Wo liegt das Problem?
Urs Gossweiler, Verleger der Jungfrau Zeitung und Mitglied des Verbandspräsidiums Schweizer Medien, wehrt sich gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts. Der Verband legt seine offizielle Haltung an der Präsidiumssitzung morgen Freitag fest.
Mein Urgrossvater lebte davon, dass seine Dorfzeitung Dokumente von der Gemeinde, der Pfarrei oder Vereinen kostenlos abdrucken konnte. Hinzu kamen Beiträge aus der Leserschaft. Oft waren die spannendsten Inhalte bezahlte Werbeflächen, etwa die Todesanzeigen. Die gleichen Absender wiederum bezahlten als Nutzer dieser Inhalte eine Abogebühr. Mein Grossvater war eine Art Google für das Dorf mit dem Vorteil, dass er nicht nur an der Werbung sondern auch an den Nutzungsgebühren verdiente.
Vor zwei Wochen luden mich die dänischen Verlegerkollegen nach Kopenhagen ein, damit ich Ihnen erzähle, was wir im Dorf aus dem Businessmodell meines Urgrossvaters gemacht haben. Dank Google hatte ich innert fünf Minuten ein cooles Restaurant für den Lunch gefunden (BioMio am Halmtorvet 19), die entsprechende Metro- und Busverbindung dorthin sowie die Öffnungszeiten des Runden Turms und und und… das alles kostenlos für mich und auch kostenlos für die Anbieter von Food, ÖV und Sightseeing. Nach einem Referat führt mich Google Alerts jeweils direkt auf die Newsplattformen von Zeitungen, die über mich geschrieben haben. Kostenlos für mich, kostenlos für den Nachrichtenanbieter. Noch nie habe ich auf Google einen ganzen Zeitungsartikel lesen können. Die meiste Zeit verbringe ich also auf der Plattform der Zeitung, wo ich die Werbung jeweils intensiv betrachte, weil sie grafisch gestaltet ist und daher emotionaler daherkommt als die reinen Textanzeigen bei Google.
Viele Verleger in Europa versuchen nun von Google via Staat Geld zu erhalten für deren Verlinkung auf ihre Online-Angebote. Erreicht werden soll dies mit einem neuen Leistungsschutzrecht. Dabei sind diese Hinweise unter Google News nichts anderes als die Zeitungsaushänge an den Kiosken: nämlich Werbung für die jeweilige Zeitung. Im Gegensatz zum Kioskaushang bietet Google diese Werbung für uns Verleger kostenlos an. Wo also liegt das Problem? Wir Zeitungsverleger haben in den vergangenen hundert Jahren insbesondere davon gelebt, dass wir den Menschen Suchhilfen geboten haben. Dank uns haben die Leute relevante News, Marktangebote sowie Klatsch und Tratsch mitbekommen. Wir waren die Suchmaschinen in der analogen Welt und haben damit sehr gutes Geld verdient. Denn uns haben nicht nur die Absender von Informationen Geld gegeben sondern auch die Empfänger derselben.
In den 1970er Jahren führten die Zeitungshäuser als eine der ersten Branchen den Computer und somit die Digitalisierung der Produktionsprozesse ein. Leider haben die meisten Verleger drei Jahrzehnte lang nichts anderes getan als diese digitale Daten auf analoge Druckplatten zu pressen. Die einstigen Pioniere mutierten zu reinen Druckmaschinenbesitzern. Ein Vierteljahrhundert später entstand Google. Warum konnte dieses Unternehmen so schnell so radikal unsere Kernkompetenz, das Suchen und Finden von Information, übernehmen? Weil Google von Beginn weg auf das Netz, statt auf Druckmaschinen gesetzt hat.
Wohin geht die Reise? So lange sich Google an das Urheberrecht hält, gibt es für uns keinen Grund, ein Leistungsschutzrecht zu fordern. Schon die Forderung alleine stellt uns Verleger auf die Verliererseite. Wir zeigen damit dem Markt, dass wir keine Rezepte für die Zukunft haben, ausser den Gesetzgeber um Hilfe zu bitten. Damit würde sich die Marktverschiebung von uns zu Google nur noch intensivieren. Vielmehr müssen wir unsere Ressourcen und Kreativität dazu einsetzen, unsere Rolle als Zeitungen für die Zukunft zu definieren. Oberstes Prinzip dabei: die Verteidigung der Pressefreiheit. Danach folgt der technologische Wandel weg vom Papier hin in die Onlinewelt. Was sind unsere Kompetenzen und Verkaufsargumente? Sicher unsere publizistischen Inhalte, die Google ja nicht klaut, sondern hilfreich darauf verweist. Mehr dürfen wir von dem Giganten nicht erwarten. Ansonsten wird Google von sich aus sämtliche Verweise auf Zeitungen kappen. Spätestens da werden wir schmerzlich erfahren, wie aussichtslos dieser Kampf für ein Leistungsschutzrecht ist. Ganz zu schweigen von den Problemen bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes. Etwa bei der Geldverteilung. Alleine hier gäbe es dann viel mehr Anspruchsgruppen als nur die Presseverleger, die jetzt die hohle Hand machen.
Ernst Stucki 07. Dezember 2012, 23:03
Grossartige Meinung !!
Ehrlich-Gerecht-eben Grossartig .