von Carmen Epp

Wechsel auf die wirklich dunkle Seite der Macht

Wenn ein Medienschaffender in PR und Kommunikation wechselt, schreit die ganze Branche einhellig «Pfui!». Tritt ein Journalist in die Politik ein, ist die Empörung weitaus leiser. Obwohl dieser Seitenwechsel mindestens genau so problematisch ist.

Matthias Aebischer hat es bereits getan: Nach 21 Jahren als Journalist zog er 2011 für die SP in den Nationalrat ein. FDP-Nationalrat Fathi Derder arbeitete gar weiter als Journalist, wie auch Peter Keller, der SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Mitarbeiter. Nun wollen ihnen mindestens drei weitere Medienleute ins Bundeshaus folgen: «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel will für die SVP nach Bern, für die SP fordert «WOZ»-Redaktor Andreas Fagetti den Kollegen Keller in Nidwalden heraus und der freie Journalist. Wie Sprengkandidat Fagetti darf sich auch der freie Journalist und Slampoet Etrit Hasler kaum Wahlchancen ausrechnen auf der St. Galler SP-Liste.

Die Reaktionen auf die politischen Ambitionen der Journalisten fielen unterschiedlich aus: Während Köppels Kandidatur angesichts der politischen Stossrichtung seiner «Weltwoche» als folgerichtig beurteilt wurde, löste Fagettis Nationalratskandidatur aufgrund «inexistenter Wahlchancen» mehrheitlich schmunzelnde Verwunderung aus. Jene von Hasler und möglichen weiteren Medienschaffenden lösten keinerlei öffentlichen Reaktionen aus in Bezug auf seine Journalistentätigkeit.

Während die Medien rege über die Motivation, die Ziele und Wahlchancen der Kandidaten – vor allem von Köppel – schrieben, blieb eine kritische Würdigung unter Journalisten so gut wie aus. Einzig die Tatsache, dass Köppel im Falle einer Wahl weiter Journalist bleiben möchte,stiess hier und dort auf Kritik. Andererseits war aber auch zu lesen, dass die Doppelfunktion von Journalist und Politiker einst Gang und Gäbe gewesen sei, wie NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler schreibt.

Bedenkt man, wie innerhalb der Branche auf eine andere Form des Seitenwechsels jeweils reagiert wird, ist diese Nonchalance mehr als erstaunlich. Kündet ein Journalist an, seine Dienste fortan einer PR-Agentur oder Behörde als Auftragskommunikator anzubieten, folgt die Empörung stets auf dem Fusse. Vom rechtschaffenen Journalismus zur manipulativen PR – wie kann man nur? Nicht selten wird der «Seitenwechsler» – nicht nur hinter vorgehaltener Hand – gar als Verräter bezeichnet, der auf die «dunkle Seite der Macht» übergetreten ist, seine Seele einer besseren Bezahlung verkauft hat.

Ist denn der Gang in die Politik so viel anders als derjenige in die PR? Ich finde: Nein. In beiden Fällen wird ein Wechsel vollzogen, der radikaler kaum sein könnte. Im journalistischen Alltag wird man stets konfrontiert mit Personen oder Institutionen, die in irgend einer Art ihre Interessen vertreten und diese via Medien in die Öffentlichkeit tragen möchten.

Aufgabe eines Journalisten ist es dann, diese Interessen kritisch zu hinterfragen und allenfalls anderen Positionen gegenüberzustellen. Das gilt für Verlautbarungen einer PR-Agentur, die für eine Pharmafirma ein neues Medikament vermarkten will, gleichermassen wie für Parolen der Politikerin X oder Partei Y, die ihre Position so an den Mann bringen will. Politik ist immer auch PR; für eine Sache, eine Idee, eine Person.

Ein Journalist, der fortan in aller Öffentlichkeit als Politiker für eine Position einsteht, unterscheidet sich kaum vom Journalisten, der im Auftrag einer PR-Agentur für eine Sache wirbt. Dass die Empörung im einen Fall ungleich grösser ist als im anderen, ist mir schleierhaft. Umso weniger verstehe ich, dass die von Köppel angestrebte «Doppelfunktion» von Journalist und Politiker nicht intensiver problematisiert wird, während die Vermischung von PR und Journalismus einem «Sündenfall» gleichkommt.

Leserbeiträge

Kampagne Fagetti 21. September 2015, 16:00

Kleine Korrektur: Andreas Fagetti kandidiert als Parteiloser – und nicht, wie Sie schreiben, für die SP. Ausserdem war und ist es u.a. gerade Sinn und Zweck der Kandidatur Fagetti, auf die problematische Doppelrolle hinzuweisen, wie die WOZ hier schrieb.

