Es geht sehr wohl um den Service public
Warum die Sache mit der RTVG-Abstimmung nicht ganz so einfach ist, wie sich Medienministerin Doris Leuthard das wünscht. Die Diskussion um die neue «Medienabgabe» hat sehr wohl und sehr direkt mit dem Service public zu tun.
Am 14. Juni gelangt die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG zur Abstimmung. Kern der Vorlage ist ein neues Modell zur Finanzierung von Radio und Fernsehen. Anstelle der bisherigen geräteabhängigen Abgabe tritt eine allgemeine Gebührenpflicht für sämtliche Haushalte und einen Teil der Unternehmen. Dagegen hat der Schweizerische Gewerbeverband erfolgreich das Referendum ergriffen.
Am Montag eröffnete Bundesrätin Doris Leuthard in ihrer Rolle als Medienministerin den Abstimmungskampf. Eine ihrer Kernaussagen war dabei der Hinweis, dass die Vorlage nichts mit der Diskussion über den Service public zu tun habe. Doch lässt sich das eine wirklich vom anderen trennen und die Service-public-Diskussion auf später verschieben? Die Bundesrätin glaubt fest daran, wenn sie sagt: «Wir ändern effektiv nur die finanzielle Seite. (…) Bei der Abstimmung im Juni geht es (…) ganz simpel um das Erhebungssystem, wie es modernisiert werden muss.» Ganz so simpel ist das freilich nicht, wie ein Blick auf die Vorgeschichte der Abstimmungsvorlage zeigt. Der Bundesrat selbst schuf den Konnex zwischen Finanzierungsform und Service public.
So steht im erläuternden Bericht zur Gesetzesrevision vom April 2012: «Die direkte Demokratie in der Schweiz ist heute auf Radio und Fernsehen angewiesen und wäre ohne diese Medien kaum mehr funktionsfähig. (…) ihre Leistungen kommen auch jenen Personen zu Gute, die nie ein schweizerisches Programm sehen oder hören.» Damit legitimiert der Bundesrat die Zahlungspflicht für Medienabstinente: weil alle profitieren, müssen alle zahlen. Doch es geht nicht nur um die paar wenigen Nichtseherinnen und -hörer. Mit der allgemeinen Zahlungspflicht wird der mediale Service public gleichsam neu definiert. Die ideellen Leistungen der gebührenfinanzierten Medien rücken stärker in den Fokus als bisher. Man finanziert forten nicht mehr nur die Sendeunternehmen mit ihren Radio- und TV-Programmen, sondern ihre gesellschaftliche Funktion. Davon ist heute praktisch nicht mehr die Rede, der Bundesrat versucht den Systemwechsel bei der Finanzierung als rein technologisch-adminstrativen Vorgang zu verkaufen.
Wer aber so tut, als habe der Wechsel von einer Gerätegebühr hin zu einer «Demokratieabgabe» nichts mit den Leistungen der öffentlich finanzierten Medien zu tun, wie Doris Leuthard dies für den Abstimmungskampf um die RTVG-Revision fordert, handelt unredlich. Es geht hier nachgerade um den Kern des Service public; nicht um die wenig zielführende Frage, ob Sendung x oder Programm y die Kriterien für eine Gebührenfinanzierung erfüllt, sondern darum, ob die Schweizer Bevölkerung bereit ist, unabhängig von ihrem konkreten Medienkonsum, die gesellschaftliche Bedeutung der SRG, sowie eines Teils der konzessionierten Privatsender, zu anerkennen und finanzieren.
Es mag der fromme Wunsch der Medienministerin sein, die Service-public-Diskussion erst dann zu führen, wenn der Bundesrat seinen Bericht veröffentlicht hat. Doch die Realität wird sich nicht an das magistrale Drehbuch halten.
Felix Hürlimann 21. März 2015, 02:11
Im Umkehrschluss sagt der erläuternde Bericht zur Gesetzesrevision, dass die Printmedien nichts zur funktionsfähigkeit der direkten Demokratie beitragen. Schon allein diese Aussage bzw. Nichtaussage ist starker Tobak. Tagtäglich mühen sich privat finanzierte Unternehmen um die Gunst ihrer Leser. Im Print kann man die Geschichten viel mehr vertiefen und die Aufgaben der sog. 4. Gewalt wahrnehmen als zum Beispiel im Fernsehen. Ist es gerade dieser Mangel, der die elektronischen Medien beim Bundesrat und dem Parlament so beliebt machen?
