von Nick Lüthi

Zum Dank ins Gesicht gespuckt

Schon wieder wirft ein Journalistenpreis Wellen. Zwar nicht ganz so hohe, wie jüngst nach der Aberkennung des Henri-Nannen-Preises. Aber auch beim Zürcher Journalistenpreis stellen sich post festum Fragen: Verstösst Nachwuchspreisträger Maurice Thiriet gegen Anstands- und Standesregeln, wenn er die zentrale Inspirationsquelle zu seinem ausgezeichneten Artikel mit keinem Wort erwähnt? Die Jury meint nein. Wir finden schon. Erst recht, wenn Thiriet einen Kollegen, der ihm bei der Recherche behilflich war, öffentlich verunglimpft.

Die Geschichte von Barbara Burtscher ist auch eine Mediengeschichte, ein Lehrstück über das kollektive Versagen von Journalisten. Die Medien frassen der selbsternannten Astronautin aus der Hand, mehr als ein Jahr lang auf allen Kanälen. Bis sich irgendwann die Zweifel am dutzendfach erzählten Mond- und Marsmärchen verdichteten und Journalisten zur Gegenrecherche ansetzten. Maurice Thiriet war einer davon, aber weder der Erste noch der Einzige. Im Tages-Anzeiger veröffentlichte er im August 2010 das Stück «Die eingebildete Astronautin» und half damit «unsere Frau bei der Nasa» (Blick) von jenem Sockel zu stossen, auf den sie auch Tagi-Kollegen zuvor hochgeschrieben hatten. Dafür erhielt Thiriet am letzten Dienstag die Auszeichnung in der Nachwuchskategorie des Zürcher Journalistenpreises.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Thiriet seine Geschichte nicht alleine recherchiert. Substanzielle Starthilfe leistete DRS2-Wissenschaftsredaktor Patrik Tschudin. Er hatte die Ungereimtheiten im Leben der Möchtegern-Astronautin bereits im Januar 2010 auf seinem Blog infamy thematisiert. Thiriet wurde dort auf die Geschichte aufmerksam und kontaktierte daraufhin Tschudin. In einem längeren Mailwechsel breitete der Basler Journalist seine bisherigen Rechercheergebnisse aus, wovon Teile später in Thiriets Text einflossen. Im preisgekrönten Artikel finden sich jedoch keinerlei Hinweise auf die Unterstützung bei der Recherche und die Inspirationsquelle. Das ist schlechter Stil, zumal Thiriet eine Mediengeschichte erzählt, wozu auch gehören würde, die verschiedenen Etappen von Burtschers Demontage zu dokumentieren. Prominente Stimmen finden nun, dass eigentlich Tschudin und seine Journalistenkollegen vom infamy-Blog den Preis verdient hätten.

Doch damit nicht genug. Der Nachwuchsjournalist tritt völlig unmotiviert nach und spuckt Tschudin zum Dank für die Unterstützung ins Gesicht. Mit Häme wirft Thiriet Tschudin vor, in der Burtscher-Recherche eingeknickt zu sein, weil er die Blogbeiträge gelöscht habe, nachdem Burtscher mit rechtlichen Schritten gedroht hatte. Und dann kommts ganz dick: Wer als Journalist nicht hartnäckig an einer Geschichte dranbleibe, sei nicht zufällig alleinstehend, da er mit Frauen wohl ebenso fahrlässig umgehe, wie mit guten Geschichten. Das steht so in der Broschüre des Journalistenpreises. Wortwörtlich: «Der Blogger [Patrik Tschudin] ist mittleren Alters und alleinstehend. Nicht zufällig: Gute Geschichten sind wie gute Frauen. Man trifft zufällig auf sie, und wer nicht hartnäckig dranbleibt, kriegt sie nicht.» Das ist kein Ausrutscher, sondern vorsätzliches Nachtreten. Bis heute hat sich Thiriet nicht bei Tschudin entschuldigt.

UPDATE 31.5.2011:
Inzwischen hat sich Maurice Thiriet bei Patrik Tschudin entschuldigt – mit einer Flasche korkigem Wein.

Leserbeiträge

bugsierer 28. Mai 2011, 18:54

das ist von a bis z eine äusserst unschöne mediengeschichte, die dann am ende auch noch richtig dreckig wurde. kann mich nicht erinnern, je sowas abgefahrenes in der ch medienszene gesehen zu haben. nun ja, herr thiriet sägt mit seinem pubertären hüftschuss v.a. am eigenen ast.

dass aber der ausrichter des preises diese schmutzige wäsche auch noch so in seiner „festschrift“ abdruckt, lässt mir den atem stocken. heiter e flade, giele?

und noch dies: dass ausgerechnet ein journalistenverband eine story auszeichnet, mit der sich vorher die ganze branche total lächerlich gemacht hatte, wäre doch eigentlich schon absurd genug.

Peter Sennhauser 29. Mai 2011, 20:53

Dem ist, lieber Bugsierer, absolutnichts mehr zuzufügen.

hofrat | clemens m. schuster 29. Mai 2011, 00:05

Für mich ist es das Kapitalverbrechen schlechthin: Die Auszeichnung eines Plagiats – mehr dazu unter „… ein Blogger …“ – Ein Jouraillienpreis für ein Plagiat http://hofrat.ch/sc1

Ugugu 29. Mai 2011, 07:01

„Er hat bei der Ausschreibung zum Preis des besten Schweizer Journalisten gegen David Bauer von der SonntagsZeitung verloren.“

Dafür überreiche ich doch gerne persönlich die goldene Edelfeder in der Kategorie „Lebenslauftuning“ …

Hans-Peter Meierhofer 30. Mai 2011, 01:12

Äusserst unfair von Maurice Thiriet. Nicht nur die Quelle nicht genannt, dann noch die freche Stellungsnahme. Ich habe die Artikel von ihm immer gerne gelesen, nach dieser Story habe ich mehr als einen schlechten Beigeschmack.

Patrik 31. Mai 2011, 11:42

Zum letzten Satz in Nick Lüthis Artikel gibt’s ein Update! 🙂

Michèle Binswanger 31. Mai 2011, 12:46

Zu bemerken bleibt: Thiriets Artikel war KEIN Plagiat. Es ist völlig legitim, eine Geschichte aus einem Blog weiter zu ziehen. Aber dann den Informanten schlecht zu machen ist schlechter Stil.

anne 22. Mai 2012, 15:29

tja..da ich herr thieriet nur kurz kennengelernt habe wundert mich seine haltung nicht – you’ve never have a second chance to make a first impression. einige gehen leider so hoch erhobenen hauptes durch die welt und treffend irgendwann auf eine brücke die tiefer hängt als das haupt hoch ist. auch das tut dann weh..
doch ist es pathologisch, sich immer und immer wieder ins fettnäpfchen zu setzen – doch auch das „draussen“ hat ein gedächtnis..