AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
author-img

Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

Wandel oder Niedergang des Buchmarkts?

Eine Studie des Deutschen Buchhandels sorgt für Aufregung. Auf den ersten Blick sehen die Befunde dramatisch aus: Innert vier Jahren sechs Millionen Käufer weniger! «Waren es 2012 noch 36,9 Millionen, die mindestens ein Buch im Jahr gekauft haben, waren es 2016 nur noch 30,8 Millionen. Im ersten Halbjahr 2017 kauften noch mal 600’000 Personen mehr kein Buch», zitiert Tages-Anzeiger Kulturchef Martin Ebel die zentralen Befunde. Vergleichbare Zahlen für die Schweiz gibt es keine. Doch das Bild ist differenzierter als es die nackten Zahlen vermuten lassen würden, wie Ebel im Gespräch mit den Verlagen erfährt. Grundsätzlich läuft es heute so, dass der allgemeine Rückgang mit einzelnen Spitzentiteln kompensieren kann. «Es geht kontinuierlich zurück, nicht disruptiv wie im Musikgeschäft», wird Jo Lendle vom Münchner Hanser Verlag zitiert.

So mischt Amazon im Podcast-Geschäft mit

Von einem Boom will Paul Huizing noch nicht sprechen. Der Audible-Chef erklärt im Gespräch mit Meedia-Redaktor Marvin Schade die Bedeutung des Podcast-Geschäfts für die Amazon-Tochter. Noch kein Boom zwar, aber «es tut sich etwas» und Audible will vorne mitmischen. Dabei profitiert Audible von der grossen Palette an Hörbüchern und Hörspielen, die sie seit Jahren schon anbieten. «Podcasts sind die logische Erweiterung und im Gegensatz zu Hörbüchern sind sie kürzer und seriell», sagt Huizing.

Bildmanipulation mit ausgestopftem Ameisenbären

Der brasilianische Fotograf Marcio Cabral gewann mit dem Bild eines Ameisenbären, der sich an einem Termitenhügel zu schaffen macht, den renommieren Fotopreis Wildlife Photographer of the Year Award. Dumm nur, dass Cabral für sein Bild offenbar einen ausgestopften Ameisenbären verwendet hatte. Er selbst behauptet zwar, dass er ein lebendiges Tier vor der Linse hatte, doch die Jury vertraute den Hinweisen von Dritten, die sie darauf aufmerksam machten, dass es im Besucherzentrum des Nationalparks, wo das Bild entstanden ist, «einen präparierten Ameisenbär gibt, der dem auf dem Bild zum Verwechseln ähnlich sieht und in genau derselben Pose ausgestopft wurde», wie Spiegel Online schreibt.

Algorithmen im Alltag

Sie entscheiden über unsere Kreditwürdigkeit, sie meinen zu wissen, ob wir kriminell werden und wollen uns bei politischen Entscheiden beeinflussen: Algorithmen gelten als geradezu allmächtig. Was dahinter steckt, wer welche Interessen bedient, zeigt Yves Demuth im «Beobachter» anhand konkreter Alltagssituationen.

Weitere Beiträge dieser Woche

Ein berührendes Stück Sportjournalismus

Es ist eine Weltreise auf der Suche nach dem richtigen Fussballclub, denn Jason, 12 Jahre alt und Autist, will Fan eines Vereins werden. Für ihn ist das ein rationaler Prozess und kein Bauchentscheid. Bevor er sich festlegen kann, muss er alle Clubs dieser Welt kennen. Also reist er mit seinem Vater von Stadion zu Stadion, um das Profil seines Favoriten zu schärfen. Fabian Scheler, Sportredaktor der «Zeit», begleitet Jason und seinen Vater an ein Fussballspiel zu Celtic nach Glasgow. Herausgekommen ist eine berührende Reportage, die einem den oft stereotypisierend dargestellten Autismus verständlicher macht, indem wir durch die Augen des jungen Protagonisten auf den Fussball und die Fankultur blicken.

Computer entscheiden, was geschrieben, gesagt und gepostet werden darf

Wie ein erstmals veröffentlichter Transparenzbericht der Videoplattform Youtube zeigt, löschte die Google-Tochter im vierten Quartal 2017 pro Sekunde ein Video. Das ergibt total 8,3 Millionen entfernte Inhalte. Das Problem dabei: Ein Grossteil der Löschung erfolgt inzwischen automatisch. Maschinen entscheiden, was passt und was nicht. «Harmlose Videos werden ohne Vorwarnung gelöscht und die Konten der Uploader gesperrt. Verschwörungstheorien bleiben stehen und tauchen manchmal sogar in den Top-Empfehlungen auf, (…)», hält Simon Hurtz in der Süddeutschen Zeitung dazu fest.

«Panama Papers» bringen Staatskassen viel Geld

Die Enthüllung der «Panama Papers» hat sich gelohnt – nicht nur für die Medien, die an der Auswertung beteiligt waren, sondern, wie sich nun zeigt, auch für die Finanzämter der deutschen Bundesländer. Sie können sich über 140 Millionen Euro an Steuernachzahlungen und Strafeinnahmen freuen. Insgesamt wurden aufgrund der Recherchen in Deutschland 71 Strafverfahren geführt, in 2000 Fällen laufen die Ermittlungen noch.

Plumper, aber effizienter Propaganda-Kniff

Der russische Staatssender NTV wollte aufzeigen, dass in Dänemark regelrechte Putin-Panik herrscht. Anlass dazu bot ein neuer Funkmast auf der Insel Bornholm mit dem der dänische Nachrichtendienst elektronische Kommunikation über der Ostsee überwachen will. Was also tat NTV? Der Sender übersetzte die Aussagen dänischer Politiker nach eigenem Gutdünken und präsentierte den russischen Zuschauern eine Sichtweise, die ins offizielle Drehbuch passt. «Meine Aussagen, im Beitrag auf Russisch, stimmen überhaupt nicht mit dem überein, was ich gesagt habe», sagte dazu der frühere dänische Verteidigungsminister Nick Hækkerup, der von NTV befragt wurde. Auch andere Gesprächspartner des Senders beklagen sich über die manipulative Überseztung ihrer Aussagen.