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Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

«Fuck it, ich schreibe einfach meine Artikel»

WOZ-Reporter Daniel Ryser bietet in einem längeren Interview mit der Bärner Studizytig einen Einblick in sein Berufsverständnis als Journalist und in seine Recherchemethoden. Ryser ist bekannt für aufwändige Reportagen, in letzter Zeit mit dem «Kokain-Report» und dem IZRS-Porträt «Die Dschihadisten von Bümpliz», die als Beilage zur «Wochenzeitung» erschienen sind. Was seine Arbeitsweise auszeichnet, ist die zeitintensive Recherche. Nur dank jahrelanger Gespräche gewinnt er das Vertrauen möglicher Protagonisten für seine Geschichten. Sein unvoreingenommener Blick auf Subkulturen, etwa auf Fussball-Hooligans und Ultra-Fans, bringen ihm auch Kritik ein, so etwa jüngst der Vorwurf der Gewaltverharmlosung. Dafür hat Ryser wenig Verständnis: «Manchmal habe ich das Gefühl, fuck it, ich schreibe einfach meine Artikel und wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann müssen die Leute halt den Scheiss-Artikel einfach nochmal lesen.»

«Ich war aus Überzeugung ein Linker und war stolz darauf»

Noch bis Ende Jahr, bis das Blatt unter den Tamedia-Mantel kommt, führt Markus Somm die «Basler Zeitung». Der streitbare Journalist hat politisch einen weiten Weg hinter sich von ganz links nach ziemlich weit rechts: «Ich war aus Überzeugung ein Linker und war stolz darauf.» Für das NZZ Folio hat sich Rolf Hürzeler mit Somm über dessen Werdegang und den Wendepunkt in seiner Biografie unterhalten. Vom Linken zum Rechten wurde Somm beim Studium in Harvard (USA): «Dass man intelligent und rechts sein könnte, schien undenkbar. In Amerika hatte ich es plötzlich mit Leuten zu tun, die schrieben besser als ich, die dachten schneller als ich, sie waren klug und originell – und sie waren brutal konservativ.» Dass er irgendwann wieder einmal ein Linker würde, hält Somm für «undenkbar». Aber seine politische Überzeugung sei immer einem Wandel unterworfen, «weil sich die politischen Gegebenheiten laufend verändern.»

Eine Experten-Typologie

Ist eine fachliche Einschätzung gefragt, kommen sie in den Medien zum Zug, die Expertinnen und Experten. Das Magazin «Horizonte» des Schweizerischen Nationalfonds hat sich auf die Suche nach typischen Expertenfiguren aus der Wissenschaft gemacht und dabei fünf Archetypen identifiziert. Da gibt es etwa den «Streitlustigen», hier festgemacht an der Figur von Wirtschaftsprofessor Rainer Eichenberger, der nicht zuletzt wegen seinen provokativen Thesen ein viel gefragter Experte ist. Ein anderer, ebenfalls viel gefragter Typus, ist «Die öffentliche Intellektuelle». Als Beispiel dient hier die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel, die aktuell selbst als Chefredaktorin der «Wirtschaftswoche» in den Medien arbeitet und so beide Seiten kennt. Neben diesen «Allzweckwaffen», die sich zu vielen verschiedenen Themen äussern können, gibt es auch die Fachexpertin, die wegen ihres Forschungsgebiets zu Medienauftritten kommt, wie etwa die Berner Weltraumforscherin Kathrin Altwegg.

Vom Whistleblower zum Verschwörungstheoretiker

«Beobachter»-Reporter Thomas Angeli lernte Ben Allenbach vor 15 Jahren kennen. Damals berichtete Angeli über Mauscheleien beim staatlichen Rüstungsbetrieb Ruag. Allenbach war der Whistleblower. Mit einer juristischen Finte sorgten damals die Anwälte der Ruag dafür, dass Allenbach seine Belege für die krummen Geschäfte nicht vor Gericht präsentieren konnte. «Es war der Augenblick, in dem er den letzten Rest Glauben an die Gerechtigkeit und an den Staat verlor», schreibt Angeli im Rückblick. Nach diesem fundamentalen Vertrauensverlust fand Allenbach Halt in seiner eigenen Logik, er traut den Mächtigen alles zu. Auch, dass die US-Regierung weltweit Chemikalien versprühen lässt, um Klima und Bevölkerungswachstum zu kontrollieren. Allenbach ist das geworden, was man gemeinhin als Verschwörungstheoretiker bezeichnet.

