AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

So wird die Schweiz pressefrei

Es gibt ihn noch, den guten alten Nebelspalter! Das traditionsreiche Satireblatt fiel in den letzten Jahren immer wieder mit originellen Mediensatiren auf. So auch diesmal zum Tag der Pressefreiheit. Chefredaktor Marco Ratschiller blickt in die Glaskugel und sieht, wo sich die Schweizer Medien bis 2020 hinbewegen: Markus Somm wird Tamedia-Hyperchefredaktor, Watson verzichtet auf Buchstaben und SDA/Keystone wird Parkplatzvermieter, um nur einige Schlagzeilen dieser «vorgezogenen Presseschau» zu nennen. Am Ende bleibt eine pressefreie Schweiz.

Zuckerberg und der Journalismus: es ist kompliziert

Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist ein wandelnder Widerspruch: Er «betreibt ein Medienunternehmen, das Nachrichten verbreitet, aber keine eigene Redaktion hat. Er leitet ein Medienunternehmen, das mit Googles Hilfe die überwiegende Mehrheit der digitalen Werbegelder abkassiert und das Geschäftsmodell der Journalismusbranche ausgeweidet hat, während er über die Wichtigkeit des Journalismus predigt.» Adrienne Lafrance vom US-Magazin The Atlantic konnte Zuckerberg im kleinen Kreis über Journalismus referieren hören und sie kam dabei zum Schluss: kein Plan und keine Ahnung.

Prosperierende Zeitungen waren eine historische Ausnahme

Die Blütephase der gedruckten Presse, im amerikanischen Kontext wird die Periode auf 1940 bis 1980 eingegrenzt, war die Ausnahme von der Regel. Der Bedeutungsverlust, den Zeitungen heute erfahren, erscheint unter einem breiteren historischen Blickwinkel als eine Rückkehr zum Status quo ante: «Zeitungen wurden im 16. Jahrhundert erfunden, entwickelten sich aber erst im späten 19. Jahrhundert zur wichtigsten Art, Nachrichten zu konsumieren. Dazwischen waren amerikanische Zeitungen Eliteprodukte oder von politischen Parteien subventioniert.» Insofern gibt es kein Naturgesetz, weshalb Zeitungen auf immer und ewig die zentralen Instanzen der Nachrichtenvermittlung bleiben sollten, wie das bisweilen in Diskussionen anklingt.

Weitere Beiträge dieser Woche

Ein Zeuge des Medienwandels

Max Eichenberger arbeitet seit 1975 als Journalist, zuletzt fast zwanzig Jahre lang als Lokalredaktor bei der «Thurgauer Zeitung». Anlässlich seiner Pensionierung blickt Eichenberger im Interview mit seiner Zeitung auf mehr als 40 Jahre Journalismus zurück und sagt Sachen, die aus heutiger Sicht doch überraschen: «Für den ersten Computer habe ich Anfangs der 1980er-Jahre 16’700 Franken bezahlt und nochmals 4000 Franken für den Drucker, der eine Seite pro Minute ausspuckte.» In jüngeren Jahren arbeitete Eichenberger als freier Journalist: «Finanziell ging die Rechnung lange auf. Die Zeitungsvielfalt war gross. Ich hatte Abnehmer in der ganzen Schweiz. Der Konzentrationsprozess bei den Verlagen zwang mich schliesslich dazu, auf die Redaktion zu wechseln.»

Zürcher «Tatort» als Ausweg aus dem Sprachdilemma?

Der Umzug des Schweizer «Tatorts» von Luzern nach Zürich soll nicht zuletzt die sprachlichen Hürden herunterzusetzen helfen: In Zürich könne «man sich glaubwürdiger auf Hochdeutsch unterhalten als bei der traditionellen Luzerner Fasnacht», schreibt Charlotte Theile in der Süddeutschen Zeitung dazu. Die Sprache ist und bleibt eine der grössten Herausforderungen bei einer TV-Produktion für den schweizerischen und den deutschen Markt. «Die ARD wünscht sich ein möglichst schweizerisch gefärbtes Deutsch (‹Lokalkolorit!›), die Schauspieler aber wollen keinesfalls den Kuhschweizer geben.»

Google sucht nach Antworten in Büchern

Es ist nicht unüblich, dass Suchende bei Google ausformulierte Fragen in das Textfeld eingeben. Die Antworten darauf sind oft unbefriedigend. Das will Google jetzt ändern mit einer experimentellen Funktion. «Talk to Books» verarbeite die Suchanfragen nicht wortwörtlich, sondern bemühe sich, die Bedeutung zu erfassen, schreibt Reto Stauffacher auf NZZ.ch. «So sollen Intention und Kontext einer Frage verstanden und diese entsprechend mit einer Buch-Passage beantwortet werden.» Eine Alternative zur Websuche bietet «Talk to Books» nicht. Google betont den experimentellen Charakter und schreibt dazu: «Die Technologie unterscheidet sich grundlegend von jener einer traditionellen Suchmaschine. Es handelt sich um ein Experiment, das den Stand der aktuellen Forschung im Bereich der Artificial Intelligence wiedergibt.»

Mythos Social-Media-Sucht

Es hat sich zum Common Sense verdichtet: Social Media macht süchtig, besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche. Unsinn, schreibt Professor Michael Schulte-Markwort, Kinder- und Jugendpsychiater am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, in einem Gastbeitrag für Spiegel Online. «Kinder werden durch ihren Medienkonsum im Internet nicht sozial inkompetenter – im Gegenteil. Sie können sehr gut zwischen analoger und digitaler Welt unterscheiden und wünschen sich beides.»