Das Beste ist leider schon vorbei
Bereits vor Turnierbeginn blicken wir auf einen Höhepunkt der Berichterstattung zur Fussball-EM zurück: Das Westschweizer Fernsehen RTS setzte auf Comedy zur Euro-Vorschau mit einer Sondersendung von «26 Minutes». In der Samstagabendshow reichte sich Fussball- und Politprominenz die Klinke in die Hand und die beiden Gastgeber Vincent Veillon und Vincent Kucholl zeigten, dass es mit ihnen auch länger als 26 Minuten lang lustig sein kann.
Zuerst waren es zwei Minuten, respektive «120 Secondes». Doch schon die Radio-Comedy von Vincent Veillon und Vincent Kochall dauerte in der Regel länger als der Titel es vermuten liess. Beim Fernsehen bespielen der TV-Moderator und der Schauspieler jede Woche 26 Minuten. Doch damit nicht genug. Am letzten Samstag dauerte «26 Minutes» geschlagene 90 Minuten, so lange wie ein Fussballspiel.
Anlässlich der bevorstehenden Europameisterschaft räumte das Westschweizer Fernsehen RTS die Prime Time am letzten Samstag frei für eine grosse Kiste mit Saalpublikum. Die Ansage: Die wichtigste Nebensache der Welt sollte man nicht allzu ernst nehmen. So boten die Meister der gepflegten Blödelei ein Gegenprogramm zum gewohnten Glamour medialer Fussballinszenierungen. Als Gastpersonal bieten sich dafür wohlbekannte Querköpfe an, etwa ein Christian Constantin. Der schillernde Fussballboss aus dem Wallis hinterliess auch in dieser Sendung einen bleibenden Eindruck. Der FC-Sion-Präsident unterstützte den von Vincent Kucholl gespielten Klubfrisör seines Vereins kurzerhand und greift selbst zur Tondeuse. Moderator Vincent Veillon muss vor laufender Kamera Haare lassen.
Auch wenn der Coiffeursalon zunehmend an Bedeutung gewinnt als Schauplatz im Fussballgeschäft, spielt sich das Hauptgeschehen weiterhin auf dem Rasen ab. Regelmässige Live-Schaltungen zu einem fiktiven 3.-Liga-Spiel zwischen zwei Fantasiemannschaften in der erfundenen Waadtländer Gemeinde Chastavel geben der Sendung den sportlichen Rhythmus. Ein übermotivierter «Journaliste sportif» im RTS-Outfit meldet sich jeweils mit dem Zwischenstand aus einem verregneten Kleinstadion in der Westschweizer Provinz – hochmotiviert, dafür nur mittelmässig humorig.
Als Dreh- und Angelpunkt der Sendung wirkte Vincent Veillon, stärker noch als in den regulären «26 Minutes»-Sendungen. Er findet die richtige Mischung aus Ernsthaftigkeit und Witz und führt als Talkmaster souverän durch die Sendung. Nur ab und an kann er sich ein Grinsen nicht verkneifen bei einem Scherz von Kollege Kucholl, was seinen Auftritt noch sympatischer macht.
Veillon trägt auch die Verantwortung für das Wohlergehen seiner Gäste. Das gestaltet sich nicht immer ganz einfach, sitzt doch in der Regel eine auf Krawall gebürstete oder anderweitig vorlaute Figur mit auf der Bühne, gespielt von Vincent Kucholl. Auch Bundesrat Alain Berset konnte nicht umhin, sich mit zwei überzeichneten Charakteren auseinanderzusetzen. Zuerst mischte sich der abgestürzte Ex-Fussballprofi Serge Jaquet ins Gespräch ein, später tritt ein alter Bekannter auf, der zackige Oberstleutnant Karlheinz Inäbnit. Berset meisterte die Hürden souverän und lässt sich von den Jux-Gästen nicht verunsichern. Überhaupt scheint sich der Magistrat wohl zu fühlen bei den beiden Vincents, er reagiert freundlich und cool, setzt im richtigen Moment eine Pointe und erzählt zum Schluss noch ein Schmunzelgeschichten. Ein rundum geglückter Auftritt, frei von peinlicher Komik, wie man sie von anderen Magistraten kennt.
Neben Constantin und Berset beehrte die Sendung auch noch Philippe Leuba, Waadtländer Staatsrat und gewesener Nationalliga-A-Schiedsrichter. Als weiterer Gast ist Michel Pont geladen, langjähriger Assistenztrainer der Schweizer Nationalmannschaft. Sympathisches Geplauder, das Publikum lacht mit, vermutlich auch zuhause vor den Empfangsgeräten. Was will ein öffentlicher Sender mehr? Und genau das bieten Veillon und Kucholl mit «26 Minutes»: Populäre Unterhaltung, die auch bei einem jungen Publikum ankommt, das man schon für den TV im Allgemeinen und den Service public im Besonderen für verloren geglaubt hatte. «26 Minutes» holt sie zurück – nicht unbedingt vor den Fernsehen, aber vor Smartphone, Tablet und PC. «Eine vergleichbare Sendung hat das Deutschschweizer Fernsehen SRF derzeit nicht im Programm», schrieb die Coop-Zeitung im letzten November. Ein Problem ist das nicht. «26 Minutes» kann man auch in der Deutschschweiz sehen und es steht allen Gebührenzahlenden frei, jeden Samstag das beste Satire- und Comedyformat der SRG zu geniessen.