von Adrian Lobe

Lügenmaschine Trump und die «Lugenpresse»

Die «Lugenpresse» ist im US-Wahlkampf angekommen. Über die Wahlverwandschaft zwischen Pegida und Donald Trump und die Gemeinsamkeiten in der Geringschätzung der freien Medien.

Zwischen Cleveland und Dresden liegen Welten, genauer gesagt 7000 Kilometer. Ideologisch trennen beide Städte aber nicht viel. Die Buzzfeed-Reporterin Rosie Gray twitterte kürzlich ein Video von einer Trump-Wahlkampfveranstaltung in Cleveland, wo empörte Trump-Anhänger «Lugenpresse» (sic!) in die Kamera brüllten.


Seit die Kampfvokabel von Pegida-Demonstranten aus der Nazi-Mottenkiste hervorgekramt und auf Kundgebungen skandiert wurde, hat der Begriff eine steile Karriere gemacht. 2014 wurde der Terminus zum «Unwort des Jahres» gewählt, und nun hat er Eingang in den US-Wahlkampf gefunden. Angelsächsische Medien bezeichneten das Wort «Lügenpresse» als das, was es ist: als ein Kampfbegriff der Nazis. Die britische «Huffington Post» titelte: «Trump-Anhänger zitieren Hitler, um die Medien zu attackieren.»

Das Wort geistert schon länger durch den englischsprachigen Raum. Die rechtslastige Webseite «Occidental Dissent», die der identitären Alt-Right-Bewegung zuzurechnen ist, verwendet häufig das Wort «Lugenpresse» oder die englische Übersetzung («Lying Press») – auch im Zusammenhang mit einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung («heavily Jewish Lugenpresse»), einige rechtsradikale und antisemitische Twitter-Accounts verschlagworten ihre kruden Einlassungen mit dem Hashtag #Lugenpresse. Die ultrarechte Nachrichtenseite Breitbart News Network, die als Ausgangspunkt für ein Trump-TV dienen könnte und die ihr ehemaliger Redaktor Ben Shapiro als «Trump-Pravda» verspottete, führte mit dem wegen Volksverhetzung verurteilten ehemaligen Pegida-Chef Lutz Bachmann ein ausführliches Exklusiv-Interview, in dem dieser unwidersprochen über die «Lügenpresse» sprechen durfte.

Im Grunde führt auch Trump das Wort bereits im Mund, ohne es allerdings expressis verbis zu nennen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat bezichtigt die gesamte politische Elite in Washington und allen voran die Medien kollektiv der Lüge. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, weil Trump selbst Lügen und Unwahrheiten verbreitet. Die «Huffington Post» wies ihm in einer einstündigen Rede 71 Faktenfehler nach. Die «New York Times» beschloss, Trumps Unwahrheiten nicht mehr nur als «falsch», sondern als Lügen zu bezeichnen, was Chefredakteur Dean Baquet damit rechtfertigte, dass Trumps krude Äusserungen mit «falsch» nicht angemessen zu qualifizieren seien. Richard Cohen attestierte in der «Washington Post» Trump eine «hitlerische Missachtung der Wahrheit», nachdem dieselbe Zeitung eine Woche zuvor in ihren Kommentarspalten dafür plädierte, Trump nicht mit Hitler vergleichen zu wollen. Trump und die Wahrheit, das ist ein eigenes Kapitel der Geschichte. Trump erhebt schon gar nicht mehr den Anspruch auf Faktentreue. Trump ist stark, gerade weil er sich nicht den Vorsichtsregeln der Political Correctness unterwirft, sondern sie genüsslich bricht. Nach dem Motto: «Wahr ist, was ich euch sage, und nicht die in Washington!».

Wahr ist auch, dass Trump und «die» Medien ein symbiotisches Verhältnis haben. Sie greifen seine Äusserungen, die allen Regeln der politischen Korrektheit widersprechen, begierig auf. Ob Fernsehen, Zeitungen, Radio oder Internet – Donald Trump spielt auf allen Kanälen. Ganz gleich, ob der republikanische Präsidentschaftskandidat über muslimische Einwanderer herzieht oder Menschen mit Behinderung beleidigt – die Meldung wird so lange durch den medialen Reisswolf gedreht, bis sie auf jeder noch so kleinen Plattform auftaucht. So erhielt Trump bis Februar gratis und franko Sendezeit im Wert von umgerechnet zwei Milliarden Dollar, berichtet die «New York Times». Das ist das Fünffache vom Betrag, den der Präsidentschaftskandidat John McCain 2008 in seinem Wahlkampf ausgegeben hatte.