Weitere Beiträge dieser Woche

Grosskonzerne bauen ihre eigenen Nachrichtenportale auf

Journalisten sind gefragt wie noch nie. Klingt komisch, ist aber so. Nur sind es nicht Redaktionen von Zeitungen oder anderen unabhängigen Medien, welche Medienschaffende suchen. Es sind Unternehmen, vorab Grosskonzerne, die ihre eigenen «Redaktionen» aufbauen. Neudeutsch heisst das dann «Corporate Newsroom». Holger Schmidt hat für das Handelsblatt aktuelle Zahlen aus Deutschland zusammengetragen. So sei die Zahl der ausgeschriebenen Stellen für unternehmenseigene Nachrichtenportale im Vergleich zum Vorjahr um 117 Prozent gestiegen. 90 Menschen arbeiten heute im Nachrichtenraum der Deutschen Telekom, 50 sind es bei Siemens, 30 bei der Deutschen Bank, 20 in der Allianz oder ThyssenKrupp und sieben bei RWE.

Gute Lokalberichterstattung unter dem grossen Mantel?

Unter dem finanziellen Druck auf das Zeitungsgeschäft gehen immer mehr Verlage dazu über, die verbleibenden redaktionellen Ressourcen möglichst konzentriert einzusetzen; etwa indem sie grosse Zentralredaktionen schaffen. In der Schweiz macht das Tamedia so und auch das Joint Venture von AZ Medien und den NZZ-Regionalzeitungen will die überregionale Berichterstattung für alle Titel aus einer Hand bieten. In Deutschland sind es die Mediengruppen Madsack, Dumont und Funke, die ihr Kräfte bündeln und hoffen, so den Lokaljournalismus zu stärken. «Wenn die Lokalzeitungen keine Kraft mehr in das Überregionale stecken müssten, bleibe ihnen mehr Zeit für gute Lokalberichterstattung», zitiert Anne Fromm in der «Tageszeitung» ein Mitglied der Online-Chefredaktion von Funke. Zeitungsforscher glauben nicht an das Modell. Sie fürchten «Gleichmacherei» und auch eine Ausdünnung der Lokalredaktionen.

Making-of eines Putin-Interviews

Der österreichische TV-Journalist Armin Wolf (Anchor «Zib 2») gibt in seinem Blog einen Einblick in die Begleitumstände eines Interviews mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zur Vorbereitung gehört es, sich mit den Antwortstrategien des Gesprächspartners vertraut zu machen. Wolf identifiziert fünf Verhaltensweisen Putins, so mag er zum Beispiel nicht, unterbrochen zu werden, er kritisiere das sofort als unhöflich, ungeduldig oder voreingenommen. Auch sei Putin «ein Meister des sogenannten Whataboutism – also des Ablenkens auf ein anderes Thema oder zumindest einen anderen Aspekt des Themas.» Die Vorbereitung scheint sich gelohnt zu haben. Im Gespräch, das am letzten Freitag stattgefunden hat und heute Abend um 20.15 auf ORF 2 zu sehen sein wird, habe sich Putin «wie erwartet» verhalten, schreibt Wolf – ausser, dass das Interview 52, statt der angekündigten 30 Minuten gedauert habe. Eigentlich ein gutes Zeichen.

Das wohl aufwändigste Cover-Shooting

Die Gestaltung des aktuellen Time-Magazin-Covers erforderte eine geradezu generalstabsmässige Planung mit Dutzenden involvierter Fachleute: Fast 1000 Drohnen liess die Redaktion zusammen mit drei Technologiepartnern in die Luft schweben. Einmal oben im Abendhimmel, bildeten die ferngesteuerten und beleuchteten Fluggeräte ein hundert Meter hohes Rechteck und darin den Schriftzug «Time». Eine weitere Drohne fotografierte die Inszenierung. Anlass für das wohl aufwändigste Cover-Shooting für ein Nachrichtenmagazin ist der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe zum Thema Drohnen.