AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

«PR für die Kirche machen wir nicht»

Seit drei Jahren arbeitet das Katholische Medienzentrum in einem modernen Multimedia-Newsroom in Zürich West. Aber wie arbeitet diese Redaktion eigentlich? Wofür steht sie? «PR für die Kirche machen wir nicht», erklärt Charles Martig, Direktor des Medienzentrums in einem Interview mit der PR-Bloggerin Marie-Claire Schindler. Zum einen arbeite man journalistisch, setze Themen, wie andere Medien auch, so Martig. Zum anderen unterstützt das Katholische Medienzentrum aber auch Kampagnen und Informationsbedürfnisse der Kirche. «Wir arbeiten also so gesehen permanent in beide Richtungen.» Im Gespräch erklärt Martig detailliert die Arbeitsabläufe seiner 14-köpfigen Redaktion, die sich nicht gross von jenen in unabhängigen Medien, aber auch von Grossunternehmen unterscheiden, die ihre Kommunikationsaktivitäten über einen Newsroom steuern.

Frames prüfen, nicht nur Fakten

«Es gibt keinen objektiven Sinn von Wörtern, wir schöpfen aus unserer Erfahrung, was wir damit verbinden – nicht nur aus unserer individuellen, sondern aus unserer kollektiven Erfahrung als Gruppe, die sich unterhält», schreibt Radiomacher Stefan Fries zu einem Referat von Friederike Herrmann (Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt) an den Tutzinger Radiotagen. Herrmann untersucht dabei sogenannte Frames und formuliert in sechs Thesen, wie sich solche Deutungsraster auf die öffentliche Debatte auswirken. Dem Journalismus kommt dabei die hehre und anspruchsvolle Aufgabe zu, Aussagen auf Frames abzuklopfen. Denn: «Wird ein Frame erkannt und beschrieben, kann man sich seiner Deutungsmacht entziehen.» Herrmann fordert darum, dass Journalisten solche Frames genauso routiniert überprüfen sollten wie sie das mit Fakten tun.

«Möglichst wenige Fehler machen»

Martin Kaul hat für die Berliner «Tageszeitung» aus Chemnitz und danach auch aus Köthen berichtet, wo in den letzten Tagen grössere rechtsextreme Mobilisierungen stattfanden. Reporter sind dort selbstverständlich nicht willkommen. «Lügenpresse» musste sich Kaul selbst dann anhören, als er unkommentiert das Demonstrationsgeschehen live streamte. Seine zentrale Erkenntnis aus der Arbeit in diesem medienfeindlichen Umfeld: Es geht nichts über präzise Arbeit. «Fehler werden wesentlich sensibler erstens bemerkt, zweitens benannt, drittens ausgenutzt und viertens propagandistisch verarbeitet. Die Aufgabe besteht für uns Journalisten deshalb darin, möglichst wenige Fehler zu machen», sagt Kaul im Gespräch mit Thomas Borgböhmer von Meedia.

Ein wahrer Agenten-Thriller

«Journalismus ist arbeitsintensiv und teuer», schreibt New-York-Times-Reporter Michael Schwirtz auf Twitter und er weiss, wovon er spricht. Um die ganze Geschichte des in England vergifteten ehemaligen russischen Geheimdienstlers Sergej Skripal zu erzählen, reisten Schwirtz und Co-Autorin Ellen Barry seit April fünfmal nach Salisbury, zweimal nach Russland, zweimal nach Spanien, dreimal nach Prag, einmal nach Estland und zweimal nach Washington. Von April bis August sei er nur für etwa drei Wochen zu Hause gewesen, so Schwirtz weiter. Das Ergebnis lässt sich sehen (und vor allem lesen): Ein wahrer Spionage-Thriller, der detailreich das Leben des vergifteten Ex-Spions nachzeichnet und erklärt, warum das Ableben von abtrünnigen Sowjetagenten ganz im Sinn des russischen Präsidenten ist.

Weitere Beiträge dieser Woche

China behindert Arbeit des Westschweizer Fernsehens

Bereits zum zweiten Mal innert kurzer Zeit behindern chinesische Behörden die Arbeit von Schweizer Medien. Nachdem China dem Korrespondenten der Zeitung «Le Temps» ein Einreisevisum kommentarlos verweigert hatte für die Mitreise im Bundesratstross, sah sich nun der Korrespondent des Westschweizer Fernsehen RTS drangsaliert. Michael Peuker, der für RTS aus Schanghai berichtet, war in der von chinesischen Sicherheitskräften belagerten Uiguren-Provinz Xinjiang unterwegs, als die Behörden ihn dazu zwangen, Drehmaterial zu löschen und ihm die Kontaktaufnahme mit der Lokalbevölkerung verboten.

«Putin liebt nicht nur Kinder, er liebt alle Menschen»

Eine neue Sendung des staatlichen russischen Fernsehkanals «Russland 1» heisst «Moskau. Kreml. Putin.» und widmet sich jeden Sonntag eine Stunde lang allein und ausschliesslich dem Staatspräsidenten Vladimir Putin. Das unabhängige Online-Magazin Znak hat sich das neue Format angeschaut und erkennt darin ein Wiederaufleben des Personenkults, wie es ihn schon um die Führungsfiguren der Sowjetunion gegeben hatte. Putin erscheint geradezu als Übermensch, etwa wenn ihm sein Pressesprecherin den höchsten Tönen huldigt, der als Experte in der Sendung auftreten darf: «Dimitri Peskow plappert im TV-Studio fast wortwörtlich die Klischees der Sowjetpropaganda nach: ‹Putin liebt nicht nur Kinder, er liebt alle Menschen… Er ist überhaupt ein sehr menschlicher Mensch.›»

Ein Journalist redet mit JournalistInnen. Über Probleme des Journalismus.

Einfacher gesagt als getan, aber deswegen nicht falsch: Raus aus den Redaktionen und mit jenen reden, die das Vertrauen in die Medien verloren haben! «Denn wer ständig damit beschäftigt ist, sich selbst zu finden, dem hört keiner mehr zu», hält Sophie Spelsberg in der taz fest. Sie kritisiert damit die selbstreferenzielle Debatte der letzten Tage als Reaktion auf einen kritischen Zustandsbeschrieb des Journalismus in Deutschland durch den US-Professor Jay Rosen.

Untauglicher Rettungsvorschlag für Zeitungsverlage

Das Fachportal «Golem» hat mal durchgerechnet, was Zeitungsverlage in Deutschland an Geld erhalten würden, wenn ein europaweites Leistungsschutzrecht für die Presse eingeführt würde. Wenig überraschend: Bei vielen Verlagen reichte eine solche Ausschüttung nicht einmal, um die Spesen zu decken. Ausserdem würde eine Regulierung, die auf Zugriffszahlen basiert – sprich: mehr Klicks, gleich mehr Geld – falsche Anreize setzen: «Wenn jeder Visit, ganz gleich welchen Inhalts, von Google nur mit einem Zehntel Cent honoriert würde, würde das vor allem solche Medien begünstigen, die auf Krawalljournalismus, Clickbaiting und Suchmaschinenoptimierung (SEO) setzen», schreibt Friedhelm Greis auf «Golem».