Dass Trumps Anhänger nun den Vorwurf der «Lügenpresse» erheben, lässt tief blicken. Es zeigt eine radikale Systemkritik und ideologische Wahlverwandtschaft zwischen den Trumpisten in den USA und den Pegidisten in Deutsfhland, die lange Zeit beide dasselbe meinten, aber nun zum ersten Mal auch dasselbe aussprechen. Die Anhänger dieser rechtspopulistischen Bewegungen sind von einem Furor getrieben, dass «die da oben» in Washington oder Berlin ihnen nicht die Wahrheit erzählen, dass Informationen unter Verschluss gehalten und dem Wahlvolk verheimlicht werden. Dass im Trump-Lager die abenteuerlichsten Geschichten verbreitet werden und soziale Netzwerke zunehmend zum Durchlauferhitzer dieser Fake-News werden, dass sie damit selbst den Boden für eine zunehmende Postfaktizität bereiten, scheint die Anhänger auf der Suche nach ihrer subjektiven «Wahrheit» nicht zu stören.

Unter Trumps 12,4 Millionen Followern auf Twitter befinden sich auch 4,6 Millionen Fake-Accounts, darunter viele Bots, automatisierte Skripte, die Content generieren. Social Bots täuschen die Öffentlichkeit über ihre wahre Urheberschaft, indem sie vorspiegeln, Menschen mit Meinungen zu sein – obwohl dahinter Programmiercode steckt. Diese Softwareagenten sorgten dafür, dass nach dem ersten TV-Duell der Hashtag #TrumpWon zum Trending Topic in den USA auf Twitter avancierte und ein Gegennarrativ zur medialen Berichterstattung konstruiert wurde.

Trump hatte die Bühne des dritten TV-Duells kaum betreten, da feuerte seine Twitter-Armee bereits aus allen Rohren. Der Hashtag #IfTheMediaRiggedTheElection (dt. «Wenn Medien die Wahl manipulieren»), der die von Trump geäusserten Manipulationsvorwürfe aufs Tapet brachte, wurde wenige Stunden vor der Debatte in den USA zum Trending Topic auf Twitter. Trump fachte dieses Geraune um einen möglichen Wahlbetrug an, indem er sich eine Anfechtung der Wahl vorbehielt. «Ich werde das Ergebnis dieser grossen und historischen Wahl vollkommen anerkennen – wenn ich gewinne», sagte er bei einer Kundgebung in Delaware (Ohio). «Ich würde mir aber das Recht vorbehalten, im Falle eines fragwürdigen Resultats dieses anzufechten oder juristisch dagegen vorzugehen.» Es wäre ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte der US-amerikanischen Demokratie. Dass ein Kandidat die Legitimität einer demokratischen Wahl anzweifelt, kennt man sonst nur aus Entwicklungsländern. Bots, die auch die AfD im Bundestagswahlkampf 2017 einsetzen will, manipulieren die öffentliche Meinung. Trotz dieser Unwahrheiten ruft niemand Lügen-Twitter, sondern Lügenpresse – ein Vorwurf, der sich gegen die «Systempresse» richtet.

Die Chefredakteurin des «Guardian», Katharine Viner, hat in einem fulminanten Artikel («How technology disrupted the truth») beschrieben, wie in einer Welt, in der soziale Netzwerke News absorbieren und jeder seine eigenen Fakten habe, die Wahrheit disrumptiert werde. Im digitalen Zeitalter, schreibt Viner, sei es nie so einfach gewesen, falsche Informationen zu verbreiten, die die Nutzer für bare Münze nehmen. Es gehe nicht mehr um absolute, sondern eine gefühlte Wahrheit, die sich freilich schwer vermessen lässt. Und der als elitär verstandene Wahrheitsbegriff lässt sich viel leichter diskreditieren, indem man ihn mit der Kampfvokabel «Lügenpresse» attackiert, die eine Objektivitätsprüfung von Anfang an suspendiert. Das hässliche Wort «Lügenpresse» ist nur der schrillste Ruf einer schleichenden Radikalisierung der Sprache und des Denkens. Dass er nun von Trumpisten skandiert wird, zeigt, dass es zwischen den rechtspopulistischen Bewegungen in den westlichen Demokratien eine ideologische Brücke gibt.

Leserbeiträge

Frieder Lehmann 27. Oktober 2016, 11:12

Der kanadische Blogger Stefan Molyneux hat Reden ( siehe Youtube) von Trump (Mitschriften und -schnitte) systematisch verglichen mit den Zeitungs- und Fernsehhberichten über jenen, und nach dieser IUntersuchung kann man zu keinem anderen Urteil kommen, als dass Trump systematisch verleumdet wird, denn soviel Falsches kann kein Zufall sein.

Jürgen Jung 27. Oktober 2016, 14:21

Eben habe ich nach dieser Analyse gegoogelt (Stefan Molyneux Trump), da sie die Quelle nicht angegeben haben. Ganz oben war dieser Link: http://rationalwiki.org/wiki/Stefan_Molyneux . Seitdem bin ich nicht mehr wirklich daran interessiert, da ich nicht von der Glaubwürdigkeit ihrer „Quelle“ überzeugt bin.