Frank Hofmann 21. März 2015, 17:31
Es gibt schon elektronische Medien – allerdings eher jenseits der Landesgrenze – mit der Kompetenz für Qualität und dem Bestreben nach Unparteilichkeit. Bei SRF vermisst man beides, die Sendungen ähneln je nachdem einer Boulevardzeitung oder dem Amtsblatt aus dem Bundeshaus, einfach mit bewegten Bildern. Diese fehlende Tiefgründigkeit halte ich für durchaus beabsichtigt.
Den allermeisten Leutschenbach-Journalistinnen und -Redaktoren würden in den Nicht-Boulevard-Printmedien ihre Grenzen brutal aufgezeigt.
Alex Schneider 21. März 2015, 11:02
Das Schweizer Fernsehen kann Service public kostengünstiger erbringen!
Wenn wir die Medien allein dem Privatsektor überlassen, können wir nicht ausschliessen, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Eigentümerschaft einseitig zur Geltung bringen, mal deutlich einseitig mal subtil. Seien wir froh, dass sich über die Gebührenfinanzierung auch Minderheiten und schwache politische Stimmen Gehör verschaffen können. Mit Gebühren finanzierte Medien können sich dabei nicht nur auf den Informationssektor beschränken; solche Medien wären für das breite Publikum unattraktiv. Es braucht dazu einen guten Teil an Unterhaltungs- und Sportsendungen und wohl auch an Werbeeinnahmen.
Das Schweizer Fernsehen sollte sich aber grundsätzlich bei der Programmauswahl und –gestaltung die Fernsehsender ARD/ZDF/3Sat/Arte zum Vorbild nehmen. Um diese Qualität zu erreichen und trotzdem Finanzmittel zu sparen, sind folgende Massnahmen zu ergreifen:
1. Verzicht auf Gewalt- und Horrorfilme, Einschränkung der Kriminalfilm 2. Verzicht auf Klamauk-Formate (z. B. Reality-TV) 3. Verzicht auf die seichten, synchronisierten US-Unterhaltungsfilme 4. Verzicht auf die Ausstrahlung von Sendungen, die auf den Kanälen der Nachbarländer gesendet werden und in der Schweiz empfangen werden können (z. B. Formel 1-Rennen, grosse Unterhaltungskisten). 5. SF2 konsequent für die Abdeckung der Bedürfnisse von starken Minderheiten (Kinder und Jugendliche, Sportbegeisterte, Kulturinteressierte) nutzen 6. Mischmasch-Sendungen wie „Kulturplatz“ oder „Rundschau“ vermeiden. Jede Sendung von „Kulturplatz“ soll sich auf eine Kultursparte konzentrieren. Die „Rundschau“ soll die Sendungen abwechslungsweise auf die „Schweiz“ respektive das „Ausland“ fokussieren. 7. Wir brauchen nicht 2 Vollprogramme von 6-24 Uhr. Sendezeit
beschränken, allenfalls Wiederholungen ausstrahlen.
Mit Sparmassnahmen an der richtigen Stelle könnten Gebühren gesenkt, die Werbefenster verkleinert oder mehr und bessere eigenständige Sendungen produziert werden.
Thierry Blanc 24. März 2015, 13:39
Eine Trennung zwischen Informationsauftrag/Kulturförderung (durch Steuern resp. Gebühren finanziert) und Unterhaltung (durch Werbung finanziert) könnte eine weitere Abhilfe schaffen.
Das SRF sollte zu Qualitätsjournalismus aufsteigen, mehr Hintergrundberichte senden und zusätzliches Material im Internet anbieten (wie DemocracyNow es tut), i.e. dem Informationsauftrag Rechnung tragen. Die Notwendigkeit eines Unterhaltungsprogramms ist angesichts der Flut von Sendern und dem Internet nicht mehr gegeben. Daher sollten Sendungen wie „Top Gear“, die eh schon überall ausgestrahlt werden und auf dem Internet zur Verfügung stehen, nicht dem Steuer/Gebühren-Zahlenden belasten werden.
Die Gebühren sind für den Informationsauftrag zu verwenden.
irgendeiner 23. März 2015, 13:31
Wenn ich schon über eine flächendeckende Mediensteuer gezwungen bin, diese staatsnahe Monsterorganisation zu finanzieren, so würde ich von einem das Volk achtenden Parlament erwarten, dass es dieses Geld aus dem allgemeinen Staatshaushalt bewilligt!
Wenn das Parlament findet, dass dies die Haushaltskasse von Mutter Helvetia zu sehr belaste, ist dies der beste Beweis dass die Proportionen verloren gegangen sind.
Die Verantwortlichen sollten endlich ein Budget aufstellen, was das landeskonforme Medienprogramm umfassen und den Steuerzahler via Bundeskasse kosten darf!