Initiativtext mit grossen Fragezeichen
Der Wortlaut der Volksinitiative «zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» zielt gleich mehrfach ins Leere. Obwohl die Terminologie nicht allein entscheidend wäre bei einer allfälligen Umsetzung, erweist sich der Initiativtext als Hypothek für das vermeintlich radikale Begehren und schmälert dessen Glaubwürdigkeit.
Seit dem 11. Juni sammelt ein Komitee Unterschriften für die Volksinitiaitve «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)». Bis Ende 2015 bleibt ihnen Zeit, 100 000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass ein «fairer Medienwettbewerb» nur möglich sei ohne öffentliche Mittel für Radio und Fernsehen. Der Unmut kristallisiert sich vor allem an der Inkassostelle Billag, die als das Böse schlechthin gilt und idealtypisch das gesamte öffentlich finanzierte Rundfunksystem verkörpert. Darum firmiert das Begehren auch unter dem Kurznamen «No Billag».
Um die verhasste Billag loszuwerden, und mit ihr gleich auch die SRG in ihrer heutigen Form über Bord zu werfen, will das Initiativkomitee den Artikel 93 der Bundesverfassung ergänzen. Staatliche Subventionen sollen verboten werden, ebenso das Erheben von Empfangsgebühren. Und logischerweise will das Komitee dem Bund untersagen, eigene Radio- und TV-Stationen zu betreiben.
Was auf den ersten Blick plausibel und zum Erreichen des Ziels tauglich aussieht, erweist sich bei einer genaueren Betrachtung so ziemlich als das Gegenteil. Mit dem verwendeten Terminologie im Initiativtext, droht der Schuss nach hinten loszugehen und das Begehren wirkungslos zu verpuffen.
Beginnen wir bei den Subventionen. «Er [der Bund] subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen», soll als neuer Absatz 4 im Medienartikel verankert werden. Das ist der erste Streich. Mit einem Subventionsverbot wäre der «Gebühren-Abzocke» praktisch der Garaus gemacht – oder eben auch nicht. «Gebühren als solche sind sicher keine Subventionen», teilt Staatsrechtler und Alt-Ständerat René Rhinow auf Anfrage mit. Das Initiativkomitee stellt sich dagegen auf den Standpunkt, dass es sich bei den Empfangsgebühren sehr wohl um Subventionen handle. Florian Maier, Co-Präsident des Komitees, zitiert dazu aus dem Subventionsgesetz. Dass dies ein untauglicher Versuch ist, zeigt die Nachfrage beim Finanzdepartement: «Da Radio- und Fernsehgebühren nicht über den Bundeshaushalt abgerechnet werden, handelt es sich auch nicht um eine Bundessubvention im eigentlichen Sinne.» Von einem Subventionsverbot im Medienbereich wären lediglich Swissinfo, 3Sat und TV5 betroffen, die zu Teilen direkt vom Bund finanziert werden.
Auch die «Empfangsgebühren», der zweite zentrale Terminus im Initiativtext, erweisen sich als nicht besonders geeignet, um die Finanzierung von Radio und TV mit öffentlichen Mitteln künftig zu unterbinden. «Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben», schlägt das Komitee als neuer Absatz für den Medienartikel vor. Das Problem: Die Empfangsgebühren sind auf bestem Weg, abgeschafft zu werden. Das ist ein Kernpunkt der laufenden Revision des Radio- und Fernsehgesetzes. In Zukunft wird der öffentliche Rundfunk in der Schweiz über eine allgemeine Medienabgabe alimentiert, die eben gerade keine Empfangsgebühr mehr ist, weil die Abgabepflicht nicht mehr am Vorhandensein eines empfangsbereiten Geräts anknüpft. Der unterschiedliche Charakter der beiden Finanzierungsformen kommt auch in der Terminologie des «Systemwechsels» zum Ausdruck.
Ob Abgabe oder Gebühr ist Florian Maier vom Initiativkomitee indes einerlei: «Ich denke kaum, dass bei einem verfassungsmässigem Verbot von ‹Empfangsgebühren› eine ‹Medienabgabe› erlaubt sein soll. Ansonsten könnte man jedes Verbot durch eine Neubenennung mit marginalen Änderungen umgehen.» Man habe diesen Begriff gewählt, weil nach geltendem Recht und bis auf Weiteres Empfangsgebühren erhoben werden. Dennoch bleibt unverständlich, warum das Komitee den Passus nicht eine Formulierung gewählt hat, die jede Form einer Zwangsabgabe zur Medienfinanzierung verbietet. Der gewählte Initiativtext lässt zumindest Spielraum für ein Weiterbestehen einer Inkassostelle, vielleicht sogar die Billag.
Dass das Komitee stärker der eigenen Propaganda vertraut als der medienpolitischen Realität, zeigt auch ein weiterer Absatz: «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.» Klingt markig, bliebe aber ganz und gar wirkungslos. Denn die Staatsunabhängigkeit der Medien ist bereits in Artikel 93 Absatz 3 der Bundesverfassung festgehalten. Im Rahmen der laufenden Revision des Radio- und Fernsehgesetzes soll die Unabhängigkeit noch stärker als bisher verankert werden. Mit dem expliziten Staatssenderverbot moppelt die Initiative doppelt. Das ist gut gemeint, aber schlecht formuliert.
Unter dem Strich bleibt vom vermeintlich radikalen Vorhaben nicht mehr viel übrig. Die Anti-Billag-Initiative stellt sich zum frühstmöglichen Zeitpunkt selbst ein Bein. Sollten die Unterschriften zustandekommen und die Initiative vom Volk angenommen werden, würde der fahrlässig formulierte Text für erhebliche Unsicherheiten bei der Umsetzung sorgen. Zwar ist bei der Auslegung nicht nur auf die Terminologie abzustützen, sondern auch auf den Willen der Initianten. Ein entgegenstehender Wortlaut vermag die kommunizierte Absicht allerdings nur begrenzt zu korrigieren. Für die medienpolitische Diskussion rund um die Rolle von SRG und Service public ist die Initiative unter diesen Vorzeichen ein denkbar schlechter bis unbrauchbarer Beitrag.
Lucien Looser 05. August 2014, 11:29
Kein einziges Argument zum Inhalt, nur Kritik an der Form. Dieser Artikel ist wertlos.
Peter Bencze 28. Oktober 2014, 17:54
Sehr geehrter Herr Looser, in juristischen Dingen ist die Form ‚dummerweise‘ genauso wichtig, wie der Inhalt… demzufolge ist der Artikel nicht wertlos, nur ihr Kommentar…