich die starke Aufmerksamkeit durchaus rechtfertigen. Gleichzeitig entsteht damit der Anschein, dass die prominente Kritik an der privilegierten Mitbewerberin von Verlagsinteressen getrieben sein könnte; das wäre dann Konzernjournalismus.

Ein anderes Problem ist das Personal. Es gibt geschätzt noch etwa zwei Dutzend Journalistinnen und Journalisten, die sich in Schweizer Medien um das eigene Metier kümmern. Die meisten machen das neben anderen Aufgaben. Hauptberuflich tun es gerade mal eine Handvoll. Nachwuchs rückt kaum mehr nach. Wieso sollte man sich in ein Thema vertiefen, das keine Perspektive bietet? Die MEDIENWOCHE konnte diesen Defiziten in den vergangenen Jahren in bescheidenem Masse entgegenwirken. Am betrüblichen Zustand des Medienjournalismus ändert das aber nichts.

Leserbeiträge

Beat Glogger 17. Dezember 2022, 11:29

Es schmerzt – und erinnert fatal an das Schicksal unseres Kanals higgs.ch. Als wir im Sommer dieses Jahres untergingen, hat die Medienwoche kommentiert: „Wer, wenn nicht er?“ Das hat geschmeichelt, aber nicht geholfen. Nun kommentiere ich zurück: Wer, wenn nicht ihr? Dies im Wissen, dass das euch im besten Fall schmeichelt, aber leider auch nicht hilft.

Christoph Schütz 17. Dezember 2022, 11:30

Von diesen Bad News habe ich erst heute erfahren und bedaure das Ende der Medienwoche sehr. Inhalt und Stil waren eine Bereicherung. Aber klar: Man muss den Realitäten auch ins Auge blicken und nicht in den luftleeren Raum und mit zuwenig finanziellem Support aus purem Idealismus weiterproduzieren. Ich bedanke mich bei allen, insbesondere der Redaktion, die die Medienwoche in den vergangenen Jahren ermöglicht und den Diskurs um unsere Medien aufrecht erhalten haben.

Christoph  Schütz

Peter Knechtli 17. Dezember 2022, 12:13

Eine äusserst bedauerliche Entscheidung, in der Argumentation aber nachvollziehbar. Ich werde die „Medienwoche“ sehr vermissen. Darum: Ein herzliches Dankeschön an Nick Lüthi und sein Team für die kontinuierlichen erhellenden Einblicke in unsere Branche. Aber: Bleibt uns die „Medienwoche“ wenigstens als Archiv erhalten, oder versinkt sie im Datenfriedhof? Kümmert sich die Medienwissenschaft hinreichend um diese Frage?

Marco 22. Dezember 2022, 23:19

Ja, Archiv bleibt online.

Ueli Custer 17. Dezember 2022, 13:20

Zunächst einmal: Ich werde die Medienwoche vermissen. Vor allem die journalistisch klare Basis. In euren Texten spürte man in jedem Satz das Bemühen, ja nicht Partei zu ergreifen. Etwas, das ich als Redaktor des Media Trend Journals nie so klar geschafft hatte.

Aber der Mechanismus, der zur Einstellung des MTJ geführt hatte, war ähnlich. Die grösste Bedeutung hatte die schrumpfende Basis an potentiellen Inserenten, die ich ironischerweise in meiner Publikation jeweils sorgfältig darstellte. Mein Glück war es aber, dass die schwindende Finanzierungsbasis mit meinem Pensionsalter zusammenfiel.

Ich wünsche euch allen, ganz speziell aber Nick Lüthi, dass ihr einen Weg findet, eure Passion Medien weiterhin in irgendeiner Form journalistisch ausleben zu können. Denn das, was man heute in den Publikumsmedien über Medien liest, sind ja im Wesentlichen nur gut getarnte Verlagsinteressen.

Peter Fritsche 17. Dezember 2022, 17:30

Sehr, sehr schade! The Good, the Bad and the Ugly war ein Highlight und zählte zu meiner regelmässigen Lektüre. Alles Gute dem ganzen Team. Ich hoffe, schon in Bälde an anderer Stelle von euch zu lesen.

Jon Andrea Florin 18. Dezember 2022, 12:00

Oh je, das schmerzt. Zunehmend verenden nicht nur die gedruckten Qualitätsmedien, sondern auch die journalistisch hochwertigen Online-Angebote. Wo führt das nur hin?

Victor Brunner 18. Dezember 2022, 18:57

Schade, mittlerweile versucht ein anderer Medienkritik und scheitert, „dank“ seinem Ego! JournalistenInnen sind meist selbstgefällige Personen und substantielle Kritik wäre wichtig. Nicht Medienwocje hat „verloren“ sondern die Schweizer Medienlandschaft!

Amr Huber 21. Dezember 2022, 11:18

Den letzten Medienjournalisten der Schweiz – auch wenn es nur noch paar wenige sind – Hut ab und vielen Dank für die wertvollen Beiträge, die das Sinken des Medienschiffes Schweiz begleitet und dokumentiert haben… Patient, Geist gestorben und die Zeit definitiv gekommen für ein letztes Gebet mit einem kurzen Adieu !  Q66

Michael Ziesmann 26. Dezember 2022, 14:45

Als langjähriger Autor u.a. für die Medienwoche bedauere ich diesen Schritt sehr. Wenn Medienvielfalt abnimmt, ist das immer bedenklich. Wie es besser geht, sieht man bei Persoenlich, Klein Report, Nebelspalter und in Teilen auch bei Inside Paradeplatz.

Allerdings ist das Debakel bei der Medienwoche hausgemacht, nachdem handelnde Personen das Nischenprodukt seit Jahren nicht weiterentwickelt, sich im Kreis gedreht und während der Pandemie ernsthaft die Gleichschaltung von Medien („Walder-Gate“) relativiert und verniedlicht hatten.

Wie im „Jahrbuch Qualität der Medien 2022“ beschrieben, wenden sich 40-50% der Menschen in der Schweiz von journalistischen Inhalten ab. Leider hat sich auch die „Medienwoche“ selbst von journalistischen Inhalten abgewendet, rutschte „dank“ der handelnden Personen ins ideologisch bornierte Abseits und erging sich in Cancel Culture, damit ernsthafte journalistische Arbeit nicht auf die „Medienwoche“ abfärben sollte, wie Nick Lüthi wörtlich schrieb.

Das Aus der „Medienwoche“ ist das Ergebnis der vergangenen drei Jahre: wenn sich Journalismus nicht ausschliesslich und bedingungslos auch gegen Widerstände an die Seite von Leserinnen und Lesern stellt – sondern als Verlautbarungsorgan für Regierungen oder Konzerne agitiert – dann braucht das kein Mensch.

Es gab in den vergangenen drei Jahren bei Medien und Journalismus so viel zu kritisieren, wie nie zuvor. Leider hat die „Medienwoche“ diesen Ball aus ideologischen Gründen nicht aufgenommen und nicht aufnehmen wollen.

Schade, denn dabei hätte ernsthafter Journalismus auf die „Medienwoche“ abfärben können und man hätte rechtzeitig aus der Nische heraustreten können. Stattdessen steht die „Medienwoche“ nun für den hausgemachten Totalschaden des Journalismus.