von Nick Lüthi

Die Grenzen der Regulierung

Für das Online-Angebot der SRG gilt ein Werbeverbot. Trotzdem prangen auf teletext.ch Banneranzeigen. Das ist zulässig, weil der SRG-Teletext nicht unter die Konzession fällt. Das Beispiel zeigt die Grenzen der gesetzlichen Regulierung digitaler Medien mit Begriffen aus der analogen Zeit. Beim Teletext-Nachfolger HbbTV bahnt sich schon der nächste Konflikt an.

Bunte Texttafeln mit Pixelschrift am TV-Bildschirm, so kennen wir den Teletext. Längst gibt es das Kurznachrichtenangebot auch im Web, anfänglich im identischen Retro-Design, seit Ende Juli auch als sogenannter Webtext auf weissem Bildschirmhintergrund und grosszügiger Bebilderung. Wer es nicht besser wüsste, vermutete hier ein neues Newsportal der SRG.

Aus dem aufgeräumten Layout stechen neben den Bildern vor allem die Werbebanner hervor, die den Nachrichtenteil einrahmen und auch zwischen den einzelnen Meldungen penetrant blinken. Werbung auf teletext.ch ist zwar nicht neu, aber heute richtet sich das Augenmerk ungleich stärker darauf, weil sich das Web zur zentralen Konfliktzone zwischen Verlagen und der SRG entwickelt hat.

Im Teletext sind Werbung und Sponsoring zugelassen. Der Dienst fällt nicht unter die Bestimmungen der SRG-Konzession. Folglich greift hier das Werbeverbot nicht, das nur für das konzessionierte Online-Angebot der SRG gilt. Es gibt also zweierlei «online» für die SRG: Auf srf.ch ist Werbung verboten, auf teletext.ch ist sie erlaubt.

Den Unterschied macht die Finanzierung: Während SRF mehrheitlich mit Empfangsgebühren finanziert wird, alimentiert sich die SRG-Tochter Swiss TXT, die den Teletext betreibt, über den freien Markt mit IT-Dienstleistungen – oder eben mit Online-Werbung. Mit dem Geld kann sie beim Halbschwesterunternehmen SRF die Nachrichten einkaufen für den Teletext, nachdem sie 2008 die eigene Redaktion aufgelöst hatte.

Wenn die bunten Teletext-Tafeln Werbung enthalten (ab Tafel 400 aufwärts), ist dies das eine. Die Kleinanzeigen für allerlei Mehrwertdienste geniessen Artenschutz als schrullige Medienfolklore. Dagegen hat niemand etwas einzuwenden – nicht einmal die Verleger. Wenn aber der Teletext im Web, wohin er 1998 expandierte, neben dem eh schon mit kommerziellen Angeboten vollgepackten Dienst zusätzliche Werbefläche bespielen darf, dann stellt sich spätestens heute die Frage, ob es im Sinne einer ausgewogenen Medienordnung ist, die privilegierte SRG weiter zu privilegieren, indem sie von doppelten Standards profitiert.

Ein schwacher Trost für die Verleger: Besonders lukrativ ist die Online-Werbung nicht. 2013 nahm Swiss TXT damit gerade mal knapp 700’000 Franken ein. Der Betrag schmerzt die Konkurrenz nicht wirklich. Das ist ein Promille des gesamten Online-Werbemarkts mit einem Volumen von 743 Millionen Franken (Media Focus) im vergangenen Jahr. Der kommerzielle Ertrag aus teletext.ch dürfte auch nicht unter die Klausel fallen, wonach der Regulator Auflagen verfügen kann, falls der «Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen erheblich beschränkt» wird.

Trotz klarer Rechtslage bleibt die Situation unbefriedigend. Das sieht auch das Bundesamt für Kommunikation so. Man wolle sich die Situation rund um teletext.ch einmal genauer anschauen, heisst es, ohne genauer zu sagen, worauf das hinauslaufen könnte. Das eigentliche Problem liegt indes tiefer. Während sich die Medienwelt rasant weiterentwickelt, bleibt der regulatorische Rahmen über Jahre der gleiche. Die Gesetzgebung widerspiegelt auch immer den Stand der Technologie, in der sie entstanden ist. Aktuell gilt ein acht Jahre altes Radio- und Fernsehgesetz. 2006, als es in Kraft getreten war, gab es beispielsweise weder Iphone noch Ipad.

Wenn Gesetze mit der technologischen Entwicklung nicht immer Schritt halten können, liegt in der Natur der Sache und ist ein strukturelles Problem. Entschärfen lässt es sich, indem künftig technologieneutraler und entwicklungsoffener reguliert wird. Das ist in der schweizerischen Gesetzgebung nur bedingt der Fall, wie das Beispiel Teletext zeigt.

So wird das Teletext-Angebot im Gesetz als sogenannter gekoppelter Dienst definiert. Das sei ein «fernmeldetechnischer Dienst, der mit einem Programm eine funktionale Einheit bildet oder zur Nutzung des Programms notwendig ist.» Der Begriff der Koppelung rührt von der ursprünglichen technischen Einheit von TV-Signal und Teletext her. In den Anfängen nutzte man im analogen TV-Signal eine sogenannte Austastlücke zur Übertragung der Textinformationen. Der Telext gilt daher als Teil des integralen Signals und muss bis heute als Gesamtpaket zusammen mit den Fernsehbildern übertragen werden.

Mit dem Aufkommen digitaler Verbreitungswegen hat sich die technische Koppelung gelöst. Zusatzinformationen zum TV-Programm werden heute im Web, als App oder über andere IP-basierte Kanäle übertragen. Eine Einheit mit dem TV-Signal im ursprünglichen Sinn gibt es keine mehr. Dennoch hält der Gesetzgeber am Begriff des «gekoppelten Diensts» fest und will ihn gar in die Zukunft verlängern.

So dient er als Hebel, um den multimedialen Teletext-Nachfolger HbbTV als Teil des integralen TV-Signals zu definieren. Programmverbreiter wie Kabelnetzbetreiber und IP-TV-Plattformen wären demnach gesetzlich verpflichtet, HbbTV zu übertragen. Dagegen wehren sie sich nun und weisen auf die grundlegenden Unterschiede hin zwischen dem analogen Teletext und seinem designierten digitalen Nachfolger.

Von einer Verbreitungspflicht für HbbTV würde vor allem die SRG profitieren. Wie beim historischen Teletext wäre in seiner digitalen Weiterentwicklung Werbung erlaubt. Auch wenn das Online-Werbeverbot, wie im Fall von Teletext.ch, formal nicht geritzt würde, wäre genau dies faktisch der Fall.

Zwar hat der Bundesrat in einem Grundsatzentscheid 2010 beschlossen, der SRG irgendwann einmal Online-Werbung zu erlauben. Solange ein Verbot gilt, sollten aber keine Hinter- und Nebentüren geöffnet werden. Auch wenn HbbTV formal nicht zum konzessionierten Online-Angebot zählt, das qua Konzession werbefrei sein muss, gilt es hier im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Interessen von Verlagen und SRG kein Präjudiz zu schaffen – erst recht nicht mithilfe untauglicher und überholter Gesetzesbegriffe.

Leserbeiträge

Ueli Custer 08. September 2014, 14:26

Der ganze Beitrag ist der beste Beweis dafür, dass solche feinen Differenzierungen in der digitalisierten Medienwelt nichts verloren haben. Auch hier gilt KISS (Keep it simple and stupid).