von Anne-Friederike Heinrich

Blocker und Keule

Wie bringt man den mit Kostenlosmedien verwöhnten Nutzern bei, dass Journalismus etwas kostet? Mit sanftem Druck oder mit dem Holzhammer? Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die freundliche Aufforderung, doch bitte den Adblocker ausschalten durchaus auf offene Ohren stossen.

Wer mit einem Adblocker surft, ist nicht bei allen beliebt – und ähnelt darin Eltern kleiner Kinder und Hundehaltern. Vor allem Medienhäuser haben Probleme mit Adblocker-Nutzern – finanzieren sie ihr journalistisches Angebot doch zu einem Grossteil durch Werbung. Wenn sie diese nicht an potenzielle Konsumenten ausspielen können, sind bald auch die letzten Werbeeinnahmen perdu.

Während man um Familien mit Kleinkindern und Hund mit Herrchen einen grossen Bogen machen kann, ist der Umgang mit Adblocker-Usern für Medienhäuser schwierig: Zwar gibt es fast so lange, wie es Software zur Unterdrückung von Onlinewerbung gibt, auch technische Gegenmassnahmen, um Adblocker-Nutzer von Angeboten auszusperren. Doch wer möchte seine Kunden, seine Leser schon gern so behandeln? Noch schätzen IAB Schweiz und Adello die Situation in der Schweiz als unproblematisch ein. Aber wenn Leser sich weiter benehmen wie Kinder, die im Supermarkt Süssigkeiten aus den Regalen direkt in den Mund befördern, ohne einen Gedanken daran, dass man diese erst einmal bezahlen muss, könnte sich das schnell ändern.

Seit vergangener Woche setzt die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Webseite eine Anti-Adblock-Massnahme ein: Wer auf Sueddeutsche.de einen Artikel lesen möchte, kann entweder seinen Adblocker ausschalten, ein Abonnement abschliessen oder einen kostenlosen Account anlegen; wer sich kostenlos registriert, kann die Internetseite mit eingeschaltetem Adblocker benutzen – öffnet damit aber vermutlich die Tür für Marketingmassnahmen. Auch Bild.de und Gruner + Jahr, Europas zweitgrösstes Druck- und Verlagshaus mit Publikationen wie Geo, Stern und Brigitte sowie Eltern (!) und Dogs (!), haben bereits ein Adblock-Verbot eingeführt. Doch das Blocker-Geblocke verbreitet schlechte Stimmung zwischen Lesestoffproduzenten und Lesern. Geht es nicht anders?

Die Financial Times hat im Sommer einen Schulterschluss mit ihren Lesern mit Werbeantipathie versucht. Dafür teilte die Wirtschaftszeitung ihre registrierten Nutzer in drei Gruppen auf: Bei einer Gruppe von Adblocker-Nutzern wurden in den Texten einzelne Wörter weggelassen, um zu verdeutlichen, wie wichtig die Werbeerlöse für die Produktion eines vollständigen journalistischen Angebots sind. Die zweite Gruppe wurde auf die Bedeutung der Werbung für die Finanzierung hingewiesen, konnte die Website aber weiter ohne Einschränkung nutzen. Die Adblocker-Nutzer in der dritten Gruppe wurden komplett ausgesperrt und bekamen einen Hinweis angezeigt, der das Vorgehen erklärte.

Die Ergebnisse des Experiments sind erstaunlich und ermutigend: 47 Prozent der Nutzer, bei denen einzelne Wörter in Artikeln fehlten, setzten die «Financial Times»-Website auf ihre Whitelist. 40 Prozent der Nutzer, die das Angebot zwar ohne Einschränkungen nutzen konnten, aber einen Appell zu lesen bekamen, deaktivierten ihren Adblocker. Und von den Nutzern, die komplett ausgesperrt wurden, deaktivierten stolze 69 Prozent ihren Adblocker. Auch bei Bild.de war die Bilanz der Adblocker-Blockade positiv. Zwei Drittel der betroffenen Nutzer hätten ihre Adblocker ausgeschaltet und seien damit wieder für Werbung auf Bild.de erreichbar, sagte Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner bei einer Pressekonferenz.

Also doch die Keule? Das muss jedes Medium, jedes Verlagshaus zunächst für sich selbst entscheiden: Was passt zum Produkt? Was ist unser Stil? Was können wir uns leisten? Was können wir finanzieren? Ist die eigene Linie klar, sollten Medienanbieter kooperieren: in Vertrieb, Vermarktung, Marketing, Marktforschung und Technologie.

