Die Geschichte ist geschrieben
Während fast zwanzig Jahren hat die SRG ihre Unternehmensgeschichte aufarbeiten lassen. Nun ist der dritte und letzte Band des ambitionierten Projekts erschienen, der die Zeit von 1983 bis in die Gegenwart abdeckt. Passend zur jüngeren Entwicklung von Schweizer Radio und Fernsehen gibt es diese Publikation auch multimedial und digital als App fürs iPad.
Es ist kaum übertrieben, wenn die Autoren vom «wohl umfangreichsten unternehmensgeschichtlichen Programm» sprechen. Nach fast 20 Jahren Forschungsarbeit und gut 1000 veröffentlichten Druckseiten in drei Bänden gibt es für die Unternehmensgeschichte der SRG eine Zäsur. Mit der am letzten Freitag veröffentlichen Publikation zu den Jahren 1983 bis 2011 ist die Geschichte des öffentlichen Rundfunks in der Schweiz bis in die Gegenwart hinein fertiggeschrieben.
Treibende Kräfte des Wandels von Radio und Fernsehen in den letzten dreissig Jahren waren Liberalisierung, Kommerzialisierung und Digitalisierung. Die vorerst versuchsweise Zulassung von kommerziellen Privatradios ab 1983 legte den Grundstein für das heute im Grundsatz unbestrittene duale System in der Rundfunklandschaft.
Der kommerzielle Druck auf die einheimischen elektronischen Medien, vornehmlich auf das Fernsehen, kam und kommt aus dem europäischen Ausland – mit weitreichenden Folgen für Struktur und Programme der SRG: Aus der Anstalt wurde ein Unternehmen, die Orientierung an der Quote ein alltägliches Arbeitsinstrument. Beim Spagat zwischen öffentlichem Auftrag und Markterfolg die Balance nicht zu verlieren, ist die anspruchsvolle Aufgabe eines öffentlichen Rundfunks.
Mit der Digitalisierung wirkt schliesslich eine globale, technologische Entwicklung als Triebfeder des Medienwandels. Das noch unfertige Konvergenzprojekt der SRG, dessen Anfänge der vorliegende Band ausführlich würdigt, zeigt, mit welchen Ungewissheiten und Unwägbarkeiten der Rundfunk in nächster Zeit konfrontiert sein wird.
Gleichsam als Klammer versucht die Mediengesetzgebung einen regulatorischen Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen zu erreichen. Entsprechend viel Platz räumen die Autorinnen und Autoren dem erstmaligen Erlass eines Radio- und Fernsehgesetz 1991 und der Revision vom 2006 ein.
Den Anstoss zur Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte gab 1993 Antonio Riva. Der frühere SRG-Generaldirektor (1987 bis 1996), hatte mit Markus Drack einen promovierten Historiker als Stabchef an seiner Seite und fand in ihm die geeignete Person, für das herkulische Vorhaben. Drack hielt es schon damals für höchste Zeit, Ordnung in die Archive zu bringen, da «wesentliche Vorgänge nach und nach dem Vergessen anheim fielen und (.) das Geschichtsbild den schweizerischen Rundfunk betreffend fragmentarisch war.»
Dieses Defizit sollte mit dem nun abgeschlossenen Forschungsprojekt behoben sein, wenn auch längst nicht alle Aspekte der schweizerischen Rundfunkgeschichte Eingang in die drei veröffentlichten Bände gefunden haben. Als ein Ergebnis der langjährigen Arbeit in und mit den Archiven der SRG wird es künftigen Historiker-Generationen einfacher fallen, die Geschichte von Radio und Fernsehen in der Schweiz weiterzuschreiben.
Das Forschungsprojekt hat die SRG-Generaldirektion zu einem professionellen Umgang mit ihren Archiven angeregt, die der Bundesrat 2009 als «Kulturgüter von nationaler Bedeutung» eingestuft hat. Da es sich bei Kulturgütern, zumal solchen, die der Bürger bezahlt hat, um öffentliche Güter handelt, stehen die Quellen auch Dritten zur Verfügung.
Ebenfalls im Sinn und Geist einer breiten Zugänglichkeit gibt es den dritten Band der SRG-Unternehmensgeschichte als kostenlose App fürs iPad. Wobei die Gratisversion gegenüber der Buchpublikation sogar noch den Mehrwert der integrierten Multimedialität bietet. Radio- und Fernsehgeschichte muss man hören und schauen, und nicht nur lesen können.
Die nun abgeschlossene Trilogie zur Geschichte der SRG ist mehr als nur Unternehmensgeschichte, sondern eine Mediengeschichte, ja ein Gesellschaftsbild einer Epoche mit Brüchen und Umbrüchen, die sich immer auch in Radio und Fernsehen spiegelten.
Anton Keller 03. April 2012, 20:33
Und wir bezahlen das Ganzen mit unseren Zwangsgebühren.