von Nick Lüthi

«BärnToday»: CH Media plant Ausbau in Bern

Wie bereits in vier anderen Deutschschweizer Städten will CH Media auch in Bern ein «Today»-Portal aufbauen. Die Lücke, die Tamedia mit der Fusion seiner Zeitungsredaktionen hinterlässt, wird das neue Angebot aber kaum füllen können.

Der 20. Oktober 2021 markierte eine Zäsur in der Mediengeschichte der Bundesstadt. Seit vergangenem Mittwoch sind die vormals eigenständigen Redaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» Geschichte; in Bern gibt es eine journalistische Stimme weniger. Tamedia, der Verlag der beiden Zeitungen, findet es «nicht mehr zeitgemäss, in einem so kleinen Raum zwei konkurrenzierende Angebote» zu haben und hat darum «gemacht, was man machen muss, wenn man betriebswirtschaftlich denkt». Das sagte Tamedia-Zeitungschef Marco Boselli am Swiss Media Forum vor einem Monat in Luzern.

Nun gibt es Medienunternehmen, die ebenfalls betriebswirtschaftlich denken, aber zu anderen Schlüssen kommen. Zum Beispiel CH Media. Das Joint Venture von NZZ Mediengruppe und AZ Medien plant, in Bern sein Medienangebot auszubauen.

Wie bereits in St. Gallen, Luzern, Aarau und Zürich will CH Media auch in Bern seine Radio- und Fernsehaktivitäten mit einem Online-Portal besser sichtbar machen. Das Unternehmen bestätigt die Ausbaupläne zwar nicht explizit, dementiert sie aber auch nicht.

Dass der Aufbau von «BärnToday» beschlossene Sache sei, bestätigen mehrere Quellen aus dem Unternehmen CH Media.

Ein CH-Media-Sprecher teilt der MEDIENWOCHE auf Anfrage mit: «Unser Ziel ist es, an allen unseren CH-Media-Entertainment-Standorten gemeinsame Radio-, regionale TV- und Today-Redaktionen zu schaffen.» Ein solcher Standort ist auch Bern. Mit «Telebärn» und «Radio Bern 1» besitzt CH Media, wie in den anderen vier Städten, auch in der Bundesstadt je einen TV- und einen Radiosender.

Eins und eins zusammengezählt hat auch das Jahrbuch «Qualität der Medien». In seiner aktuellen Ausgabe steht: «Der Kauf von ‹Radio Bern 1› per Januar 2021 deutet darauf hin, dass CH Media auch in Bern eine verstärkte Integration seiner verschiedenen Medienangebote ansteuert.»

«Telebärn» will sein aktuelles Studio verlassen und sucht zusammen mit «Radio Bern 1» gemeinsame Räumlichkeiten.

Dass der Aufbau von «BärnToday» beschlossene Sache sei, bestätigen mehrere Quellen aus dem Unternehmen CH Media unabhängig voneinander. Die Frage sei nur noch, ob es im Herbst 2022 oder erst im Frühjahr 2023 losgehe in Bern. Von offizieller Seite heisst es, der Fokus liege nun auf Zürich und der baldigen Lancierung von «ZüriToday». Und: «Wir arbeiten an der Fortsetzung der Today-Erfolgsgeschichte», so der CH-Media-Sprecher.

Klar ist: «Telebärn» will sein aktuelles Studio verlassen und sucht zusammen mit «Radio Bern 1» gemeinsame Räumlichkeiten. Dort soll eine Online-Redaktion dazustossen. Das ist die gleiche Konstellation wie an allen anderen «Today»-Standorten.

Das erste solche Portal war «FM1Today» in St. Gallen, benannt nach dem gleichnamigen Radiosender. Die Idee dazu stammte von der NZZ-Mediengruppe. Es sei das erste regionale Onlineportal der Schweiz, das in einer konvergenten Redaktion von Online-, Radio- und TV-Journalisten produziert werde, hiess es zum Start von «FM1Today» im Herbst 2015.

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Nach dem Zusammenschluss der NZZ-Regionalmedien mit den AZ Medien führte die neue CH Media das «Today»-Konzept weiter. Anfang 2020 folgte «PilatusToday» in Luzern mit «Radio Pilatus» und «Tele 1» als Kern. Im Sommer 2021 ging im AZ-Kernland «ArgoviaToday» an den Start, wo das Unternehmen «Radio Argovia» und «Tele M1» betreibt. Im Frühjahr 2022 soll «ZüriToday» folgen. Hier gehören «Radio 24» und «TeleZüri» dazu. «BärnToday» wäre dann die fünfte konvergente Regional-Newsplattform. Für die vier (und bald fünf) Portale hat CH Media eine Zentralredaktion in Zürich geschaffen, die «künftig überregionale Inhalte für alle Today-Plattformen produzieren, sowie zentrale Funktionen im Social Media- und Community-Management-Bereich übernehmen» werde.

«BärnToday» wird dereinst hinter den Tamedia-Zeitungen die zweitgrösste Lokal-Redaktion beschäftigen in Bern.

In Bern könnte CH Media nach der Zusammenlegung der Redaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» einen Beitrag dazu leisten, die Lücke zu füllen, die der Abbau bei den Tamedia-Titeln hinterlassen hat. Immerhin wird «BärnToday» mit seinen grob geschätzt rund 30 redaktionellen Stellen dereinst hinter den Tamedia-Zeitungen die zweitgrösste Lokalredaktion beschäftigen. Die Frage, ob es der Anspruch sei, mit dem neuen Portal in der Bundesstadt eine prägende Rolle im (politischen) Lokaljournalismus zu spielen, wollte CH Media nicht beantworten.

Ein Blick auf die «Today»-Portale zeigt, dass das publizistische Profil vor allem regionale Polizei- und People-Meldungen umfasst. Push-Nachrichten verschickt die Redaktion zum Start einer weiteren «Bachelor»-Staffel, die auf dem CH-Media-Sender 3+ läuft, oder zur Wahl des Jugendwortes des Jahres. Politischer Journalismus zählt nicht zum Kerngeschäft. Das lässt sich auch damit erklären, dass CH Media in St. Gallen, Luzern und Aarau Tageszeitungen herausgibt, die mit einem kostenpflichtigen Online-Angebot zahlende Kundschaft suchen. Diese Bemühungen will man nicht mit dem eigenen Gratisangebot unterlaufen.

«BärnToday» wird in einer Liga mit «Nau.ch» und «20min.ch» spielen.

In Zürich und in Bern müssten die «Today»-Portale nicht auf Zeitungen aus dem eigenen Verlag Rücksicht nehmen. Ob «BärnToday» deshalb vom Konzept abweicht, darf bezweifelt werden. «Telebärn» und «Radio Bern 1» zeichnen sich nicht durch «harten» Journalismus aus und vermögen nur vereinzelt Akzente zu setzen oder mit ihrer Berichterstattung politisch etwas zu bewegen. Platzhirsch Tamedia braucht also kaum publizistische Konkurrenz zu fürchten. Und wirtschaftlich spielen die «Today»-Portale im werbefinanzierten Reichweitengeschäft, während sich «Bund» und «Berner Zeitung» vor allem über Abos finanzieren wollen und müssen. «BärnToday» wird daher in einer Liga mit «Nau.ch» und «20min.ch» spielen.