von Nick Lüthi

Die hohen Hürden zu einem Abonnement

Eine Studie aus den Niederlanden fragte, warum Leute für News kein Geld zahlen wollen. Der wichtigste Grund ist der Preis – aber nicht nur weil er zu hoch ist.

Es ist die Hundert-Punkte-Frage, die sich private Medienunternehmen immer wieder stellen – ja stellen müssen, wenn sie überleben wollen: Wie kriegen wir Leute dazu, für News zu zahlen? Eine einfache Antwort gibt es nicht, dafür ernüchternde Zahlen: Weniger als jede fünfte Person zahlt in westlichen Ländern – von den USA bis Polen – für Online-News. Die Schweiz und die Niederlanden liegen in der Mitte. In beiden Ländern gaben 17 Prozent der 2000 befragten Personen an, im Jahr 2020 für Online-News Geld ausgegeben zu haben. Dieser Wert hat in den vergangenen Jahren zwar stetig zugenommen. Aber gleichzeitig verlieren Verlage weiter Printabos. Unter dem Strich geht für viele die Rechnung (noch) nicht auf. Die häufig bemühten Erfolgsbeispiele, die es überall gibt, können nicht über das grundsätzlich harte Pflaster auf dem Abomarkt hinwegtäuschen.

Aber warum tut sich selbst ein interessiertes Publikum so schwer, für Journalismus zu zahlen? Aufschlussreiche Antworten liefert Tim Groot Kormelink. Für seine qualitative Studie «Why people don’t pay for news» versorgte der Assistenzprofessor für Journalismus an der Vrije Universiteit Amsterdam 68 Leute mit einem Probeabo, Print und Online. Sie konnten aus den Abo-Angeboten von vier niederländischen Tageszeitungen auswählen. Nach drei Wochen befragte sie der Forscher eingehend zu ihren Erfahrungen.

Bei jüngeren Personen stellt das limitierte Budget als Hürde da: Zusätzliche Ausgaben bedeuten Verzicht andernorts.

Einen ebenso ernüchternden wie auch überraschenden Befund liefert der Autor gleich vorweg: Von den 68 Personen zwischen 20 und 75 Jahren, davon 36 Frauen, 32 Männer, alle mit einem «relativ hohen Bildungsniveau», gab nach Ablauf der Probefrist niemand an, ein kostenpflichtiges Abo des getesteten Titels kaufen zu wollen.

Die weitaus meisten kritischen Aussagen betreffen den Preis. Bei jüngeren Personen stellt das limitierte Budget als Hürde da: Zusätzliche Ausgaben für News bedeuten Verzicht auf einen anderen Budgetposten.

Die älteren Proband:innen stören sich dagegen an der Preispolitik der Verlage, etwa am grossen Preissprung vom Probeabo zur regulären Subskription; oder daran, dass man als treue Kundin, die über Jahre den vollen Abopreis zahlt, nie einen Rabatt oder sonst ein Treueangebot erhält – ganz im Gegensatz zu den umworbenen Neukunden, die mit Dumpingpreisen geködert werden.

Gegen einen Abschluss spricht auch die «Abo-Sättigung», man zahlt ja schon für so viele Dienste im Netz.

Ein naheliegender und immer wieder gehörter Grund, kein Geld für Online-News ausgeben zu wollen, ist der als zu hoch wahrgenommene Abopreis. «In Anbetracht der Tatsache, dass der Preis die grösste Hürde für ein Abonnement darstellt, argumentierten die Teilnehmenden, dass ein attraktiverer Preis sie davon überzeugen könnte, Nachrichten zu abonnieren», schreibt Groot Kormelink. Gerade jüngere Mediennutzende hätten eine sehr konkrete Vorstellung zur Preisgestaltung. Für sie lägen 3 bis 5 Euro pro Monat drin. Als Referenz dient der Preis eines geteilten Netflix- oder Spotify-Kontos.

