von Ronnie Grob

Quelle: Internet

Journalisten verbreiten über Social Media immer wieder Inhalte ohne Quellenangabe, mitunter stellen sie sogar komplett verunglückte Beiträge online – und lassen sie stehen. Sollten nicht gerade Medienschaffende besonders sorgfältig mit Fakten und dem Urheberrecht umgehen?

Am 20. März 2015 vertwitterte der Leiter Online von Radio SRF 3, Martin Oswald, ein Bild, das er irgendwo im Internet gefunden hatte. Ohne Quellenangabe:

Der von ihm dazu verfasste Begleittext passte aber nicht. Denn das Bild ist keine Fotografie, sondern ein seit mindestens 2009 im Internet existierendes Kunstwerk des japanischen Künstlers A4size, der darum bittet, ihm Leute zu melden, die sich nicht darum kümmern, dass er der Urheber des Werks ist. Wie Watson.ch festhält, tauchte das Bild in zahlreichen Bildergalerien der hiesigen Medien auf, der Tages-Anzeiger verschickte dazu sogar eine Push-Meldung («Ein sensationelles Bild von der ISS», «ein starkes Bild erreicht uns aus dem Weltall», «Das Bild des Tages kommt aus dem All: Die Sonnenfinsternis von der Crew der ISS fotografiert»). Für das auf seinem Privatkonto @oswaldmartin gepostete Bild erhielt der Leiter Online von Radio SRF3 551 Retweets und 783 Favorites. Obwohl er für das Bild völlig falsch beschreibt und die Rechte daran nicht besitzt, will er es das bis heute weiter geteilte Bild nicht löschen:

Auf Anfrage sagt Oswald: «Das Bild, egal wie es entstanden ist, finde ich genial. Die Kritik an meinem Tweet ist berechtigt, das will ich nicht schönreden: Ich bin hier einem falschen, ungeprüften Bild aufgesessen. Schlimm wäre es gewesen, den Fehler nicht zuzugeben.» Nicht gelöscht worden sei der Beitrag aus grundsätzlichen Überlegungen: «Social Media ist ein pausenloser Nachrichtenstrom, in dem es wenig Sinn macht, aufzuräumen und Inhalte zu löschen.» Tatsächlich hat Oswald schon mehrfach Bilder oder Bildausschnitte vertwittert, an denen er die Rechte nicht besitzt, und sie später auch nicht gelöscht. Die kreative Leistung, die er selbst hinzugibt, bleibt dabei bescheiden: Einem Bild, das Staatschefs zeigt, fügt er das Hashtag #WhereIsPutin hinzu. Ein Bild aus einem Museum ergänzt er mit den Worten «Rembrandt und die Jugend». Weiter twittert er Zeitungsausschnitte, er freut sich, wenn ihm ein Fake-Profil folgt, und er glaubt, der Mann hier sei ein Mexikaner, der «über Europäer, die bei ihm Fixies gekauft haben», lacht.

Keine Frage, Nutzer von Sozialen Medien begehen Fehler, sind unachtsam und nachlässig. Aber sollten nicht Journalisten, besonders öffentlich-rechtlich finanzierte, Vorbilder sein, was den korrekten Umgang mit der Wahrheit und mit dem Urheberrecht angeht? Auch SRF-Kollege Konrad Weber twittert Zeitungsausschnitte ohne Angabe der Quelle – selbst wenn sie ihm durchaus bekannt ist. Woher wohl das Bild dieses Bubs kommt, das Philipp Meier von Watson 73 Facebook-Likes eingebracht hat und Konrad Weber von SRF 13 Retweets und 20 Favorites auf Twitter? Na, aus dem Internet halt. Einig ist man sich allerdings, dass korrekte Quellenangaben wichtig sind: «Gebe ich immer an», schreibt Weber. «Mache ich sonst immer», schreibt Oswald, für den auch den Fall mit dem Sonnenfinsternis-Artwork abgeschlossen ist: «Fehler zugegeben, Quelle angegeben, Lektion gelernt – und das auch so getwittert!»

Ein Grund, weshalb populär gewordene Tweets partout nicht gelöscht werden wollen, könnte der Dienst Klout sein, der Nutzer von Sozialen Medien mit einem Score zwischen 1 und 100 einstuft und je höher ist, je mehr Interaktionen auf einen Beitrag folgen. Konrad Weber (aktueller Score 69), Phlipp Meier (68) und Martin Oswald (66) sind da gut dabei. Im Kuble-Ranking «Schweizer Medien und Journalisten» belegen die drei die Plätze 1, 2 und 5.

«Klout-Score? Wer kennt den nicht?», sagt Oswald, der als Community-Manager öfters mal nachschaut, wie hoch der Score von SRF3 ist (70). Auch Meier schaut fast täglich nach, wie hoch Watson gerankt ist (74): «Ich nehme den Klout-Score halb-ernst und verhalte mich selten so, dass ich ihn aktiv zu beeinflussen versuche. Aus Spass machte ich mal mit fünf Leuten einen Test: wir likten gegenseitig alles; was prompt dazu führte, dass der Score bei allen Beteiligten um ein paar Punkte anstieg.» Weber gibt an, seinen Klout-Score nicht auswendig zu kennen: «Ich gehe ihn vor allem dann anschauen, wenn mich Philipp Meier mal wieder darauf hinweist, höchstens alle 1 bis 2 Monate.»

«Man muss sehr aufpassen, diesen Score nicht überzubewerten», sagt Martin Oswald, und das ist mit Sicherheit ein gutes Leitwort für alle Journalisten, die in Sozialen Medien aktiv sind. Korrektheit geht vor Schnelligkeit, und wer nur mit fremden Werken Applaus erhält, sollte sich fragen, ob er denn nicht fähig ist, etwas Eigenes zu schaffen.

Leserbeiträge

Felix Hürlimann 29. März 2015, 03:06

Das erinnert an den Fall Langer gegen Böhmermann von Anfang Jahr, hier aus der Sicht des Fotografen:

Es ist sehr bedenklich, dass Medienprofis völlig unbedarft und ohne jegliches Unrechtsgefühl das Urheberrecht missachten. Hierzulande besteht ja auch kaum das Risiko dafür belangt zu werden.
Für mich stellt sich die Frage, ist hier die Judikative gefragt, um geltendes Recht durchzusetzen oder die Legislative um das Recht den heutigen Umständen anzupassen? Oder braucht es komplett neue Ansätze und Wege?