Transparenz allein reicht nicht
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dieser Grundsatz zieht sich durch die gesamte Schweizer Agrarpolitik. Dass kein Schwein durchblickt, ist ganz im Interesse der Behörden. Doch das hat Folgen für den Journalismus. Darum sollten sich Medienschaffende nicht nur für mehr Transparenz in der Verwaltung einsetzen, sondern auch für einfachere Gesetze und Reglemente.
Die Schweizer Agrarpolitik ist kompliziert. Und sie wird mit jeder Agrarreform noch komplizierter. Wer sich nicht total auf agrarpolitische Themen spezialisiert, hat wenig Chancen das System überhaupt zu durchschauen. Kein Wunder sind die Medienschaffenden für jede Kritik dankbar, die ihnen zugetragen wird. Leider führt aber genau dieser Fokus auf ein paar kritische Stimmen – in aller Regel von Interessenvertretern – bei allen agrarpolitischen Fragen zu einer Art Rudeljournalismus: Alle hetzen in dieselbe Richtung und bellen einander nach.
Weil dieser Effekt quasi systembedingt ist, nenne ich ihn «behördeninduzierten Rudeljournalismus». Ich gehe davon aus, dass den Behörden dieser Effekt bewusst ist. Ich wage sogar zu behaupten, dass sie froh darüber sind. In der Vergangenheit haben nämlich meistens die diejenigen vom Rudeljournalismus profitiert, die diese neuen Vorschriften-Geschwüre in die Welt setzten und damit eigene und fremde Arbeitsplätze sicherten: Die Behörden und Bürolisten.
Natürlich ist Rudeljournalismus nicht nur negativ, im Rudel ist man ja auch stark. Problematisch finde ich nur, dass die Richtung, in die sich ein Rudel bewegt, sehr einfach mit selektiv gestreuten Informationen gesteuert werden kann. Die Agrarreform 14-17 bot viel Anschauungsmaterial dazu. Da wurde die Reform als Stärkung der Berglandwirtschaft verklärt – obwohl im Berggebiet der grösste Rückgang an Betrieben prognostiziert wird.
Graslandbasierte Produktionssysteme wurden in den Himmel gelobt – obwohl dieses Gras auch aus importiertem Heu oder von Kunstwiesen auf Äckern bestehen kann. Darüber, dass manche Bauern in Folge der neuen Agrarpolitik mehr Tiere halten müssen als früher, um in den Genuss von Direktzahlungen zu kommen, schrieb praktisch niemand. Das merkte ohnehin nur, wer sich intensiv mit der komplexen Materie befasste. Weil dazu kaum jemand Zeit hat, bellte das Medienrudel brav in die behördlich gewünschte Richtung.
Ich finde das irgendwie verrückt. Denn es gibt so viele Journalistinnen und Journalisten, die sich für mehr Transparenz in der Bundesverwaltung einsetzen und versuchen Licht ins Dunkel der Behörden zu bringen. Das ist gut und richtig. Genauso wichtig wäre jedoch ein Kampf für einfache, für Bürgerinnen und Journalisten nachvollziehbare Vorschriften. In der Agrarpolitik ist das Potenzial dazu riesig – in anderen Bereichen ist das vermutlich ähnlich. Vielleicht sollten wir als Rudel auch einmal in diese Richtung jagen?