Ebenfalls gegen einen Abschluss spricht auch die «Abo-Sättigung», man zahlt ja schon für so viele Streamingdienste, digitale Plattformen und andere Medienangebote. Damit direkt zu tun hat auch die Furcht, die News der abonnierten Zeitung zu wenig zu nutzen und somit Geld für nichts ausgeben zu haben. Denn daneben lockt ja auch immer noch eine Fülle an kostenlos verfügbaren News im Netz; nach dem Preis der zweitwichtigste Grund, kein Online-Abo zu kaufen. In den Niederlanden, wo die Studie durchgeführt wurde, gibt es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk NOS und dem kommerziellen News-Portal «NU.nl» zwei grosse Gratisanbieter. Aber auch Podcasts zählen zum gern genutzten kostenlosen Angebot.

Für ein Abo zu zahlen, empfinden manche als eine Verpflichtung, die sie nicht einzugehen bereit sind.

Vor allem Jüngere zeigen zudem Bindungsängste bei der Medienauswahl. Für ein Abo zu zahlen, empfinden sie offenbar als eine Verpflichtung, die sie nicht einzugehen bereit sind. Der Entscheid für das Abo eines bestimmten Titels, heisst auch immer, sich gegen ganz viele andere, ebenfalls valable, Angebote zu entscheiden. Und hinter dieser Hürde steht eine nächste: Wer sich irgendwann doch für ein Abo entscheidet, sollte dann auch lesen, wofür er oder sie bezahlt hat. Wer diese (Selbst-)Verpflichtung als zu belastend empfindet, entscheidet sich gegen ein Abo und snackt mal hier, mal dort im grossen Gratisangebot.

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Den Entscheid gegen den Aboerwerb nicht beeinflusst hat hingegen die journalistische Qualität. Sie gab aber auch keinen Kaufimpuls. Immerhin stellten Studien-Teilnehmende fest, dass die Qualität, zu der sie nun probeweise Zugang erhielten, besser ist als die der Gratismedien. Manche hatten noch nie hinter eine Paywall geschaut und wussten gar nicht, was es dort gibt. Das werfe ein Dilemma für die Zeitungen auf, schreibt Groot Kormelink: «Wenn sie mehr ihrer hintergründigen Inhalte frei zugänglich machen, könnte dies zwar dazu beitragen, ihre Qualität hervorzuheben, aber diese Strategie könnte auch dazu führen, dass es noch weniger dringend ist, ein kostenpflichtiges Abonnement zu erwerben.»

Schliesslich spielt auch die Servicequalität eine Rolle, die sowohl gegen als auch für den Aboabschluss sprechen kann. Wenn die Zustellung der gedruckten Zeitung nicht klappt, wenn das Login auf der Website nicht funktioniert, dann sieht man den Preis schnell als nicht gerechtfertigt an. Positive Anreize zum Aboabschluss könnte ein Verlag hingegen mit modularen und vielfältigen Zugangs- und Zustellmöglichkeiten schaffen. Konkret nennt eine Partizipantin der Studie ein Abo für eine bestimmte Anzahl Zeitungsausgaben, die man nur dann bestellt, wenn man Zeit für die Lektüre auf Papier findet.

«Digitale Abonnements generieren nicht genug Einnahmen, um Printmedien aufzugeben, aber sie kannibalisieren gleichzeitig die Printabonnements.»

Nur: Solche personalisierten Abomodelle erhöhen die Komplexität des Zustellprozesses und damit auch die Kosten. Schon heute steigen die Distributionskosten pro Exemplar: Es gibt zwar immer weniger Print-Abos, aber der Verteilaufwand nimmt nicht im gleichen Masse ab. Obwohl Print gerade mit modularen Varianten den einen oder die andere als Abonnent:in halten konnte, rechnet sich der Aufwand unter dem Strich nicht. «Nachrichtenorganisationen befinden sich in einem Fegefeuer zwischen Digital- und Printmedien», zitiert die Studie aus einer Paywall-Studie von 2015. «Digitale Abonnements generieren nicht genug Einnahmen, um Printmedien aufzugeben, aber sie kannibalisieren gleichzeitig die Printabonnements.»

