Textangebot auf SRF.ch wächst
Das Online-Angebot von Schweizer Radio und Fernsehen wird immer textlastiger. Vermehrt stellen die Redaktionen Transkripte ihrer Sendungen ins Netz. Was Menschen mit Sinnesbehinderung freut, beobachten die Verleger mit Argusaugen und zunehmender Besorgnis. Der ewige Streit um die Online-Aktivitäten der SRG geht in die nächste Runde.
Nach dem Streit ist vor dem Streit. Trotz bundesrätlichem Machtwort bleibt die Situation zwischen Verlegern und SRG weiter angespannt. Die privaten Medienunternehmen beobachten mit Argusaugen, wie sich das gebührenfinanzierte Online-Angebot entwickelt. Gemäss der Anfang Mai angepassten Konzession darf die SRG Texte von beliebiger Länge nur dann online veröffentlichen, wenn sie mit einer Radio- oder Fernsehsendung verknüpft sind. Aktuelle Artikel ohne solchen Sendungsbezug dürfen einen Umfang von 1000 Zeichen nicht überschreiten. Über diese Lösung zeigten sich anfänglich auch die Verleger glücklich und sahen darin einen «gut eidgenössischen Kompromiss» (Peter Wanner): Die SRG erhält etwas mehr publizistischen Spielraum im Netz, dafür bleibt ihr (vorerst) Online-Werbung verwehrt.
Inzwischen ist die Stimmung gekippt. «Wir beobachten diese Entwicklung mit grosser Sorge», sagte Urs F. Meyer, Geschäftsführer des Verbands Schweizer Medien letzte Woche gegenüber tagesanzeiger.ch. Auf SRF.ch seien im Vergleich zu Anfang Jahr mehr und längere Texte zu finden, teilweise auch ohne den geforderten Sendungsbezug. Auf Nachfrage der MEDIENWOCHE präzisiert Meyer: «Ich habe nicht gesagt, dass es Verletzungen von gesetzten Grenzen gibt.»
In der Tat lässt sich auf SRF.ch unschwer eine Zunahme des redaktionellen Textangebots feststellen. SRF-Sprecher Jonathan Engmann bestreitet das auch gar nicht: «Es kann schon der Eindruck entstehen, dass es mehr geworden sei. Tatsache ist aber, dass wir die Vorgaben der Konzession einhalten.» Es gibt vor allem einen Treiber für die steigende Textmenge: SRF, und vor allem das Radio, stellt vermehrt redigierte Sendungstranskripte ins Netz. Drei Radiominuten ergeben abgeschrieben richtig lange Textriemen.
Bei SRF sieht man sich für das Angebot von Sendungstranskripten doppelt legitimiert: Zum einen weist keine andere Textgattung einen so grossen Sendungsbezug auf, wie die Transkripte. Zum anderen erfüllen die Abschriften die Forderung, die gebührenfinanzierten Inhalte auch sinnesbehinderten Menschen zugänglich zu machen. «Wir habend den Auftrag, ein möglichst barrierefreies Online-Angebot bereitzustellen», sagt SRF-Sprecher Engmann. Gleichzeitig versucht er, die Wogen in Richtung Verleger zu glätten. «Es ist nicht unser Anspruch, alles zu transkribieren.» Das erfolge nur bei ausgewählten Sendungen, abhängig von den Ressourcen und Kapazitäten der jeweiligen Redaktionen.
Es sind aber nicht nur die Abschriften von Radiobeiträgen, die das Textangebot auf SRF.ch anwachsen lassen. Neuen Lektürestoff gibt es allenthalben. Zum Beispiel auf der Kultur-Plattform. Die 675-Wörter-Abhandlung über das Holzhammerklavier würde sich auch in einem Zeitungsfeuilleton gut machen. Ebenso das Interview mit Mathias Gnädiger. Ein Gespräch, das nota bene nur als Text vorliegt. Die Ressourcen, die nun vermehrt in die Textproduktion gesteckt werden, könnten genauso gut für audiovisuelle Beiträge verwendet werden.
Wie Urs F. Meyer vom Verlegerverband richtig feststellt, verletzen weder Transkripte noch Kultur-Texte die Konzession. Aber mit dem Entscheid des Bundesrats haben die Verleger – völlig zurecht – die Erwartung verbunden, dass die SRG den Spielraum nicht ausreizt, gerade weil es sich um einen Kompromiss in einer delikaten Konstellation handelt.
Die gegenwärtige Praxis von Schweizer Radio und Fernsehen im Umgang mit Textbeiträgen lässt von der angebrachten Zurückhaltung wenig erkennen. Es liegt ganz in der Tradition des Hauses, dass die SRG beim Online-Ausbau stets an die Grenzen des Zulässigen geht. Für die künftige Suche nach einvernehmlichen Lösungen mit der privaten Konkurrenz sind das keine idealen Voraussetzungen.