«Jeden Sonntag das gleiche Theater»
Auch nach zwei Jahren lassen die Klagen über Mängel und Fehlfunktionen der iPad-App der Sonntagszeitung nicht nach. Weshalb schafft es das grösste Schweizer Medienhaus nicht, ein stabiles Produkt anzubieten? Remo Fehr, für die App zuständiger Verlagsmann, nennt neben den technischen Schwierigkeiten, wie sie auch andere App-Anbieter kennen, die automatisierten Abläufe als Grund für die Probleme.
Es klang irgendwie vertraut am letzten Sonntagmorgen auf Twitter. Da hatte sich einer auf die digitale Lektüre der Sonntagszeitung gefreut, aber: «Schade, die App neu im Zeitungskiosk, die Probleme bleiben. Unvollständige Seiten und Abstürze. Negatives Kundenerlebnis.» Er war nicht der einzige, der sich mit Pannen und Fehlfunktionen konfrontiert sah, als er die App der Sonntagszeitung starten wollte. Seit dem Start vor bald zwei Jahren vergeht kaum eine Woche, ohne dass nicht irgendwo irgendetwas nicht so tut, wie es sollte bei der iPad-Ausgabe der Sonntagszeitung. Oder mit den Worten eines anderen frustrierten Kunden: «Jeden Sonntag das gleiche Theater mit der iPad-App. Anmeldeprobleme. Download-Probleme.»
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Nach einer rekordverdächtigen Entwicklungszeit von zehn Wochen konnte Ende August 2010 die Sonntagszeitung als eine der ersten Schweizer Zeitungen ihre Version fürs iPad anbieten. Doch auf die erste Euphorie über die Pioniertat folgte alsbald die Ernüchterung. «Kinderkrankheiten» nannte es der Verlag, schlicht Ärger war es für die Nutzer, die sich auf das neue Produkt gefreut hatten. Die Startschwierigkeiten zogen sich ein halbes Jahr hin. Dann kam die freudige Kunde: «Diese Probleme gehören ab sofort der Vergangenheit an», liess sich Remo Fehr, fürs iPad verantwortlicher Verlagsmann, vom «Schweizer Journalist» zitieren.
Doch nach dem Problem ist vor dem Problem. Denn nicht alle haben den gleichen Ursprung. Am letzten Sonntag habe es an Apple gelegen, dass die App nach dem Umzug in den «Newsstand» teilweise nicht funktioniert habe, sagt Fehr im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Überhaupt sei es nicht immer ganz einfach mit Apple zu geschäften. Eine Klage, die man auch aus anderen Verlagen hört. «Wenn Apple eine Änderung vornimmt, ist nicht immer einfach nachzuvollziehen, welche Konsequenzen das haben könnte für unsere App. Die Informationen sind teilweise auch widersprüchlich», sagt Fehr. Ausserdem sei die Kommunikation mit Apple nicht einfach. «Es gibt keine direkten Ansprech- oder Bezugspersonen. Alles läuft online über Service-Plattformen, mit zum Teil sehr langen Antwortzeiten.»
Auf das Gebaren von Apple hat man keinen Einfluss. Die internen Abläufe dagegen sollte der Verlag im Griff haben. Doch die gestalten sich einigermassen komplex und das zuständige Personal besteht lediglich aus Remo Fehr, der beim Verlag alleine für die Betreuung der App zuständig ist. Da die Prozesse weitgehend automatisiert sind, müssen bereits bei der Zeitungsproduktion viele Details stimmen, damit bei der Aufbereitung der Daten für die App keine Fehler entstehen. Weitere Fehlerquellen lauern bei den Partnern Swisscom und Goldbach Media, die für die IT der Sonntagszeitung, respektive Entwicklung und Hosting der App verantwortlich sind.
Anders als die Schwesterzeitung Tages-Anzeiger, die mit viel Aufwand seine App zu Markte trägt und gar eine eigene Redaktion aufgebaut hat, fährt die Sonntagszeitung mit einer schlanken Struktur. Für ein Nischenprodukt, wie die iPad-App eines ist, ein vernünftiger Entscheid. Gerade mal 3000 heruntergeladene Zeitungsausgaben zählt die iPad-Ausgabe im Schnitt jeden Sonntag. Ein äusserst bescheidener Wert im Vergleich mit der Printauflage von über 180’000 Exemplaren.
Diese Grössenverhältnisse relativieren auch die Bedeutung der oft sehr laut vorgetragenen Klagen über Fehler und Mängel der Sonntagszeitung-App. Das weiss auch Remo Fehr: «Wenn die App nicht funktioniert, hört man es sofort. Wenn hingegen alles einwandfrei läuft, meldet sich niemand.» Oft sei es zudem so, dass sich nach der ersten Aufregung, wenn er zur Lösung des Problems habe beitragen können, dieselben Leute bei ihm freundlich bedankten, die vorher laut aufgeschrien hätten.
Auch bei der Hauszustellung von Zeitungen kommt es zu Ausfällen. Davon liest man aber selten bis nie auf Twitter. Auch gibt es für die Printausgabe kein zentrales Rating-Portal, wie der iTunes-Store, wo die Sonntagszeitung-App mit sehr schlechten Bewertungen am Pranger steht. Die meist emotionalen Reaktionen rühren auch von einer sonderbaren, ja fast kindlichen Erwartung an die digitale Technik her, wonach alles subito und perfekt zu funktionieren hat. Bei Fehldrucken und vom Regen aufgeweichten und streckenweise unleserlichen Zeitungen reagieren wir toleranter.
Zum Schluss sagt Remo Fehr das, was er immer sagt nach einer Panne: «Wir sind derzeit mit Hochdruck daran, ein Update einzuspielen, damit alles wieder einwandfrei läuft.» Was natürlich überhaupt nicht heisst, dass es nicht auch am nächsten Sonntag wieder zu Pannen kommen wird. Und auf Twitter das Klagekonzert von Neuem mit der altbekannten Melodie losgeht.