von René Worni

Damoklesschwert droht weiter

Auch nach dem Entscheid der EU-Kommission bleibt das Mediengesetz in Ungarn ein Damoklesschwert für Medienschaffende. Zwar wurde als wichtigste von vier Anpassungen der Artikel 7 entschärft, der die Beleidigung von Personen, Gruppen oder Minderheiten regelt und den Medien kritische Veröffentlichungen weitgehend verunmöglicht hätte. Auch die Forderung nach Ausgewogenheit betrifft nicht mehr Print- und Online, sondern nur noch die elektronischen Medien. Doch das ist nicht genug.

Beim linksliberalen Blatt Nepszabadsag, an dem Ringier die Mehrheit hält (70,44%) ist eine gewisse Erleichterung spürbar. «Die EU hat mehr getan, als wir erwartet haben», sagt Chefredaktor Karoly Vörös. Die Anpassungen seien jedoch nicht derart, dass man mit dem Mediengesetz einverstanden sein könne. Vörös und die Minderheitsbesitzerin des Blattes, die Stiftung Freie Presse, halten deshalb die Verfassungsklage aufrecht.

Denn bestehen bleibt weiterhin die Allmacht des ungarischen Medienrates unter der für neun Jahre gewählten Annamaria Szalai, der Vertrauten von Ministerpräsident Viktor Orban. Dagegen fehlt der EU die Handhabe. «Niemand hat in den vergangenen Jahrzehnten daran gedacht, dass ein solcher Rat einmal in einem EU-Land funktionieren könnte, in den nur die Regierungspartei Mitglieder delegieren kann. Das war schlicht unvorstellbar», sagt Vörös.

Gemäss den Forderungen der EU sollen auch ausländische Medienhäuser nicht mehr mit Geldstrafen gebüsst werden können. Was ist jedoch mit den ungarischen Medien, an denen ausländische Verlage die Mehrheit halten, so wie bei Nepszabadsag? «Wir sind ein traditionelles Medium in Ungarn. Es wird juristische Abklärungen brauchen, was das für Konsequenzen haben könnte», sagt Vörös.

Bei Ringier, wo man analog zu anderen dominierenden ausländischen Verlagen, sich bisher eine direkte Kritik an die Adresse von Ungarns Führung verkniffen hat, begrüsst man die gegenwärtige Entwicklung. Kommunikationschef Matthias Graf erklärt: «Wir begrüssen die Annäherung zwischen der EU und der ungarischen Regierung als gutes Zeichen dafür, dass das Mediengesetz jetzt mit der europäischen Charta der Grundrechte in Einklang gebracht wurde.» Ringier wolle die weitere Entwicklung abwarten und genau beobachten, wie das Regelwerk in der Praxis umgesetzt werde.

Trotz der auf Druck der EU erfolgten Anpassungen sind weiterhin drei Verfassungsklagen gegen das Mediengesetz hängig, darunter jene der Minderheitseignerin von Nepszabadsag. Gemäss einem Kommentar der deutschsprachigen Zeitung Pester Lloyd in Budapest könne mit einem Entscheid des ungarischen Verfassungsgerichtes möglicherweise schon Ende März gerechnet werden.

Laut Agenturberichten soll es ausserdem weitere Proteste von der Strasse geben. Eine Facebook-Gruppe «Zivile für die Freiheit der Medien» ruft für den 15. März zu einer Grossdemonstration gegen das Mediengesetz auf, zu der 50 000 Leute erwartet werden. Auch in weiteren 15 Ländern soll an dem Tag gegen die Beschränkung der Pressefreiheit in Ungarn demonstriert werden.