von Nick Lüthi

«Gratwanderung zwischen Wettbewerb und Monopol»

Nach dem Ja der Schweizer Bevölkerung zur neuen Medienabgabe liegt der Ball nun beim Bundesamt für Kommunikation. Dessen Direktor Philipp Metzger erklärt im Gespräch, warum das knappe Abstimmungsergebnis keinen Einfluss auf die Umsetzung der Vorlage hat, wie er eine Service-public-Debatte ohne Denkverbote führen will und weshalb der SRG Druck und Wettbewerb gut tun.

MEDIENWOCHE: Während des Abstimmungskampfs um das Radio- und Fernsehgesetz haben Sie sich kein einziges Mal in den Medien zu Wort gemeldet. Wieso eigentlich nicht?
Philipp Metzger: Ich hatte schon den einen oder anderen Auftritt, die wurden aber nicht so breit wahrgenommen. In Basel war ich beispielsweise an einer Podiumsdiskussion. Mein Auftritt beschränkte sich aber auf ein Einführungsreferat. An der kontradiktorischen Diskussion nahm ich nicht teil. Ich bin auch nie in Versuchung geraten, von mir aus aktiver zu werden. Wir haben als Amt stets versucht, so objektiv und so vollständig wie möglich zu kommunizieren im Rahmen unserer Zuständigkeit. Daneben war ja die Departementsvorsteherin sehr aktiv in der Debatte. Das entspricht der vorgesehen Rollenteilung.

Entspricht die Zurückhaltung ihrem Naturell?
Ich bin grundsätzlich jemand, der aktiv kommuniziert. Aber genauso verstehe ich mich als Teil eines grösseren Ganzen, als Teamplayer, der die Rollenzuteilung respektiert. Andernfalls drohen die Kompetenzen durcheinander zu geraten. Das ist überhaupt nicht mein Ziel.

Welchen Einfluss hat das knappe Ergebnis der RTVG-Abstimmung auf die Ausgestaltung des neuen Finanzierungsmodells für Radio und Fernsehen?
Grundsätzlich ist ein Ja ein Ja. Bei der Umsetzung geht es nun um die Feinmechanik. Die Grundlagen wurden vom Bundesrat geschaffen und in der parlamentarischen Diskussion verfeinert. Selbstverständlich gibt es bei jeder Umsetzung noch Ermessensspielraum. Dafür werden wir wie üblich Anhörungen durchführen im Hinblick auf die Ausformulierung der Verordnung. Ich kann mir gut vorstellen, dass aufgrund der Diskussionen während des Abstimmungskampfs noch der eine oder andere Punkt aufs Tapet kommt.

Kurz vor der Abstimmung wurde bekannt, dass ein Unternehmen wie die Fenaco-Landi-Gruppe im neuen System über Massen zur Kasse gebeten würde. Hat das Bakom die Anwendungsfälle nicht seriös durchgespielt?
Die Vorarbeiten im Bakom wurden sehr seriös gemacht. Wenn man solche Systeme konstruiert, braucht es einen gewissen Schematismus. Da kann es durchaus zu Fallkonstellationen kommen, die punktuell zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Das kann man allenfalls in der Verordnung korrigieren.

Im Abstimmungskampf versicherte Bundesrätin Doris Leuthard mehrfach, die Medienabgabe würde bis 2020 pro Haushalt 400 Franken betragen und sicher nicht erhöht, wie das die Gegner behaupteten. Was ist nach 2020?
Es ist schwierig, über einen grösseren Zeithorizont verbindliche Aussagen zu machen, gerade in einem Bereich wie der elektronischen Kommunikation, der sich so schnell bewegt. Für uns stehen klar diese 400 Franken im Raum und es gibt keinen anderen Betrag, möglicherweise wird es sogar noch etwas weniger. Was wir immer gesagt haben: Die Extrapolation auf 1000 Franken, wie sie der Gewerbeverband im Abstimmungskampf gemacht hat, ist gestützt auf die Fakten nicht herleitbar.