Christine 22. September 2015, 09:47

In meiner Heimatstadt mit gut 250000 Einwohnern ist der amtierende Oberbürgermeister ein ehemaliger Redakteur der größten Tageszeitung vor Ort. Was natürlich zur Folge hat, dass diese auf keinen Fall mehr kritisch über den Rat der Stadt berichten wird. Somit verkommt die Tageszeitung zum Parteiorgan. Schade.

A.P. 22. September 2015, 10:00

Ich würde schon meinen, dass es große Unterschiede gibt: Zumindest in der Theorie ist (oder sollte sein) ein Politiker unabhängiger („nur seinem Gewissen verpflichtet“) und muss der Öffentlichkeit bzw. „dem Wähler“ gegenüber Rechenschaft ablegen. Der PR-Arbeiter muss das nicht, er steht in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Auftraggeber und ist an dessen Weisungen gebunden. Dass es in der Praxis nicht so idealtypisch zugeht, liegt auf der Hand – aber deswegen Politik und PR einfach gleichsetzen sollte man dann doch nicht!

Frank Hofmann 22. September 2015, 10:18

Naja, Frau Epp, Roger K. als Aufhänger ist ja sehr originell. Niemand ist gezwungen, ihm seine Stimme zu geben, ebensowenig wie seine Zeitschrift zu lesen. Die Transparenz ist maximal in seinem Fall. Und Sie als Schreiberin werden auch nie in die Lage kommen, irgendwelche Direktiven von RK zu empfangen. – Man könnte auch über Kandidaten/-innen schreiben, die mit Partnern in grossen Medienhäusern eng befreundet oder sonstwie verbandelt sind – oder gar Tisch und Bett teilen. Und würde maximale Intransparenz konstatieren. Nur würde es in diesem Fall die andere Seite des politischen Spektrums betreffen. Völlig unproblematisch, klar.

Thomas 22. September 2015, 10:43

Das ist das gleiche wie das Geschimpfe über (Wirtschafts-!)Lobbyismus.

Ist ein Politiker aber Mitglied einer Gewerkschaft, sagt keiner etwas. Dabei ist das genau so Lobbyismus!

Falk Heunemann 22. September 2015, 12:37

Haben Sie eigentlich einen Beleg dafür, dass die Branche „einhellig“ PFUI ruft, wenn ein Journalist in die PR wechselt – jenseits der Mutßmaßungen im Allgemeinen im 5. Absatz? Eine Kolumne von Christoph Moser ist schwerlich als „einhellig“ zu bezeichnen, wenn ein Journalist seine bisherige Tätigkeit aufgibt und die Branche wechselt.
ÜBERHAUPT: Wohin soll ein Journalist in Zeiten der Medienkrise denn mit seiner Ausbildung und Erfahrung wechseln, wenn nicht in die PR, Kommunikation oder in die Politik (solange die Seiten klar getrennt und eventuelle Interessenskonflikte klar benannt sind)?

Solche General-Empörung ist realitätsfern.

Torsten Williamson-Fuchs 22. September 2015, 13:55

Diese Einschätzung finde ich lebensfremd. In meinem Berufsleben als (freier) Journalist musste ich fast durchgehend für TV-Sendungen arbeiten, die ich mir persönlich nie angesehen hätte. Für Radiosender, die ich privat nie hören würde. Wie oft kommt es vor, dass Interviews mit Politikern gemacht werden, nur, um damit in die Agenturen zu kommen. Da macht man einen guten Job, mehr nicht. Wenn mir die Post gehören würde wie J. Bezos, dann könnte ich auch Kunst machen.

Andri Rostetter 29. September 2015, 14:45

Was das Fehlen von öffentlichen Reaktionen auf Etrit Haslers Kandidatur betrifft: Hasler ist bereits seit drei Jahren St.Galler Kantonsrat.

Robin Renn 10. Oktober 2015, 22:30

Wenn Mme Pep wenigstens „gang und gäbe“ richtig schreiben würde – aber nicht mal DAS tut sie. Der Rest ihrer „Recherchen“ und „Überlegungen“ entspricht der Nichtbeherrschung von Orthografie, Syntax und Semantik. Sie sollte wirklich für irgend ein „Amt“, irgendeinen „Rat“ kandidieren – sie passt bestens zur PolitikerInnen-Kaste – oberflächlicher geht’s kaum mehr..