AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

Medien drängen die Wissenschaft an den Rand

Es ist kein Geheimnis: Wenn Medien sparen, fallen zuerst Rubriken und Ressorts zum Opfer, die als «nice-to-have» gelten. Darunter fällt auch die Wissenschaftsberichterstattung. Eine Konferenz nahm sich kürzlich der Problematik an und suchte nach Wegen, wie auch inskünftig Wissen und Forschung eine angemessene Präsenz in den Medien finden. Eine Patentlösung, wie das zu ändern sei, gibt es keine, aber Ansätze, wie Journalismus fernab der (Werbe)marktlogik funktionieren könnte. Als Beispiele für neue Förder- und Finanzierungsmodelle wurden drei Projekte vorgestellt. Neben Sept.info, einer Westschweizer Plattform für «slow journalism», und der rein nutzerfinanzierten «Republik», gilt vor allem das Online-Magazin «Higgs» als Hoffnungsträger für einen «neuen» Wissenschaftsjournalismus. Sein Erfolg steht und fällt indes mit der Bereitschaft, dass die öffentliche Hand, private Unternehmen, Stiftungen und Hochschulen, das Projekt unterstützungswürdig finden und finanziell zu tragen bereit sind. Das ist jetzt noch nicht der Fall.

Diagnose: Serien-Sucht

Offiziell gilt das exzessive Serien-Gucken nicht als Sucht. Gemessen am Abhängigkeitspotenzial und an der Verhaltensweise der Betroffenen, weist indes vieles darauf hin, dass es sich sehr wohl um eine Suchtstörung handeln könnte. Wie man das problematische Nutzungsverhalten auch immer nennen mag, Fachstellen in der Schweiz sehen sich vermehrt mit einer Klientschaft konfrontiert, die ihren Serienkonsum nicht mehr im Griff hat, schreibt Camille Kündig auf «Watson». Was tun? Experten sehen die Verantwortung auch bei den Anbietern der TV-Serien. Eine mögliche Präventionsmassnahme könnte darin bestehen, nach dem Ende einer Episode einer Serie nicht automatisch zur nächsten überzuleiten und die Zuseher auf ihr Verhalten hinzuweisen. Aber daran haben Plattformen wie Netflix natürlich kein Interesse; sie leben von der Nutzunsgzeit – je mehr, desto besser, weil lukrativer.

Deutsche Verlage lobbyieren für Online-Tracking

Eigentlich möchte die EU-Kommission das Aufzeichnen des Nutzungsverhaltens im Internet («Tracking») strenger regulieren – zugunsten der Nutzer. Doch die Pläne stossen auf den geballten Widerstand der Datenindustrie. Mit am stärksten gegen die neue E-Privacy-Verordnung wehren sich die deutschen Grossverlage, allen voran Axel Springer. Sie «verteidigen mit ihrem aggressiven Lobbyismus gegen die ePrivacy-Reform einen Status Quo, in dem die Datensammler machen, was sie wollen», schreibt Ingo Dachwitz auf Netzpolitik.org in einer Auslegeordnung zu den vielfältigen Anstrengungen der Medienhäuser gegen mehr Selbstbestimmung für die Mediennutzer.

G7 mit «Abwehrmechanismus gegen Fake News»

Auch wenn sich die G7-Staaten bei ihrem Treffen in Kanada nicht gerade auf viel einigen konnten, so schafften sie es doch zu einer gemeinsamen Verständigung auf einen sogenannten Rapid Response Mechanism. Mit diesem Schnellabwehrmechanismus gegen Fake News haben die sieben führenden Instustriestaaten der Welt vor allem Russland im Visier. An der neuen Initiative, die «ein starkes Signal aussendet, dass Einmischungen von Russland und anderen ausländischen Staaten nicht toleriert würden», habe die britische Premierministerin Theresa May entscheidend mitgewirkt, schreibt Thomas Pany auf Telepolis – ausgerechnet May und Grossbritannien, die selbst mit ziemlich vorschnellen Anschuldigungen nach dem Giftanschlag von Salisbury auffielen und bis heute keine belastbaren Beweise für eine russische Täterschaft vorlegen konnten.

Weitere Beiträge dieser Woche

Ringier weibelt für Olympia

Der «Blick» findet olympische Winterspiele in der Schweiz eine gute Sache. Zahlreiche Prominenz aus Sport und Politik darf in der Ringier-Zeitung für die Olympia-Kandidatur «Sion 2026» weibeln. «Dass es dabei auch um ein Zukunftsprojekt der Ringier AG geht, die den Blick herausgibt, darüber steht allerdings nichts im Boulevard-Blatt», schreibt Kurt Marti auf Infosperber. Was der Leser der redaktionellen Olympia-Promotion nämlich nicht erfährt: «Swiss Olympic» hat das exklusive Vermarktungsmandat für die Schweizer Olympiakandidatur an «Infront Ringier» übertragen, einer 50%-Tochter des Medienunternehmens. «Bei solchen Synergien (…) stellt sich nicht zum ersten Mal die Frage der redaktionellen Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit», so Marti weiter.

In Italien bekämpft die Postpolizei auch Fake News

Die 1981 gegründete Polizia Postale war anfänglich dazu da, in Italien Poststellen zu bewachen und Geldtransporte zu begleiten. Inzwischen umfasst ihr Aufgabenprofil auch den Kampf gegen Fake News im Internet. So warnt die Post- und Kommunikationspolizei, wie sie inzwischen heisst, auf ihrer Website vor Falschmeldungen. Man wolle sich aber nicht in die politische Debatte einmischen, versicherte der frühere Innenminister Marco Minniti. Vielmehr gehe es darum, Meldungen zu kennzeichnen, die offensichtlich jeglicher faktischen Grundlage entbehrten.

Das Ende der komischen Kunst

Die Süddeutsche Zeitung hat jüngst ihren langjährigen Zeichner Dieter Hanitzsch geschasst, weil dieser den israelischen Premier Benjamin Netanjahu unvorteilhaft dargestellt hatte. Vorwurf: Antisemitismus. Wobei es auch prominente und politisch unverdächtige Gegenstimmen gab. In einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung «Der Freitag» nimmt der Schriftsteller und Sprachwissenschaftler Jürgen Roth den Vorgang zum Anlass, den «inquisitorischen Wahn» zu geisseln, der letztlich der politischen Karikatur den Garaus mache. «Es wütet, ausgehend von einer über ihrem Diversity-Mantra verrückt gewordenen, ungebildeten, moralpolitisch verhärteten, feindfixierten postmodernen Linken, ein regressiv-antiaufklärerischer, antiliberaler Opferkult, der die wechselseitige Infantilisierung aller forciert.» Einen Beleg für diese Tendenz sieht Roth in der Forderung eines Feuilleton-Journalisten der Süddeutschen Zeitung, Karikaturen hätten «künftig ganz auf das Stilmittel der Überzeichnung zu verzichten». Damit wäre die komische Kunst in jeglicher Spielart aus der Welt, für immer, so Roth.

Der Inselstaat hinter der Internet-Domain .tv

.tv klingt nach Fernsehen und darum nutzen auch zahlreiche TV-Sender diese Domain für ihre Webseite. Aber .tv steht für Tuvalu, ein kleiner Inselastaat im pazifischen Ozean. Anna Biselli erzählt für Motherboard Vice wie es dazu kam, dass der Erlös aus der Domain heute über zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Tuvalu ausmacht.