Abo-Markt: Innovation dank neuer Software

Die grossen Schweizer Zeitungsverlage Tamedia, CH Media und NZZ versuchen mit Sonderangeboten ein junges Publikum zu gewinnen, das bereit ist, für Journalismus zu zahlen. Das gelingt ihnen unterschiedlich gut. Bei NZZ und CH Media zahlen Leute in Ausbildung ab fünf Franken pro Monat für den Zugriff auf das Online-Angebot, Tamedia führte vor einem halben Jahr einen Jugendtarif ein, der mit neun Franken allerdings fast doppelt so teuer ist wie die Angebote der Konkurrenz.

Die Erfahrungen der drei Verlage sehen etwas durchzogen aus. Bei CH Media mache das Studentenabo «lediglich 1,2 Prozent unseres Gesamtbestands aus», teilt CH-Media-Sprecher Stefan Heini auf Anfrage mit und ergänzt: «Trotz des sehr attraktiven Angebots ist das Wachstum im Augenblick relativ bescheiden.» Man habe aber das Angebot bislang auch kaum beworben. Voll zufrieden zeigt sich derweil die NZZ mit ihrem Abo «NZZ für Studierende». Konkrete Zahlen nennt das Unternehmen nicht. Nur so viel: Das Abonnement erfreue sich grosser Beliebtheit. Den Erfolg misst der Verlag an der Wandlungsquote vom Studi- zum regulären Abo. Dieser Wert zeige, dass die NZZ richtig liege. Tamedia führte erst Anfang des laufenden Jahres ihr «Youth»-Abo ein und kann daher noch nicht viel sagen.

Neben Abos, die sich explizit an Junge richten, lancieren Verlage weitere preisgünstige und flexible Angebote, die ebenfalls dem Nutzungsbedürfnis eines jüngeren Publikums entgegenkommen. So bietet Tamedia ein Familien-Abo mit vier Konten an, das auch eine Wohngemeinschaft nutzen kann. Ein Flatrate-Abo ermöglicht einer Person den Zugang zu sämtlichen Titeln des Verlags.

Um überhaupt neue Aboformen einführen zu können, braucht es eine entsprechende technische Infrastruktur. «Dank des Wechsels auf die Software von Piano […] konnte Tamedia ihr Digitalabo-Portfolio um neue Angebote für spezifische Kundengruppen erweitern», steht im aktuellen Geschäftsbericht der Tamedia-Mutter TX Group. «Piano» ist einer der führenden Anbieter für Bezahllösungen im Mediengeschäft.

Noch nicht so weit ist CH Media. Dort steht der Wechsel auf die «Piano»-Software erst noch an, wie Unternehmenssprecher Heini bestätigt. Doch schon heute erfülle bei ihnen das Standard-Abo, was andernorts nur ein Spezialabo leiste: Das Login zu einer CH-Media-Zeitung bietet Zugriff auf alle anderen Titel aus dem Verbund.

Leserbeiträge

Bernhard Engler 08. Juni 2022, 12:01

„Warum Leute für News kein Geld zahlen wollen?“ Jede Wette, dass in der Schweiz (wenn Erwachsene dann mal ca. 40-jährig sind) nicht der Preis der Hauptgrund ist. Es ist die Einsicht, dass einem die Presse vorzugsweise mit Negativ-Nachrichten bedient, egal in welchem Themenfeld, und die Presse diese Art von Berichterstattung bis zum Geht-nicht-mehr „kultiviert“. Weil sie wusste, dass für Leser/innen negative Nachrichten attraktiver sind als positive. So tickt(e) der Mensch und dieser ist jetzt zunehmend weniger bereit, für den ganzen Müll – inkl. dem latent besserwisserischen Ton – auch noch zu bezahlen. Egal ob für Abo, Probe-Abo, Print oder elektronisch.

Thomas Wildi 08. Juni 2022, 16:43

Ich würde Geld für News ausgeben. Das Angebot sollte aber mehrere Tages- und Wochenzeitungen beinhalten – 1 Newsabo für mehrere Zeitungen – natürlich zu einem attraktiven Preis, dann würde ich mir das überlegen. Ich möchte mich nicht nur auf eine Newsquelle abstützen. Leider gibt es so ein Angebot nicht. Weshalb eigentlich?

Günther Kuhn 08. Juni 2022, 23:41

Alle, auch die Medien lernen mit der neuen Welt heute umzugehen ( langsam, wie alle ) – geben Sie einfach allen mehr Zeit 🙂 …