Die belgische Lektion
Fast wäre vergessen gegangen, dass da noch ein Konflikt schwelt zwischen Schweizer Verlegern und Google. Streitpunkt ist der Nachrichtenaggregator Google News. Verlage sehen ihre Rechte verletzt, wenn Schlagzeilen und Textanrisse ihrer Artikel von der Suchmaschine indexiert und zugänglich gemacht werden. Deshalb fordert der Verband Schweizer Medien ein Leistungsschutzrecht, das solche Nutzung entschädigungspflichtig machen würde. Ein aktuelles Urteil aus Belgien und vor allem die Reaktion von Google werfen ein Schlaglicht auf diesen Konflikt.
Am 5. Mai hat ein Berufungsgericht in Brüssel ein Urteil bestätigt, das vor vier Jahren gegen Google ergangen war. Demnach verstösst das Internetunternehmen gegen belgisches Recht, wenn es Schlagzeilen und Textanrisse von Zeitungen in sein Nachrichtenportal Google News aufnimmt. Dieser Entscheid gilt für die französisch- und deutschsprachigen Zeitungen Belgiens, die ihre Interessen vom Verband Copiepresse vor Gericht haben vertreten lassen.
Google hat das Urteil genau gelesen und festgestellt, dass nicht nur die Darstellung von Textausschnitten bei Google News unter Strafe gestellt wird, sondern die Indexierung für die gesamte Websuche. Denn auch dort sind Textausschnitte ersichtlich, wenn jemand nach einem Zeitungsartikel sucht. Um keine weiteren Rechtshändel zu riskieren, entfernte Google die Angebote der belgischen Zeitungen aus dem Suchindex. Währen vier Tagen konnten Titel wie Le Soir oder La Libre Belgique nicht mehr über die Suchmaschine gefunden werden.
So sei es dann doch nicht gemeint gewesen, gaben die vom Google-Universum ausgeschlossenen Zeitungen empört zurück; gar von Boykott sprachen sie. Inzwischen konnten sich die Parteien einigen und die belgischen Zeitungen sind wieder auffindbar mit einer Google-Suche. Derweil zeigt man sich in der Schweiz «besorgt» ob der jüngsten Entwicklung in Belgien. Der Verband Schweizer Medien («Verlegerverband») hat am letzten Donnerstag in einem Communiqué Stellung genommen. Viel mehr sagt die Branchenorganisation nicht dazu. Ihr «Standpunkt» wird nicht wirklich klar, obwohl das Papier angibt, einen solchen zu vermitteln. Am deutlichsten wird die Haltung bei der geäusserten «Besorgnis, dass Google seine Marktposition dazu benutzt, starken Einfluss auf den Betrieb des Internets auszuüben.» Was dies für die Situation in der Schweiz bedeutet, bleibt aber offen. Eine Klage nach belgischem Vorbild? Verstärktes Lobbying für ein Leistungsschutzrecht? Man erfährt es nicht.
Was auch nicht weiter verwundert. Zu unterschiedlich sind die Geschäftsmodelle und -interessen der Schweizer Verlage, als dass sie imstande wären, Google mit einer kohärenten Haltung entgegenzutreten. Tamedia beispielsweise mit seinem umfangreichen kostenlosen Online-Angebot von 20min.ch und Newsnetz kann mit Google ganz gut leben, nach dem Motto: Inhalte, die kostenlos im Web verfügbar sind, müssen nicht speziell geschützt werden. Beim werbefinanzierten Geschäftsmodell zählt der Traffic und Google bringt Traffic.
Das Maul am weitesten aufgerissen gegen Google haben in der Vergangenheit Verbandspräsident Hanspeter «Google hat Angst vor uns» Lebrument und Norbert «Was Google macht, ist illegal» Neininger von den Schaffhauser Nachrichten. Neininger liess es indes nicht nur bei Worten bleiben, es folgten auch Taten. Mit news1.ch brachte er vor drei Jahren den «’Google News‘-Killer der Schweizer Regionalverleger» (medienspiegel.ch) an den Start. Der Nachrichtenaggregator von kleineren und mittelgrossen Medienhäusern kam allerdings nie vom Fleck und hat nun im April sang- und klanglos seinen Betrieb eingestellt.
Was lehrt die belgische Lektion? Vor allem eines: Das Ergebnis eines jahrelangen Rechtsstreits gäbe es auch schneller, einfacher und günstiger zu haben. Verlage, die nicht wollen, dass ihre Inhalte bei Google News erfasst werden, können dies mit einem Formular bei Google melden und innert 30 Tagen sind sie raus. Oder sie konfigurieren die robots.txt-Datei ihrer Website so, dass sie den Zugriff von Suchmaschinen oder spezifischen Diensten wie Google News verunmöglicht. Das dauert zwei Minuten.
Klingt simpel. Aber wenn es denn so einfach wäre: Die Verleger wollen den Fünfer und das Weggli: Von Google indexiert und dafür entschädigt werden. Dazu lobbyieren sie für ein Leistungsschutzrecht. Der Verband Schweizer Medien setzte sich gar das ambitiöse Ziel, dass ein solches Sonderrecht noch in diesem Jahr eingeführt würde. Daraus wird wohl nichts. Auch deshalb nicht, weil der Bundesrat eine klare Haltung dieser Forderung gegenüber vertritt und keinen Handlungsbedarf sieht: «Ein Leistungsschutzrecht würde einzig eine zusätzliche Schicht von Rechten schaffen, ohne dass dafür ein Bedürfnis ausgewiesen ist.»
bugsierer 25. Juli 2011, 11:51
ich frage mich, ob das was herr neininger auf seinem blog macht eigentlich legal ist:
http://neininger.wordpress.com/about/
was er da als seltsames sonntägliches fotohobby betreibt ist zumindest ein krasser widerspruch zur forderung eines leistungsschutzrechts. und nebenbei ein journalistischer tiefflug.