Du hast unsere Bilder geklaut!
Fotografen und Bildagenturen pochen zurecht auf die Respektierung der Rechte an ihren Werken, indem sie Sünder ermahnen oder verklagen. Das legitime Anliegen leidet allerdings, wenn der Rechteinhaber mit zweifelhaften Methoden vorgeht. Ein Erfahrungsbericht.
Wenn sich die führende Bildagentur per Mail meldet und einen zwar nett, aber unmissverständlich darauf hinweist, man habe eines, aber vermutlich sogar mehrere, ihrer Werke unerlaubterweise veröffentlicht, dann schluckt man präventiv schon einmal leer und versucht sich den zu begleichenden Schaden vor Augen zu führen. Mit einem dreistelligen Betrag käme man wohl noch glimpflich davon, vierstellig würde dagegen schmerzen. Noch einmal liest man die Zeilen:
Unser Monitoring System hat auf Ihrer Webseite 1 Bild gefunden, welches bei uns nicht lizenziert ist. Da wir nicht alle unsere Bilder scannen, können wir nicht ausschliessen, dass es noch weitere Verwendungen unserer Bilder gibt.
Verdammt. Also doch. Bei aller Vorsicht und Sorgfalt, nur urheberrechtlich einwandfreies Bildmaterial zu verwenden, war man offenbar mindestens einmal zu nachlässig; copy und paste und der Rechtsbruch ist perfekt. Nur: Um welches Bild geht es eigentlich? Das Mail der Bildagentur liefert keine Antwort. Dafür macht der Key Account Manager folgendes Angebot:
Ich würde dies gerne mit Ihnen persönlich kurz anschauen und Ihnen folgenden Termin vorschlagen.
Immerhin. Wir können darüber reden. Aber worüber eigentlich?
Folgende Punkte sollten wir anschauen:
Der Beschaffungsweg der Bilder. Es besteht kein Account für Ihre Redaktion
Die Lizenzkosten. Die Bilder sind teilweise auch schon länger in Verwendung. Die Kostenfolge ist entstanden und eine Lizenzabgabe unumgänglich.
Mögliche Lizenzmodell für ihren regelmässigen Bedarf.
Aha, so läuft der Hase: Angstmacherei als Akquisemasche. Aber die zentrale Frage bleibt weiter unbeantwortet: Welche Bilder sollen wir widerrechtlich verwendet haben? Erst auf die explizite Bitte hin rückt die Agentur ein Corpus delicti heraus. Und schnell zeigt sich: Da ging alles mit rechten Dingen zu. Das vermeintlich geklaute Bild stammt zwar tatsächlich von einem Fotograf besagter Agentur. Aber ein Medienunternehmen hat es lizenziert und überlässt es Journalisten für die Berichterstattung. Als Rechteinhaber ist entsprechend auch nicht mehr die Agentur angegeben, sondern der Lizenznehmer. Nach unserem Hinweis auf diesen Sachverhalt ist das Interesse an einem Akquise-Gespräch schnell vom Tisch. Schnurz und kurz verabschiedet sich der Key Account Manager:
Für Sie ist dieser Fall somit erledigt. Bitte entschuldigen Sie die
Umstände.
Martin Steiger 19. März 2016, 15:22
… und das war lizenzkonform?
Nick Lüthi 19. März 2016, 20:40
Aufgrund der Antwort der Agentur darf ich davon ausgehen.
Markus Laeng 23. März 2016, 12:47
Lieber Nick Lüthi,
Das besagte Bild wurde in folgendem Artikel auf der medienwoche.ch verwendet: https://medienwoche.ch/2015/06/17/der-rueckenwind-blaest-in-alle-richtungen. Es zeigt einen Arbeiter, der ein neues SRG Logo montiert
.
Richtig ist, dass die SRG das Bild mit falscher Quellenangabe “SRG” in einem Artikel auf srginsider.ch verwendet hatte.
Auf diesen Artikel hat Herr Paszti von der Medienwoche als Quelle für das Bild hingewiesen. Leider ist der Artikel heute nicht mehr online. Falsch ist jedoch, dass die SRG das Bild Journalisten zur weiteren Verwendung ausserhalb der SRG-Webseiten zu Verfügung gestellt habe. Uns liegt jedenfalls keine solche Lizenzvereinbarung für das Bild vor. Wie das Bild seinen Weg in die Medienwoche tatsächlich gefunden hat, wissen wir nicht. Die SRG bietet das Bild jedenfalls nirgends zum expliziten Download und zur weiteren Verwendung an.
Zum Vorwurf, wir würden “Angstmacherei als Akquisemasche” anwenden, möchte ich Folgendes anmerken:
Ja, wir führen ein Monitoring von widerrechtlichen Verwendungen durch. Wir versuchen jedoch unter erheblichem personellen Einsatz jeden gefundenen Fall separat zu beurteilen, da wir kein Interesse daran haben Hobbyisten oder engagierte Privatleute vor den Kopf zu stossen, wie das andere Agenturen in der Vergangenheit getan haben.
Wir versuchen jeden Fall nach folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen:
Handelt es sich um eine Publikation, die regelmässig Artikel veröffentlicht und die potentiell Interesse an unseren Bildern haben könnte?
Ist insbesondere letzteres der Fall, nehmen wir Kontakt auf und suchen das Gespräch. Es steht den Kontaktierten natürlich frei, den Kontakt abzulehnen. Wir halten dieses Vorgehen für legitim, schliesslich scheint ja Bedarf nach qualitativem Bildmaterial vorhanden zu sein. Es ist jedoch nicht unsere Absicht, Angstmache zu betreiben oder jemanden zu etwas zu zwingen. Wir halten es jedoch für unser Recht, Lizenzforderungen zu stellen oder das Gespräch zu suchen, wenn unser Bildmaterial ohne Einwilligung oder Lizenzierung verwendet wird.
Unser KAM hat in diesem Fall auf eine weitere Diskussion verzichtet, weil er die Ursache für die Verwendnung in der falschen Quellenangabe der SRG gesehen hat und die Medienwoche deswegen nicht belangen wollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass die bisherige und zukünftige Verwendung durch die Medienwoche dadurch legitimiert wäre, egal, was da für eine Quellenangabe steht. Nur weil das Bild SRG zeigt, auf einer SRG Webseite steht und (fälschlicherweise) mit SRG angeschrieben ist, besteht noch kein recht, das Bild ohne Einwilligung auf anderen Plattformen zu verwenden. Ich stimme aber zu, dass die Kontaktaufnahme nicht ideal verlief. Das betroffene Bild und unser Original hätten von Anfang an genannt werden können.
Beste Grüsse!