Benno Herbst 27. Oktober 2016, 20:26

Man kann zu Trump stehen oder auch nicht. Fakt ist jedenfalls, daß die US-Gesellschaft stark gespalten ist. Die aus dem Lager der sogenannten Demokraten haben eine Heidenangst davor, daß ab 1.1.2017 alles nicht mehr so ist, wie es nun seit Jahrzehnten war.
Trump ist anders. Er hält sich nicht an die Etikette, der sich Republikaner und Demokraten seit vielen Jahren unterworfen hatten.
Aber es wäre grundfalsch, Trump für die derzeitige oft unflätige Art des Wahlkampfes verantwortlich zu machen.
Das ist ganz allein Killarys Verdienst. Da ging es noch gar nicht so richtig gegen Trump, da hat sie ihren Widersacher Sanders aus dem eigenen Lager mit ganz offensichtlichem Betrug und rüden Aktionen mithilfe ihrer Parteiführung und ihres Wahlkampfstabes aus dem Rennen geworfen. Moral ist für Killary offensichtlich ein Fremdwort.
Und nun haben alle die Hosen gestrichen voll, daß Trump als Präsident das wahr machen würde, was er versprochen hat – die ganzen Betrügereien des Clinton-Clans von Unabhängigen untersuchen zu lassen.
Und die EU-Vasallen? Die haben ebenso die Hosen voll, weil eine ganze Dynastie von Verehrern, Kriechern und Dienern der transatlantischen „Partner“ und weiterem Gesocks ihre Felle schwimmen sehen.
Was soll werden? Sie können Trump nicht einschätzen. Was wird mit dem „schönen“ Russenbashing? Was wird mit den ganzen Militär- und Geheimdienststützpunkten in Westeuropa, vor allem Deutschland? Was wird mit ….
Dann wird kein Jammern mehr helfen, daß man Angst vor dem schwarzen Mann hat. Dann lernt endlich im Keller pfeifen. Ihr werdet sehen, ob ihr Angst haben müßt.
Und die Multis haben Angst, daß auf einmal die EU-Staaten entdecken, daß sie Steuern zahlen müssen, weil die Moneten für die Angstbekämpfung gebraucht werden.
Wenn das dann alles so in die Brüche geht, wie schrecklich. Worüber sollen denn dann die Medien lügen. Selbst die haben es dann schwer. Noch viel schrecklicher ist aber der Gedanke, daß die europäischen Unternehmen nicht mehr an die von den USA diktierten Sanktionen gebunden sind und wieder echt Kohle machen können.
Und die Welt wird wieder friedlicher. Wie schrecklich in den Vorstellungen einer Killary, denn wenn die gewählt wird, gibt es den großen Krieg. Bei dem kleinen gegen Lybien hat sie ja schon mal geübt, wie man sowas macht.

moep 28. Oktober 2016, 08:39

Genre: Fan-Fiction.

Olaf Rustle 30. Oktober 2016, 21:29

Ich finde es immer wieder schön wie ein Titel doch irreführen kann. Denn entweder bin ich blind oder es wird nicht eine Lüge Trumps erwähnt. Des weitern finde ist es schön, dass endlich klargestellt wird, dass Österreich ein Drittweltland ist. Denn dort wurde vor kurzem eine Wahl nicht akzeptiert und wird sogar wiederholt. Auch in Trumps eigenem Land wurde natürlich schon eine Wahl angefochten, nämlich z.B. im Jahr 2000 von Al Gore. Wenn es aber der spätere Klimapapst tun, dann ist es offensichtlich nicht antidemokratisch.
Auch war mir nicht bewusst, dass Beleidigungen und Beschimpfungen als gratis Werbung zählen. Denn das ist was die amerikanischen Medien bewiesenermassen zu 97% über Trump gesendet haben. Von seinen Anzügen über seine Hände bis hin zu seinen Haaren wurde alles kritisiert. Aber wenn ich Adrian Lobe öffentlich als inkompetenten, mitläuferischen und grosskotzigen Möchtegernjournalisten bezeichnen würde(was ich natürlich nicht tue), dann wäre das ihmzufolge grossartige PR.
Political correctness so darzustellen, als ob sie der Korrektheit der Fakten dienlich wäre und nicht im Gegenteil Fakten verbietet die der allgemeinen Narrative widersprechen, ist setzt schon eine grosse Menge Unehrlichkeit voraus. Eine solch grosse Menge, dass man schon fast von „Lügenpresse“ sprechen könnte.
Alles in allem also kommt dieses Geschreibsel nicht über das allgemeine Level von schlecht informiertem Trumpgebashe hinaus.