Die neue Medienabgabe generiert fortlaufend höhere Erträge wegen der Zuwanderung und der wachsenden Anzahl Haushalte in der Schweiz. Dürfen nun SRG und Privatradio und -TV mit kontinuierlich steigenden Einnahmen rechnen?
Solche Annahmen beziehen sich auf die Entwicklung in der Vergangenheit. Was aber in drei, vier Jahren sein wird, wissen wir heute noch nicht. Ob die Einnahmen ansteigen werden und ob das zu einer weiteren Senkung der Gebühren führt, sehen wir dann, wenn es so weit ist. Der Bundesrat wird diese Parameter genau anschauen und überlegen, wohin das führt.

Vor der RTVG-Abstimmung wurde von allen Seiten gefordert, den Service public neu zu definieren. Welchen Spielraum sehen Sie für eine Neudefinition?
Ich glaube, dieser Spielraum ist gross, mindestens, wenn es darum geht, eine unvoreingenommene Analyse zu machen. Das Ziel wäre es wirklich, die Diskussion so breit zu führen, wie sie das Thema erfordert und wie sie gewünscht wird. Am Schluss muss man dann Lösungen finden, die funktionieren. Aber ich würde sagen, rein von der Grundlagenerarbeitung her sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt.

Steht für Sie auch die Verfassungsbestimmung über die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen zur Disposition?
Artikel 93 der Bundesverfassung ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Diskussion. Erstens brauchte es lange, bis man überhaupt so weit kam, eine solche Bestimmung zu schaffen. Zweitens ist es im europäischen Vergleich eher die Ausnahme, dass es eine Verfassungsgrundlage gibt, die solche Prinzipien festschreibt. Eine Option in der Diskussion ist es sicher, die Verfassung nicht anzurühren. Aber es gibt auch Vorstösse, die das ändern wollen. Im Sinn einer breiten Auslegeordnung ist es sicher eine Option zu überlegen, was es bedeuten würde, die Verfassung zu ändern. Im Moment haben wir ein System, das stark auf den Elementen Verfassung, Gesetz, Verordnung und Konzession aufbaut. Sobald man an einem Ort zu schrauben beginnt, muss man sich fragen, wie sich das aufs Gesamte auswirkt.

Irgendwann geht es aber an die Umsetzung.
Dann wird es die Kunst sein, diese Diskussion zu strukturieren. Das ist letztlich auch das Interesse aller Akteure. Die Medienkommission leistet mit ihrem Bericht einen Beitrag, der sicher wichtig sein wird. Sie macht ihre eigene Analyse, die Ende Jahr als Positionspapier veröffentlicht wird. Der Bundesrat wird diesen Bericht aber nicht einfach durchwinken. Er wird die Ergebnisse der Kommission würdigen und werten, aber letztlich zu eigenen Schlüssen kommen, wie er das letztes Jahr bereits beim Bericht zur Medienförderung gemacht hat.

Die Verleger haben ein grosses Interesse an einer SRG mit kleinerem Aktionsradius. Sie sehen sich insbesondere im Internet der Konkurrenz eines privilegierten Akteurs ausgesetzt. In der Vergangenheit hat der Bundesrat gerade im Online-Bereich immer zugunsten der SRG entscheiden. Wird das so bleiben?
Zur Vergangenheit kann ich nicht viel sagen, da ich erst eineinhalb Jahre im Amt bin. In Sachen Online-Werbung für die SRG hat sich der Bundesrat immer auf den Standpunkt gestellt, dass SRG und Verleger zusammen einen Kompromiss finden sollten. Wir kennen die Interessenlagen der Akteure. Heute gibt es keine Werbung im Online-Angebot der SRG. Das ist zunächst einmal der Status Quo.

Hat das Bakom genügend kritische Distanz zur SRG?
Ja. Klar kennt man sich und hat regelmässig miteinander zu tun. Aber wenn ich jemanden persönlich kenne, hat das keinen Einfuss auf meine professionelle Rolle. Ich muss für das Gesamtinteresse sorgen und dort habe ich die erforderliche Distanz, wer immer das auch ist, ob Swisscom oder SRG. Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass wir die Distanz nicht wahren würden.