Wichtig ist die Einsicht, dass wir unsere Leser ins Boot holen müssen; wir müssen ihnen die Bedeutung von Abonnements und Werbung für den Stoff, den sie gerne lesen möchten, plausibel machen. Wer bisher alles kostenlos bekam, muss das Zahlen erst wieder lernen. Und wer nichts bezahlt, kann auch keine rundum zufriedenstellende Leistung erwarten. Das ist nicht nur im Journalismus so.

Dieser Text erschien zuerst als Editorial in der Werbewoche 18/2016 vom 4.11.2016

Leserbeiträge

Tosten Pauleit 08. November 2016, 11:03

Guten Morgen Frau Heinrich,

hübscher Vergleich mit den Adblocker-Anwedern, Kindern und Süßigkeiten.
Aber so richtig verstehen Sie, die Zeitungsbranche und Werbeindustrie nicht,
warum ein Großteil der Adblocker-Anwenden diesen benutzen – warum auch ? Sind wir doch kleine Kinder, denen man einfach mal eine Ohrfeige….
Ich benutze Adblocker, weil mich die Art der Präsentation der Werbung (sei es blickend, sei es via „Laufband“ etc.) extrem nervt und einfach überhand genommen hat. Deshalb habe ich auch auf meinen Briefkasten den Aufkleber „keine Reklame“… dies hilft meistens.
Und – der überwiegende Teil der Werbung erzählt Märchen, so z.B Kosmetik, Gesundheit u.a.

MfG

Somaro 08. November 2016, 11:34

Wie wäre es mit Ehrlichkeit und Anstand?
Seit knapp 25 Jahren läuft das Webangebot bei den Zeitungsverlagen „Nebenher“, die schlechter bezahlten Redakteure für den Onlinebereich wurden gleichzeitig mit finanziert über die Werbung im Print. Und statt sich hinzustellen und eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln, stehen die Verlagsmanager noch heute da und hetzen gegen die „Gratis-Hunnenhorden“ und faseln was von „Qualitätsmedien“.

Ich als Leser wurde bisher in einem durch beleidigt und von Journalisten verarscht. Wurde als Dieb, Betrüger und Einbrecher beschimpft. Ich wäre ein gewissenloser Schmarotzer und Psychopath, weil ich keine Papierzeitung kaufe.

Also, nehmt eure Leser wieder ernst, finanziert in die Onlineredaktion und investiert in die Zukunft. Aber für bspw die SZ, welche Online den gleichen Quatsch abliefert wie Focus & Co oder direkt nur DPA abkopiert, dafür schalte ich keinen Adblocker aus.

Seit ehrlich, nehmt eure Online-Redaktion endlich ernst, behandelt sie gleichwertig und wenn die dort beschäftigen Redakteure dann auch Zeit und die Möglichkeiten haben die Zukunft zu formen, in dem sie die Papierqualität ins Internet bringen, dann könnt ihr eure Leser auch davon überzeugen, dass die Arbeit was wert ist.

Aber wie soll ich als Leser einen Wert erkennen, wenn ich doch ein psychopathischer Dieb und Schmarotzer bin und die Verlage selbst im Onlinegeschäft keinen Wert sehen?

*Alle Beleidigungen in diesem Kommentar stammen von Verlagsmanagern, Chefredakteuren und Journalisten der Sueddeutsche, Handelsblatt, Zeit, Frankfurter Allgemeine und der Medienwoche.

Hans 08. November 2016, 17:10

Aber selbstverständlich bin ich bereit, meinen Ad-Blocker auszuschalten. Sobald Webseiten dafür haften wenn über die Werbung Viren verteilt werden. Das kommt vor und dann darf man lesen, wie sehr das doch bedauert wird und man hat jetzt die Qualitätskontrolle verschärft und blablabla und ändern tut sich nichts.

Bleiben wir beim Supermarkt. Ich kann entweder weiterhin meine Süßigkeiten STEHLEN, oder ich gehe zur Kasse. Wenn ich zur Kasse gehe besteht allerdings die Chance, dass mir der Kassierer ab und an ohne Vorwarnung in die Fresse haut.

Schwere Wahl.

Und wissen Sie was? Würden Webseiten die Werbung vom eigenen Server ausliefern, würde diese gar nicht automatisch geblockt werden! O_O Aber das wäre ja Arbeit. Dann müsste man sich ja mit Werbekunden abgeben und so.

Die momentane Werbeindustrie hat sich selbst ruiniert. Und alle großen Seiten machen mit. Und heulen dann, wenn ich mich als Verbraucher schütze. Ich will demnächst was bei Amazon kaufen. Gebt mir nen Ref-Link und ich mache das gerne über euch.

Stattdessen wird mit lauter Mist angezeigt der mich sowieso nicht interessiert, mich durch Animationen nervt und wenn ich Pech habe meinen Computer zerlegt. Und da soll ich mich schlecht fühlen wenn ich das blocke? Pff.