Neue Sorgen um die Alte Tante
Derzeit läuft so einiges nicht rund im Hause NZZ: Verwaltungsratspräsident Steinegger plaudert mit der Konkurrenz über hochrangige Personalien, sein Vorgänger Hummler bleibt eine Hypothek für die Publizistik, Digitalchef Hogenkamp befindet sich bis Ende Monat in Kur, an seiner Stelle muss Chefredaktor Spillmann schwache Online-Zahlen erklären. Und CEO Stäheli bleibt so gut wie unsichtbar.
Für die Konkurrenz ist es ein gefundenes Fressen. Die aktuellen Vorgänge um die Neue Zürcher Zeitung NZZ liefern reichlich Stoff. Seit das Traditionsblatt im letzten Herbst dazu übergegangen ist, sein Online-Angebot kostenpflichtig anzubieten, steht die NZZ unter verstärkter Beobachtung in der Branche. Nahezu jede Regung wird registriert, interpretiert und bewertet. Besonders die Konkurrenz aus dem Hause Tamedia hat sich der alten Tante an die Fersen geheftet. Das Publikum von tagesanzeiger.ch/Newsnet weiss das offensichtlich zu schätzen: Auf die jüngsten beiden Artikel meldeten sich die Leser mit über hundert Kommentaren zu Wort – mit teils abstrusen Vorstellungen vom Mediengeschäft.
Mit der neuen Online-Strategie ist die NZZ eine riskante Wette eingegangen: Unser Angebot ist so gut, dass die Leser auch online bereit sind, einen hohen Abo-Preis zu zahlen. Als First-mover begibt sich die NZZ auf weitgehend unbekanntes Terrain. Alle Verlage, die dem Beispiel folgen wollen (darunter auch Tamedia), profitieren von den Erfahrungen des Pioniers. Die Bilanz nach den ersten Monaten ist durchzogen. Kein Wunder: NZZ.ch hat sich in kurzer Zeit sowohl redaktionell, als auch gestalterisch, technisch und kommerziell komplett neu aufgestellt. Es würde überraschen, wenn alles auf Anhieb klappt. Wenn unglückliche Umstände dazuspielen, sieht es schnell nach Krise aus.
«Wir haben uns auf einen Weg begeben, der etwas Zeit kosten wird», versucht NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann zu beschwichtigen und spricht damit die stetig sinkende Nutzung von NZZ.ch an. Mit tieferschürfenden Analysen und Erklärungen der Online-Entwicklung ist derzeit nicht zu rechnen. Digitalchef Peter Hogenkamp musste unvorhergesehen einen Kuraufenthalt antreten und hält sich bis Ende Monat auf dem Geschäft raus.
Als ob es im Digitalen nicht schon genug Baustellen gäbe, sorgt auch noch das Führungspersonal für Unruhe. Konrad Hummler sitzt weiterhin im Verwaltungsrat der Zeitung. Das sei kein Problem, finden Fachleute, wie Kurt W. Zimmermann: «Einen davon verträgt es selbst im obersten Gremium der NZZ.» Das mag für Gegenwart und Zukunft zutreffen. Bei Hummler geht es aber um die Vergangenheit. Er stand in einer Zeit an der Spitze der NZZ, als er mit seiner Bank ein Geschäftsmodell praktizierte, das nun am Pranger steht. Nur dank einer Millionenzahlung konnte Hummler den Kopf aus der Schlinge der US-Justiz ziehen. Damit bleibt er eine Hypothek für die NZZ. Sein Verbleib im Verwaltungsrat wird all jenen immer wieder aufs Neue willkommene Munition liefern, die in der NZZ schon immer das Blatt der Bonzen und Banken sahen.
Hummlers Nachfolger scheint mit nicht viel glücklicherer Hand zu agieren – wenn auch in viel harmloseren Dimensionen. So plaudert Franz Steinegger, ex-FDP-Präsident und Krisenmanager, mit der Konkurrenz freimütig über hochrangige NZZ-Personalien. Ja, bestätigt Steinegger, man führe mit Christoph Bauer Gespräche, nachdem dieser jüngst die AZ Medien als CEO verlassen hat. «Das können wir nicht verheimlichen», sagt Steinegger und nicht etwa, wie sonst üblich auf solche Journalistenfragen: Zu Gerüchten nehmen wir keine Stellung. Gleichzeitig desavouiert er den amtierenden CEO, Albert P. Stäheli. Auf die Frage, ob Stäheli fest im Sattel sitze, antwortet Steinegger nicht etwa mit einem klaren Ja, sondern ergänzt vieldeutig: «Es gibt auch nicht viele Kandidaten auf dem Markt.» Das heisst: Wir halten nur deshalb an Stäheli fest, weil es keinen besseren gibt. Überhaupt ist es auffällig ruhig um den NZZ-CEO. Zumindest gegen aussen wirkt er nicht als die starke Führungspersönlichkeit, die den tiefgreifenden Wandel der NZZ lenkt und steuert.
Die irritierenden Aussagen des Präsidenten und vor allem die Vorgänge rund um die Online-Strategie sorgen in Teilen der NZZ-Redaktion für nachhaltige Irritation. Gestandene Zeitungsleute reagieren zunehmend resigniert. Sie verweisen auf die unveränderte Bedeutung der gedruckten Zeitung als wichtigste Einnahmequelle des Unternehmens. Die Gegenwart gibt ihnen recht. Aber auch die Zukunft?
Peter Hogenkamp 18. Januar 2013, 16:57
Danke der (impliziten) Nachfrage, mir geht’s bestens. Wenn ich das nächste Mal zur Kur gehe und zwei Wochen abwesend bin, mache ich ein Vierteljahr vorher eine Medienmitteilung, dann ist zumindest das Thema «unvorhergesehen» vom Tisch… 🙂