von Gerhard Lob

Umstrittene Entlassungen und kontroverse Personalie

Als Folge des SRG-Sparprogramms hat das Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz RSI erste Mitarbeitende entlassen. Diese seien «wie Delinquenten» behandelt worden, kritisieren Gewerkschaften. Gleichzeitig stösst eine Neuanstellung auf Kritik.

War die Stimmung bei Radiotelevisione svizzera, der SRG in der Südschweiz, bereits seit Jahren schlecht, so befindet sie sich nun definitiv im Keller. Die Tessiner Tageszeitung «La Regione» spricht sogar von der schwersten Krise seit Gründung des Unternehmens. «Es gibt die Zeit vor und die Zeit nach Januar 2016», kommentiert Chefredaktor Matteo Caratti.

Die SRG muss 40 Millionen Franken pro Jahr einsparen, da wegen des Mehrwertsteuerentscheids und dem neuen Radio- und Fernsehgesetz – mit einem höheren Gebührenanteil für Privatanbieter – Einnahmen wegfallen. Die Folge ist ein Abbau von rund 250 Stellen,  davon 49 bei RSI. Bisher sind offenbar 18 Entlassungen ausgesprochen worden; RSI will die genaue Zahl aber nicht kommunizieren. Wichtig ist aber auch, die Proportionen zu sehen: RSI zählt gemäss eigenen Angaben 1100 Vollzeitstellen, verteilt auf 1236 Angestellte (2014/2015). Sie ist damit nach der Kantonsverwaltung die grösste Arbeitgeberin im Tessin. 2016 muss die RSI 6 Millionen Franken sparen, wie sie auf Anfrage mitteilt. Und dies bei einem Budget von 247 Millionen.

Anlass für die neuerliche Klimaverschlechterung war nicht das Sparprogramm an sich. Dass es zu Entlassungen kommen würde, war bereits seit einiger Zeit bekannt; zusammen mit der Hausgewerkschaft SSM hatte das Personal einen Sozialplan ausgehandelt. Für Empörung sorgt die Umsetzung. Einige Mitarbeiter, darunter auch langjährige, wurden während der Arbeitszeit ohne Vorwarnung zu ihren Vorgesetzten einbestellt, wo ihnen die Entlassung mitgeteilt wurde. In Anwesenheit von externen Beratern der Personalabteilung mussten sie danach umgehend ihren Schreibtisch räumen; E-Mail-Konten und Parkkarten wurden mit sofortiger Wirkung gesperrt.

Eine Mitarbeiterin, die ihren Dienst beenden wollte, wurde aufgefordert, das Sendehaus sofort zu verlassen. Andererseits müsse sie «begleitet» werden. Aus Angst vor unberechenbaren Reaktionen der Entlassenen hatte man private Security-Leute einbestellt, welche diese Arbeit im Notfall verrichtet hätten. «Das war schlimmer als bei den Lehman Brothers», kommentiert ein RSI-Mitarbeiter, «dort hatten sie wenigstens Schachteln, um ihren Kram mitzunehmen.»

Viele Kollegen reagierten konsterniert, einige Betroffene machten ihrem Wut über Social Media Luft, lokale Medien griffen das Thema auf. «Teils langjährige Mitarbeiter wurden wie Delinquenten behandelt», hiess es dann in einer Medienmitteilung von SSM und Impressum. Die Gewerkschaft Syndicom sprach von einer Verletzung der Würde der Arbeitnehmer und forderte eine Rücknahme der Kündigungen, um alternative Modelle zu diskutieren, um die Sparvorgaben zu erfüllen.

Die Vorgehensweise bei den Entlassungen sorgte nicht nur für externe Reaktionen, sondern auch für interne Spannungen. «Viele sind empört, aber bleiben still, weil sie sonst ihre Entlassung fürchten», schrieb Meteo-Frau Sabrina Balestrieri auf Facebook. Das lässt erahnen, wie es um das interne Betriebsklima bestellt ist.

Angesichts dieser Entwicklungen sah sich die RSI-Leitung gezwungen zu reagieren. RSI-Direktor Maurizio Canetta schaltete ein fünfminütiges Video auf der RSI-Homepage auf, in dem er die schärfste Kritik zurückwies und von Falschdarstellungen sprach. Einen Tag später räumte er am Radio aber ein, Fehler begangen zu haben, auch in der Kommunikation. Das Schuldeingeständnis wurde auch an diesem Montag wiederholt, als Generaldirektor Roger De Weck im Radiostudio von Lugano-Besso in einer Personalversammlung auf die Angestellten traf. Zugleich wurden gewerkschaftliche Forderungen nach einer Rücknahme der Entlassungen entschieden zurückgewiesen.

De Weck stärkte zugleich vor versammelter Belegschaft Direktor Maurizio Canetta den Rücken. Dieser Schritt war nötig geworden, nachdem am Sonntag die Lega dei Ticinesi den Rücktritt des RSI-Regionaldirektors lautstark gefordert hatte. Für eine Partei wie die Lega waren die Vorgänge bei der RSI natürlich ein gefundenes Fressen, um den unliebsamen öffentlich-rechtlichen Sender anzugreifen, sowie den Regionaldirektor, einen Sozialdemokraten, der selbst schon Präsident des Journalistenverbandes Impressum war.

Maurizio Canetta war just vor zwei Wochen bereits ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil die RSI den Ex-Koordinator der Tessiner Grünen, Sergio Savoia, angestellt beziehungsweise wieder angestellt hat. Der umstrittene Politiker, der nun alle politischen Ämter aufgibt, war vor 14 Jahren, damals als Radiomoderator, missbräuchlich von der RSI gekündigt worden und hatte den Sender immer wieder kritisiert. Nun wird er als Koordinator tätig sein für die TV-, Radio- und Internet-Angebote.

Die RSI scheint momentan jedenfalls nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus zu kommen. Luigi Pedrazzini als Präsident der SRG-Regionalgenossenschaft Corsi ist darum sehr besorgt um das Image der RSI, wie er in einem offenen Brief erklärte. Er warb für Verständnis für unpopuläre Massnahmen, weil die goldenen Zeiten für die Öffentlich-Rechtlichen nun einmal vorbei seien. Auch ein Sender wie RSI müsse tagtäglich um das Publikum kämpfen.

Wie ein Damoklesschwert hängt dabei die No-Billag-Initiative zur Abschaffung der Gebühren über den Diskussionen. «Die Kader von RSI und SRG haben noch nicht begriffen, was auf dem Spiel steht», moniert Graziano Pestoni als Präsident des «Vereins für die Verteidigung des Service Public.» Tatsächlich dürfte eine Annahme dieser Initiative das Ende der RSI in seiner jetzigen Form bedeuten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die RSI im Verhältnis zu den anderen Unternehmenseinheiten der SRG relativ kostengünstig ein Vollprogramm für Radio, Fernsehen und Internet auf die Beine stellt.

Leserbeiträge

wife 05. Februar 2016, 21:13

TSI oder SRG, Anstand bleibt Anstand! und Ihr habt absolut keinen mehr!
Ich schäme mich für meine Anstalt, bei der ich 43 Jahre arbeitete. Ihr habt schon vieles beschiessen angestellt und kein Fingerspitzengefühl gehabt, aber das stellt alles in den Schatten! Die ganze Führungsetage sollte rausgeschmissen werden!