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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

Populäre Umgehungstechnologien

Nach dem Ja zu einem neuen Geldspielgesetz in der Schweiz, das Netzsperren gegen ausländische Online-Spielangebote vorsieht, stellt einer der grösseren Anbieter von VPN-Diensten fest: «Wir haben in diesem Monat 20 Prozent mehr Anmeldungen aus der Schweiz und denken, das könnte einen Zusammenhang haben mit dem neuen Geldspielgesetz.» Ob es diesen Zusammenhang gibt oder nicht: Tatsache ist, dass sich Umgehungstechnologien wie VPN (steht für Virtual Private Network) grosser Beliebtheit erfreuen. Der bisher populärste Anwendungsfall sind Länderblockaden beliebter Online-Dienste. Wenn man also im Land X einen Film streamen möchte, der aber nur in Land Y zugänglich ist (sog. Geoblocking), dann hilft VPN. Reto Widmer von der SRF Digitalredaktion bietet einen aktuellen Übernlick zur aktuellen (Rechts)lage rund um VPN und Geoblocking.

«Wir können leider kein Honorar zahlen»

Wieder mal sei auf eine grassierende Unsitte hingewiesen. Immer öter verlangen Redaktionen von Freelancern für umsonst ihre Arbeit zu liefern. Aktuell weiss der deutsche Journalist Dennis Horn davon zu berichten. Ein Satz, den er in letzter Zeit ein paar Mal gehört habt, lautet: «Wir können leider kein Honorar zahlen – aber Sie würden damit ja Ihren Bekanntheitsgrad steigern.» Auf die Nachfrage, warum das so sei, heisse es dann nur: man müsse sparen. Er lehne solche Deals dann in der Regel freundlich ab. Er hoffe, «dass Freiberufler, sofern sie dazu in der Lage sind, grundsätzlich so verfahren. Redaktionen lernen nämlich nur, dass journalistische Leistungen nun einmal Geld kosten, wenn sie ohne dieses Geld einfach gar nichts bekommen.»

Storys hier, Storys da, Storys überall (aber wie macht man die eigentlich?)

Snapchat hat sie bekannt gemacht, Facebook und Instagram bringen sie in den Mainstream: es geht um sogenannte Storys. Gemeint ist damit eine «Sammlung von Bildern und kurzen Videos – angereichert mit optionalen Infoebenen und -effekten». Marcus Bösch bietet in seinem Blog einen kurze Einführung in das (nicht mehr ganz so) neue Format. Was tun, wenn man auch Storys produzieren will? Er empfiehlt den bewährten Innovationszyklus: «Beobachten, Analysieren, Ausprobieren, Evaluieren und Anpassen und wieder vorne starten.» Dabei lohne es sich, ausgewählte Beispiele genauer unter die Lupe nehmen, anstatt querbeet alles mögliche anzuschauen (und doch nicht zu verstehen). Was bei Storys genauso gilt wie früher schon bei Online- und Social-Media-Kommunikation: Niemand hat auf die Medien gewartet, es gibt auch ohne sie schon ein Fülle an Storys, die das Publikum begeistern. Dennoch wahrgenommen zu werden, funktioniere «durch Regelmässigkeit, glaubhaften Dialog auf Augenhöhe, Experimentierfreude und vor allem Media Literacy. Wer die gegenwärtigen Codes, Memes, Eigenheiten und Referenzen nicht versteht und nicht beherrscht, begibt sich unwissend ins Aus.»

Der ORF und ein «ganz problematisches Verständnis von Journalismus»

Im österreichischen Rundfunk ORF kursiert ein Vorschlag, die Regeln für die Social-Media-Kommunikation seiner Journalistinnen und Journalisten massiv zu verschärfen. Gemäss einem Entwurf soll sich das Personal auch privat nicht mehr wertend gegenüber Politikern und politischen Institutionen äussern dürfen. Die Journalistin und Social-Media-Experting Ingrid Brodnig kritisiert diese weitreichende Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit. Ein grosses Problem sieht sie darin, dass damit «schlimmstenfalls ein ganz problematisches Verständnis von Journalismus» begünstigt würde. Es sei nämlich «dezidierte Aufgabe von Journalisten (inklusive öffentlich-rechtlichen Journalisten) auf Missstände innerhalb unserer Gesellschaft hinzuweisen – und diese als Missstände zu benennen (was sowohl eine Wertung als auch eine Kritik ist).»

Weitere Beiträge dieser Woche

Warum es so wichtig ist, dass Journalisten einen Standpunkt vertreten

Der bekannte Journalismusforscher Jay Rosen erklärt im Interview mit dem Deutschlandfunk, weshalb Medienschaffende einen Standpunkt vertreten müssen und sich nicht mehr länger hinter den Fakten verstecken können. Das Publikum vertraue dieser Erzählung nicht mehr länger, die da lautet: «Wir haben keinen Standpunkt, wir haben keine Ideologie, wir haben keine Philosophie, wir haben keine Interessen und keine Beteiligungen. Wir haben keine Vorurteile, wir versuchen niemanden zu überzeugen. Wir liefern nur die Fakten.» Wenn das Publikum – Rosen bezieht sich auf seine Beobachtungen aus den USA – diesem Argument misstraue, bringe es nichts, dieses einfach zu wiederholen. Es sei viel einfacher, Journalisten zu vertrauen, die so argumentieren: «Das ist mein Hintergrund. Und ausserdem habe ich sehr viel Recherchearbeit geleistet, Fakten gesammelt, viele Menschen befragt, Dokumente aufgetrieben, habe mich in dieses Thema eingearbeitet.» Weiter im Gespräch erklärt Rosen, warum er den Politik-Journalismus für kaputt hält; er sei zur Insider-Berichterstattung verkommen, die nichts mehr mit dem Alltag der Menschen zu tun habe.

Buzzfeed seziert den Merkel-Podcast

Seit 2006 kommuniziert die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel regelmässig via Podcast. In zwölf Jahren sind so 512 zwei- bis vierminütige Videobeiträge zusammengekommen, das sind im Schnitt 42 Folgen pro Jahr. Buzzfeed-Reporter Marcus Engert hat das Format unter die Lupe genommen. So wirft er einen kritischen Blick auf die Kosten für den Podcast, fragt nach der Kommunikationsstrategie der Kanzlerin und ordnet schliesslich das Format in den rundfunkrechtlichen Rahmen ein.

So will Google den Musik-Streamingmarkt von hinten aufrollen

Obwohl mit Spotify, Apple oder Deezer seit Jahren schon beim Publikum beliebte und gut etablierte Streamingplattformen auf dem Markt sind, findet Googles Musikchef Lyar Cohen den Zeitpunkt ideal, einen weiteren kostenpflichtigen Dienst anzubieten; kürzlich wurde Youtube Music Premium vorgestellt. Die Vorteile gegenüber der Konkurrenz sieht Cohen in der Breite des Angebots und den Funktionalitäten der Plattform: «YouTube ist der einzige Ort, an dem Künstler und Labels mit ihren Nutzern direkt interagieren können.» Ausserdem profitiert Google von den Nutzerdaten. «Unser Angebot versteht ausserdem den Kontext des Nutzers. Wo er sich aufhält, wie das Wetter ist und und und. Entsprechend sehen die Empfehlungen aus.»