von Nick Lüthi

Der Rückenwind bläst in alle Richtungen

Das knappe Ja zu einer Medienabgabe sehen sie als «Traumresultat». Darum wittern die Verleger Morgenluft und wollen jetzt die SRG in die Schranken weisen. Ihre Vorschläge gleichen indes einem unkoordinierten und wenig ausgegorenen Wunschkonzert und sind nicht mehr als ein Aufguss bereits bekannter Forderungen.

Man erzähle hier eigentlich nichts Neues, sagte Tamedia-Präsident Pietro Supino vor der Medienkonferenz. Warum er und seine Kollegen aus den Verlegerverbänden der drei Sprachregionen trotzdem die Medien gerufen haben, erklärt sich allein aus dem Abstimmungsergebnis vom vergangenen Sonntag. Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument sprach von einem «Traumresultat» und einer «direkten Antwort an die SRG».

Was das nun für die Weiterentwicklung des seit je her spannungsvollen Verhältnisses zwischen privaten Medienunternehmen und dem öffentlichen Rundfunk zu bedeuten hat, versuchte die Verbandsspitze während knapp zwei Stunden zu erklären. Die Stossrichtung ist klar: Weniger SRG, in der Hoffnung, dass dies den Privaten mehr kommerziellen Spielraum ermöglicht. Ein durchaus gewagter Konnex: Von einer schwächeren SRG könnten genauso globale Akteure profitieren, wie etwa Google, Facebook oder ausländische Fernsehsender, die wiederum den heimischen Privatmedien das Leben schwer machen. Grundsätzlich spricht natürlih nichts dagegen, Angebot und Leistungen der SRG einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Nur sollte man damit keine falschen Hoffnungen hegen.

Konkret nennen die Verleger drei Bereiche, wo sie die SRG in die Schranken weisen wollen:

  • Generelles Verbot von Werbung und Sponsoring
  • Beschränkung des Online-Angebots auf audiovisuelle Inhalte
  • Reduktion auf ein «demokratierelevantes Medienangebot»

Den Verlegern schwebt für die Schweiz ein reines duales Mediensystem vor, bei dem der öffentliche Rundfunk nur mit Gebühren finanziert wird und die Privaten allein Werbung akquirieren dürften. Nur: Ganz so «rein» wäre dieses System denn doch nicht. Das geltende Gebührensplitting soll beibehalten werden, bei dem auch ausgewählte Privatradio- und TV-Veranstalter öffentliche Mittel erhalten. Dass von einem Werbeverbot für die SRG vor allem ausländische TV-Programme und globale Internetkonzerne profitieren könnten, glauben die Verleger nicht. Die hätten gar nicht genügend Werbeplätze, um das Volumen der SRG absorbieren zu können. Ergo würde das Geld den einheimischen Verlagen zufliessen.

Seit längerem ein Dorn im Auge ist den Verleger das Online-Angebot der SRG. Nicht nur, weil die Webseiten von Radio und Fernsehen für Werbung genutzt werden sollen (was der Bundesrat im Grundsatz bereits gutgeheissen hat), sondern auch wegen des publizistischen Profils. Die Verleger monieren den Charakter als «Online-Zeitung». Die zunehmende Textlastigkeit verstosse gegen geltende Bestimmungen, ebenso die wachsende Anzahl an Apps für Smartphones und Tablets. Darum fordert der Verband Schweizer Medien eine Zurückbindung auf reine Abspielplattformen für Radio- und TV-Sendungen.

Um den öffentlichen Rundfunk auf seinen Kern, das sogenannte «demokratierelevante Medienangebot» zu redimensionieren, fordern die Verleger ein regelrechtes Streichkonzert. AZ-Verleger Peter Wanner nannte die drei Nonstop-Musiksender Swiss Pop, Swiss Classic und Swiss Jazz, auf welche die SRG getrost verzichten könnte. Dann folgten auch noch das Jugendradio Virus und Radio SRF 3. Beim Fernsehen halten die Verleger Unterhaltung und Sport für grundsätzlich überflüssig in den Programmen der SRG. An den Sportrechten, etwa für die Uefa-Championsleague, zeigten sich auch Telekom-Unternehmen interesssiert, etwa Swisscom oder UPC Cablecom mit ihren IP-TV-Plattformen. Die Privatmedien könnten dann als Partner der Telcos aufspringen, da sie selbst ja nicht die Mittel hätten, um bei der Rechtevergabe mitzubieten. Auf den Einwand, dass ein SRG-Angebot ohne massentaugliche Formate bei Sport und Unterhaltung mit den verbleibenden «demokratierelevanten» Programmelementen nur noch ein marginales Publikum erreichen würde, ging AZ-Verleger Peter Wanner nicht ein. Er meinte nur, die Privatsender stünden vor der gleichen Herausforderung, möglichst viele Zuschauer zu erreichen. Mit einer redimensionierten SRG als Konkurrenz sei dann endlich ein echter Wettbewerb möglich.

Des Weiteren fordern die Verleger, dass sämtliche mit Gebühren finanzierten Medieninhalte der SRG «allen traditionellen und neuen Medienanbietern» zur Verfügung stehen sollen. Wie das genau aussehen soll, konnten sie im Detail noch nicht ausführen.

Der Auftritt der Verlegerverbandsspitze hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen bekennen sich die privaten Medienunternehmen zu einer SRG mit «einem wichtigen Service-public-Auftrag». Zum anderen wollen sie ebendiese SRG auf einen Umfang zurückstutzen, der es ihr praktisch verunmöglichen würde, überhaupt noch eine Breitenwirkung zu entfalten. Ein solches Elite-Programm liesse sich gegenüber dem abgabepflichtigen Publikum nur schwerlich legitimeren.

Es sind die richtigen Fragen, welche die Verleger stellen, aber die Antworten wirken doch reichlich unausgegoren – erst recht, weil in den Ausführungen fast jeglicher Bezug zu den anstehenden medienpolitischen Geschäften fehlte. Mit einem Wunschkonzert allein lässt sich schlecht etwas bewegen, auch wenn der Rückenwind gerade ein bisschen stärker weht als auch schon.

Leserbeiträge

Ueli Custer 22. Juni 2015, 16:40

Es ist immer dasselbe in diesen Diskussionen: Die Werbemöglichkeiten werden der Wirtschaft gnädigst „zugeteilt“. Sie soll dort Werbung machen, wo es die Politik will. So funktioniert das aber nicht. Die Wirtschaft hat eigene Vorstellungen, wo sie Werbung macht. Nämlich dort wo sie ihr Zielpublikum am günstigsten erreicht. Wenn man sehen will, was passiert, wenn es keine Werbung mehr auf SRG-TV-Programme gibt, muss man sich nur anschauen, welche marginale Bedeutung die Radiowerbung in der Schweiz hat. Wenn die reichweitenstärksten Programme werbefrei sind, verliert die Gattung an Bedeutung.