Admeira oder die hohle Gasse der Werbewirtschaft
Die Werbeallianz von SRG, Swisscom und Ringier ist Realität und nimmt ihre Geschäfte auf. Bei aller Kritik und Polemik rund um das Joint Venture: Für Werbekunden und -auftraggeber bedeutet Admeira eine gute Nachricht. Und die lautesten Kritiker finden die Idee einer solchen Allianz gar nicht grundsätzlich falsch.
«Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt», heisst es bei Schillers Wilhelm Tell. Das «Projekt Tell», wie der neue Werbevermarkter Admeira in der geheimen Planungsphase hiess, rief bei Bekanntwerden umgehend böse Nachbarn auf den Plan.
Den Kritikern und Konkurrenten stösst sauer auf, dass das Joint-Venture von SRG, Ringier und Swisscom Marktmacht und Mehrwert schafft, an dem eigentlich niemand vorbeikommt; quasi die hohle Gasse der Werbewirtschaft. Am kommenden Montag nimmt die neue Firma den Betrieb auf.
Zu den schärfsten Kritikern des Joint-Ventures zählt Tamedia-Präsident Pietro Supino. Er sieht die schweizerische Medienordnung in ihren Grundfesten erschüttert. Gelassener sieht es dagegen sein CEO. Christoph Tonini hat mehrfach betont, dass die von ihm geführte Tamedia selbst stabil genug sei und Admeira das brummende Digitalgeschäft kaum gross tangieren werde.
Dennoch werden Tamedia Avancen gegenüber Goldbach Media nachgesagt, um vergleichbare crossmediale Angebote mit einer ähnlich hohen Reichweite schnüren zu können. Der Vermarkter von 26 privaten Fernsehangeboten in Küsnacht – nicht dem Küssnacht mit der hohlen Gasse – kritisiert daher das Angebot von Admeira zwar scharf. Aber bei dieser Kritik klingt zwischen den Zeilen mit, dass Goldbach Media statt der SRG eine eigene Allianz für ihre Werbekunden errichten wollen würde. Zu einem solchem «Konter-Admeira» würden auch die AZ Medien gut passen, die ohnehin bereits eine Vielzahl von Printprodukten, Fernsehsendern und Internetportalen vereinigen.
Die Kritik richtet sich nicht nur an die SRG, deren öffentlicher Auftrag für einen Service Public es nicht sei, ihr Werbeinventar Dritten gegenüber zugänglich zu machen. Die Kritik richtet sich auch auf die Tatsache, dass der Daten-Pool der halbstaatlichen Swisscom nur einem Marktteilnehmer zugutekommt. Hier sehen sich andere Marktteilnehmer diskriminiert.
Zwar wird Admeira nicht müde zu betonen, dass es eine offene Plattform auch für Drittanbieter sei. Aber nur als Kunden und gegen Provision. Nicht etwa als gleichberechtigte Partner und Mitaktionäre. Würden weitere Schweizer Medienunternehmen der Dreierallianz die Vermarktung ihrer Werbeplätze überlassen, begäben sie sich damit in eine strategische Abhängigkeit von Swisscom, Ringier und SRG. Dies würde zu einer massiven Medien- und Marktkonzentration als auch einem Verlust der Medienvielfalt in der Schweiz führen, argumentiert der Verband Schweizer Medien.
Der Werbewirtschaft ist es hingegen wichtig, dass ihre Werbebotschaften effizient und effektiv die gewünschten Zielgruppen erreichen. «Das Joint Venture bietet mehr Chancen als Gefahren. Vor allem die innovativen Werbeformen im TV und die crossmedialen Angebote sind um Sinne der Werbeauftraggeber», sagt Roland Ehrler vom Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA.
79,1 Prozent der befragten Werbeauftraggeber erhoffen sich von Admeira innovativere Werbeformen. 71,3 Prozent der befragten Werbeauftraggeber schätzen die vereinfachte Buchung von crossmedialen Angeboten auch ohne den Einsatz von Mediaagenturen. Allerdings orten auch 62,6 Prozent der Befragten eine Verminderung der Chancengleichheit der privaten Verlage. Das «Rütli-Argument» teilen nur 47 Prozent der Befragten, wonach mehr Werbegeld im Schweizer Medienmarkt bleiben würde. Das «Rütli-Argument», Admeira würde sich gegen den Abfluss von Werbegeldern an Google, Facebook und YouTube richten, scheint daher wohl eher ein politisches «Totschlag-Argument» auf dem Spuren von Wilhelm Tell.
Während die Wettbewerbskommission die Werbeallianz durchwinkte, hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek nur oranges Licht erteilt. Der SRG bleibt es vorerst untersagt, z.B. über die Fernsehplattform der Swisscom zielgruppenindividuelle Werbespots zu verbreiten. So dass z.B. jüngere Zuschauer ganz andere Inhalte derselben Werbeblöcke sehen, als ältere Zuschauer.
Nach Ansicht des Departement gibt es keine rechtlichen Grundlagen für die Platzierung von kommerziellen Botschaften, welche bloss an bestimmte Bevölkerungsgruppen adressiert sind. Dazu wäre eine Änderung der Konzession erforderlich. Nicht nur redaktionelle Angebote, sondern auch die werblichen Teile des linearen Fernsehprogramms hätten ein «medienpolitisch relevantes Beeinflussungspotenzial», so das Uvek.
Zudem befürchten private regionale Medien geografisch definierte Zielgruppenwerbung. So dass z.B. in Zürich derselbe Werbeblock andere Inhalte hat als in Luzern oder Basel. Unabhängig davon bleibt für die SRG das Verbot bestehen, Online-Werbung zu vermarkten. Allerdings dürfte die weitere Entwicklung des Medienmarktes eine klare Abgrenzung von linearer Fernsehwerbung und Online-Werbung zusehends erschweren.
Admeira ist ein höchst cleverer Schachzug der beteiligten Unternehmen. Für die Werbewirtschaft bildet sich ab der kommenden Woche eine Marktmacht, an der es kaum ein Vorbeikommen gibt – möchte man Werbekampagnen mit einem Maximum an Reichweite umsetzen. Problematisch erscheint, dass der gigantische Datenpool der halbstaatlichen Swisscom nur diesem Medienvermarkter zugutekommt. Problematisch erscheint auch, dass der öffentliche Auftrag der SRG zwar ein Ja zu 1,3 Milliarden Franken an Gebührengelder vorsieht, aber nicht auf das Maximieren von Werbeeinnahmen ausgerichtet ist.
Die Kritik an diesen Punkten stammt aber von denjenigen Marktteilnehmern, die gerne selbst auch eineWerbeallianz errichten würden und von dem geschickt eingefädelten Deal von Swisscom, Ringier und SRG überrumpelt wurden, respektive sich haben überrumpeln lassen. Ob die Avancen zwischen Goldbach Media und Tamedia mehr als nur Tischgespräch unter den Teilnehmern der Jahrestagung des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes waren, werden die kommenden Monate zeigen.