Das Bakom beaufsichtigt die SRG-Finanzen und kontrolliert, ob sie das Gebührengeld wirtschaftlich verwendet. Braucht es im Zuge der laufenden Service-public-Diskussion zusätzliche Kontrollinstrumente?
Das ist durchaus denkbar. Allerdings gibt es bereits eine laufende Wirtschaftlichkeitsprüfung, für die schon vor Jahren die Grundlagen erarbeitet wurden, zusammen mit der SRG. Es war ein gewisser Goodwill erforderlich, dass sich die SRG darauf einlässt. Wir werden sicher jetzt in der Diskussion zum Service public, wenn es auch um die Transparenz der Kosten geht, diskutieren, ob es andere Instrumente braucht. Aber die Relevanz und die Effektivität neuer Massnahmen muss man immer gut evaluieren, bevor man damit loslegt.

Wieso braucht es den Goodwill der SRG? Die Aufsicht ist doch ein gesetzlicher Auftrag.
Wir haben klare Vorstellungen, was wir kontrollieren wollen. Aber es ist klar, dass wir mit der SRG zusammenarbeiten müssen in einem solchen Prozess. Manchmal braucht es ein bisschen mehr Druck. Die Prüfung an sich führen wir dann alleine durch. Da kann sich ein Unternehmen dagegen sträuben, aber am Schluss formulieren wir als Aufsichtsbehörde die Konklusionen aus solchen Kontrollen.

Wie beurteilen Sie die Ankündigung der SRG, mehr Transparenz schaffen zu wollen und die Kosten ihrer Sendungen offenzulegen?
Was freiwillig geschieht, hilft uns als Aufsichtsbehörde und letztlich auch jenen Anspruchsgruppen, die jetzt mehr Transparenz fordern. Aber am Ende müssen die verschiedenen Bauteile zusammenpassen. Wenn die SRG-Zahlen auf dem Tisch liegen, müssen wir schauen, was sie aussagen und vor allem auch, was sie nicht aussagen. Da kommt man automatisch auf einen grösseren Kontext. Das wird sich sicher auch im Service-public-Bericht des Bundesrats niederschlagen. Ich glaube nicht, dass man aus heutiger Sicht sagen könnte, dass finanzielle Unregelmässigkeiten vorkommen oder die Mittel nicht nach bestem Wissen und Gewissen verwendet werden. Was aber zur Diskussion steht – und diese Diskussion muss geführt werden –, ist die politische Steuerung der finanziellen Ressourcen.

Nicht nur die SRG steht vor Veränderungen. In vier Jahren laufen die Konzessionen von Privatradio und -fernsehen aus. In welche Richtung sollen sich die elektronischen Medien weiterentwickeln?
In der Schweiz sind wir gut darin, praktikable Lösungen zu finden, die einerseits Innovation ermöglichen und auf der anderen Seite Stabilität sichern. Zwischen diesen Polen müssen wir einen Weg finden. Bei den Privatradios steht die definitive Umstellung auf DAB+ an. Die Branche rechnet heute damit, dass dieser Prozess in rund zehn Jahren abgeschlossen sein könnte. Für die konzessionierten Sender hiesse dies, dass wir die Konzessionen, die eigentlich 2019 auslaufen, bis 2024 verlängern würden. Wie die Radiolandschaft danach aussieht, können wir heute beim besten Willen nicht abschliessend sagen.

Beim Privatfernsehen laufen die Konzessionen auch 2019 aus.
Die lokalen und regionalen Fernsehstationen sind sehr wichtig für die Schweiz. Gestützt auf unsere föderalistische Struktur und auch auf die verschiedenen Sprachregionen ist die Leistung dieser Sender enorm wichtig. Gerade auch für die lokale Demokratie braucht es einen Service public der Regionalmedien. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Leistung dieser Sender, die mit sehr bescheidenen Mitteln auskommen im Vergleich zur SRG. Die 13 konzessionierten Sender liefern einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt des Landes.

