von Nick Lüthi

Abgang mit Nebengeräuschen

Ende Jahr wird Artur Vogel den «Bund» als Chefredaktor verlassen. Ganz so freiwillig, wie es Vogel und Verlag darstellen, erfolgte der Abgang aber nicht. Die «Bund»-Redaktion drängte in den vergangenen Monaten auf eine Absetzung ihres Chefs – mit Erfolg, wie sich nun zeigt.

«Den Entscheid, die Chefredaktion abzugeben, habe ich bereits im Januar getroffen», sagt Artur Vogel. Gestern war es so weit. Vor versammelter Redaktion gaben Tamedia-Verleger Pietro Supino und Zeitungschef Ueli Eckstein zusammen mit Chefredaktor Vogel bekannt, dass dieser nach acht Jahren per Ende 2014 die Leitung des «Bund» abgeben werde. Eine Begründung für den Schritt nannten Supino und Eckstein keine, Nachfragen von Seiten der Redaktion blieben aus. In der daraufhin versandten Medienmitteilung steht, Vogel wolle sich «wieder vermehrt dem Schreiben, seiner Tätigkeit als Autor von Büchern sowie dem Reisejournalismus widmen». Über die genauen Umstände der Kündigung haben die Parteien stillschweigen vereinbart.

Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer teilt auf Anfrage immerhin so viel mit, Vogel habe die Leitung «auf eigenen Wunsch» abgegeben. Ob ihm der Verlag diesen Schritt nahe gelegt hat, dazu schweigt Zimmer aber. Am Ende ging es schneller, als Vogel dies ursprünglich geplant hatte. Dafür gibt es verschiedene Hinweise.

  • Noch vor wenigen Monaten soll er an einer Redaktionssitzung gesagt haben, er habe vor, noch vier Jahre im Amt zu bleiben. Vogel selbst bestreitet, diese Aussage je gemacht zu haben.
  • In den vergangenen Monaten war die Redaktion beim Verlag vorstellig geworden, weil sie Vogels Eignung als Chefredaktor infrage stellte.

«Einzelne Kollegen stellen das nun so dar, als hätte mich die Redaktion aus dem Amt vertrieben», sagt Vogel und widerspricht dieser Version vehement. Doch mehrere unabhängig voneinander befragte «Bund»-Mitarbeiter sagen übereinstimmend: Ohne die Protestnoten der Redaktion wäre Vogel weiter im Amt geblieben, weil der Verlag gar nie erfahren hätte, wie es um die Leitung des Traditionsblatts wirklich steht. Verständlich: Wieso sollte sich die Tamedia-Spitze genauer darum kümmern, was in Bern läuft, so lange die Zahlen stimmen und der «Bund» als ansprechende Zeitung daherkommt. Dass dies nicht in erster Linie das Verdienst des Chefredaktors war, sondern einer kleinen Redaktion, die unter grosser Anstrengung gemeinsam den Karren zieht, entging der Konzernleitung offenbar.

Für die «Bund»-Redaktion entwickelte sich das Verhalten des Chefredaktors zunehmend zur Hypothek. Das kleinere Problem war Vogels journalistisches Profil. So hielt er es nicht für nötig, die letzten Wahlen sowohl auf Gemeinde-, Kantons-, wie auch auf Bundesebene zu kommentieren. Auch der Ausgang der SVP-Initiative gegen die «Masseneinwanderung» blieb im «Bund» ohne Vogels Würdigung. In den anderen Schweizer Zeitungen griffen die Chefs reihum in die Tasten. «Es war schon immer mein Prinzip, dass ich diejenigen kommentieren lasse, die mehr von der Sache verstehen als ich», reagiert Vogel auf den Vorwurf der zunehmenden Kommentarfaulheit. Das schreiberische Defizit in der Tagespolitik kompensierte er mit seiner wöchentlichen Kolumne «Perspektiven» und seitenweise Reisereportagen aus allen Winkeln der Welt. In Redaktion und Branche erwarb sich Vogel damit nicht unbedingt einen besseren Ruf als Journalist.

Die extensive Reiserei führte zum zweiten, weit grösseren Problem: Weil er regelmässig längere Zeit abwesend war, verlor der Chefredaktor zunehmend den Draht zur Redaktion. Das führte dazu, dass sein Handeln zu wenig im täglichen Redaktionsgeschäft verankert war. Die Mitarbeitenden bekundeten zunehmend Mühe, Vogels Entscheide zu verstehen. Zuletzt etwa bei der überraschenden Absetzung des langjährigen Lokalchefs und dessen Verpflanzung auf einen anderen Posten. Zu seinen Personalentscheiden mag Vogel keine Stellung nehmen und sagt nur so viel: «Es gibt nichts Konservativeres als eine Zeitungsredaktion.»

Auf der Redaktion spricht man von einem «unglaublichen Unbehagen», das sich in den letzten Monaten breit gemacht habe. Die Umstände, die zu Vogels Abgang geführt haben, werden intern gar als «Palastrevolution» bezeichnet. Der Aufstand sei vor allem deshalb gelungen, weil es auch Leuten «den Nuggi rausgehauen hat», die sich in der Vergangenheit mit Kritik zurückhielten. Das Signal in Richtung Verlag war unmissverständlich: So kann es nicht weitergehen. Und die Tamedia-Spitze hat die Warnrufe der Redaktion offenbar erhört. Über eine Nachfolge von Vogel will der Verlag «zu gegebener Zeit» informieren. Tamedia tut sicher gut daran, eine Person zu wählen, die neben der journalistischen Qualifikation auch einen Leistungsausweis in (Personal)management und -führung mitbringt.

Artur K. Vogel ist seit 2007 «Bund»-Chefredaktor. Zu Beginn seiner Amtszeit war die 1850 gegründete Zeitung akut von der Schliessung bedroht. Entsprechende Sparszenarien kursierten. 2009 entschied sich Tamedia für ein Kooperationsmodell mit dem Tages-Anzeiger. Als Juniorpartner des Zürcher Blatts musste der «Bund» fortan mit wenigen Ausnahmen auf eigenständige Ressorts verzichten. Das führte zu einem massiven Personalabbau, den Chefredaktor Vogel ganz im Sinne des Verlags ausführte.

Als Höhepunkt seiner bald achtjährigen Amtszeit nennt Vogel an erster Stelle die Tatsache, dass es den «Bund» überhaupt noch gibt. Wie und ob er die vier Jahre bis zu seiner regulären Pensionierung weiterarbeiten wird, weiss Vogel noch nicht: «Das muss ich zuerst alles genau anschauen.» Klar ist für ihn immerhin soviel, dass er nach seinem Rücktritt als Chefredaktor vermehrt literarisch schreiben will. In diesem Frühjahr legte er sein Debütwerk vor, das er neben seiner Tätigkeit als Chefredaktor verfasst hatte. In Richtung von Kritikern und Neidern sagte er nach der Buchveröffentlichung: «Und vor allem gibt es Leute, die sich nicht vorstellen können, dass man als Chefredaktor einer Zeitung noch Zeit hat für so etwas.» Ohne Zeitung hat er nun noch mehr Zeit.

Leserbeiträge

Werner T. Meyer 19. Juli 2014, 16:55

Chefredaktor? Wenn man TAGI und BUND nebeneinander legt, fällt es schwer zu glauben, das es das beim Bund geben soll.