Sie möchten demnach alles so beibehalten wie es ist und die 13 Gebührensender wieder konzessionieren?
Die Konzessionen laufen aus, soviel steht fest. Ich kann heute nicht sagen, dass für alle Sender die Konzessionen einfach verlängert werden. Wir müssen analysieren, in welche Richtung sich der Markt entwickelt. Gemäss RTVG werden Konzessionen «in der Regel» öffentlich ausgeschrieben. Das Parlament hat im Rahmen der RTVG-Revision eine ergänzende Bestimmung eingeführt, wonach Konzessionen ohne öffentliche Ausschreibung verlängert werden können, wenn es besondere Herausforderungen gibt.

Wie sähe das ideale Mediensystem für die Schweiz aus?
Ich bin grundsätzlich skeptisch gegenüber Grand Designs, vor allem wenn sie der Staat diktiert. Wenn ich wüsste, wie der Medienmarkt der Zukunft funktioniert, dann wäre ich vielleicht Unternehmer und würde meine Innovationen gewinnbringend umsetzen. Ernsthaft: Für mich bleibt der hohe Wert des Service public unbestritten, gerade in einer direkten Demokratie wie der Schweiz. Ich glaube aber auch stark an den Wettbewerb. Darum ist es wichtig, dass ein Unternehmen, das wie die SRG mit öffentlichen Geldern finanziert ist, permanent herausgefordert wird. Es wird wohl weiterhin eine Gratwanderung bleiben zwischen reinem Wettbewerb und reinem Monopol.

Leserbeiträge

Thomas Läubli 07. Oktober 2015, 22:40

Eine Servic-Public-Debatte, die sich auf die SRG beschränkt, ist hohl. Schliesslich werden die meisten Privatmedien unfreiwillig vom Werbezahler subventioniert. Was die Konsumenten dafür zu sehen und zu lesen kriegen, ist heute oft nur noch politische Propaganda, PR-Artikel und Entertainment, das nicht wehtut. Der Werbezahler hat ein Recht darauf, das sein Geld nicht dafür verwendet wird, um ihn auf die richtige Linie zu trimmen. Wir sollten daher vermehrt auf die Rolle der Privatmedien fokussieren, denn im Gegensatz zur SRG werden deren Inhalte nicht demokratisch legitimiert, obwohl das Geld auch aus öffentlichen Quellen stammt.

Marianne 12. Oktober 2015, 15:48

Im Fernmeldegesetz ist der Internetzugang Bestandteil der Grundversorgung (nebst Telefon, Radio (Funk) und Fax)). Television wird im Tätigkeitsbericht des ComCom (2014) nicht als grundversorgendes Informationsmedium genannt. Anhand des Jahresberichtes 2012 des BAKOM soll SRG/SSR mehr publizistische Möglichkeiten auf dem Internet erhalten (1.1). Im 2013 abgeänderten Text zur Konzession wird die SRG z.B. nicht verpflichtet ganze Sendungen via Internet zu liefern, sondern es heisst sie ‚könne‘ dies oder das senden, es ist also dem SRG überlassen, was übers Internet laufen soll und was ohne weitere Zugangsoptionen für jedermann und jedefrau konsumierbar sein soll.

Gerade das Hauptargument von Frau Bundesrätin Leuthard, dass viele Schwarzseher das Internet nützen, ist eher eine Finte denn ein greifbares Argument gewesen. Aus zwei Gründen 1. im Internet ist es möglich einen Zugang zu verschlüsseln, heisst im Abo kann man sich mit PIN einloggen – das weiss nun wirklich jeder. Und 2. aber deshalb, weil das BAKOM, durch die Internetpräsenz des SRG, sich ein (künstliches) Argument konstruiert hat, mit welchem der gewünschte Ausbau der Glasfaservernetzung und des CATV entsprechend vorangetrieben kann, was aus den genannten Berichten des BAKOM und ComCom zu entnehmen ist. Warum Frau Leuthard das Thema der Übertragungsnetze nicht im Vorfeld zu der Abstimmung angesprochen hatte, ist vielleicht deshalb, weil mit den Mehreinnahmen der Zwangs-Gebühren, der Ausbau und die technische Umstellung mitfinanziert werden kann. Grundsätzlich stellt sich mir schon die Frage, ob die Verwendung eines nicht einwandfreien Arguments, so wie es Frau Leuthard benützte, für ein Volksabstimmung statthaft ist.