von Nick Lüthi

«Mit uns kann man reden»

Die Wachstumskurve weist steil aufwärts: Von 2008 bis 2010 hat sich die Nutzung der Webseiten von Schweizer Radio und Fernsehen SRF mehr als verdoppelt. Doch des einen Freud, ist des andern Leid. Während für SRF klar ist, dass im Internet seine Zukunft liegt, wollen privat Medienunternehmen das Online-Engagement des öffentlichen Rundfunks zurückbinden. SRF-Direktor Ruedi Matter hat anlässlich der Jahresmedienkonferenz von SRF zu diesem Dilemma Stellung genommen.

Die Nutzung der Internet-Angebote von SRF hat im letzten Jahr erneut massiv zugenommen, während die Werte bei Radio und Fernsehen stagnieren. Wie lange wird diese Entwicklung so weitergehen?
Dieses Wachstum im Internet wird anhalten. Das ist aber nicht nur bei uns so, sondern generell bei Medien. Wie sich das ausdifferenziert über die nächsten Jahre, wissen wir noch nicht. Die klassische Radio- und Fernsehnutzung bleibt auf hohem Niveau stabil, auch das ist eine Leistung.

Der Altersdurchschnitt der Nutzer der Online-Angebote liegt bei 37 Jahren, während er bei Radio und Fernsehen zwischen 50 und 55 liegt. Was heisst das für die weitere Entwicklung von SRF?
Uns darf die Möglichkeit nicht verwehrt bleiben, unsere Angebote ins Internet zu stellen. Auch die 37-Jährigen zahlen Konzessionsgebühren und haben ein Recht darauf zu sehen und hören, was wir mit ihrem Geld produzieren.

Im Internet fährt SRF heute zweispurig mit den Webseiten drs.ch und sf.tv von Radio und Fernsehen. Wann werden diese beiden Angebote unter srf.ch zusammengeführt?
Das ist ein laufendes Projekt. Zieltermin ist Ende 2012. Die Zusammenführung ist ein Auftrag des Verwaltungsrats.

Kann mit dieser Zusammenlegung auch gespart werden?
Das ist schwierig vorauszusagen. Im technischen Bereich ist das Synergiepotenzial sicher am grössten, da wir nur noch mit einem einzigen Redaktionssystem arbeiten werden. Im redaktionellen Bereich ist das Sparpotenzial kleiner, weil ein Grossteil der Redaktion auch in Zukunft in den beiden getrennten Newsroooms von Radio und Fernsehen in Bern und Zürich angesiedelt sein wird.

Das Online-Angebot von SRF stand und steht in der Kritik der Verleger. In ihren Augen geht SRF zu weit, weil auch Inhalte im Netz zu finden seien, die keinen direkten Zusammenhang mit dem Radio- und Fernsehprogramm hätten. In einer Untersuchung hat der Verlegerverband diese Überschreitungen dokumentiert. Was unternehmen Sie?
Ich kann einfach darauf verweisen, dass das Bakom nun schon in zwei Studien festgestellt hat, dass wir den Konzessionsauftrag im Internet nicht verletzen. Die zweite Studie zeigte sogar, dass wir unseren Auftrag zunehmend enger interpretieren und die Anzahl der Angebote in der konzessionsrechtlichen Grauzone gegenüber der ersten Untersuchung abgenommen hat.

In dieser Grauzone befindet sich zum Beispiel das Blog von Filmredaktor Michael Sennhauser.
Ein Blog von einem Redaktor, der regelmässig auf DRS 1, 2 und 4 Sendungen macht, würde ich ohne gross nachzudenken als konzessionskonform bezeichnen, weil das ein Added-value ist. Also ein Zusatzangebot, das in direktem Zusammenhang mit dem Programm steht.

Added-Value ist doch eine Leerformel: Alles, was SRF in den letzten zehn Jahren im Netz gemacht, wurde mit dieser Floskel verkauft.
Das stimmt natürlich nicht. Eine eigenständige Recherche, die nur online veröffentlicht würde, wäre ganz klar kein Added-Value. Das wollen wir aber gar nicht machen.

Die SRG will auf ihren Webseiten Werbung schalten, dabei zeichnet sich das Online-Angebot heute doch gerade dadurch aus, dass es werbefrei ist und sich wohltuend von privaten Nachrichtenangeboten unterscheidet. Weshalb wollen Sie dieses Alleinstellungsmerkmal aufs Spiel setzen?
Es kann doch nicht sein, dass in dem Medium, das beim Publikum stetig an Beliebtheit gewinnt, auf alle Zeiten verboten würde, Werbung zu schalten. Wir würden Werbung dosiert platzieren, wie wir das beim Fernsehen auch tun. Es geht aber jetzt nicht um die grosse Werbeoffensive. Der Bundesrat hat bisher lediglich den Grundsatzentscheid gefällt, dass die SRG ihr Online-Angebot kommerziell bewirtschaften darf.

Der Bundesrat hat seinen Entscheid an die Bedingung geknüpft, dass sich die SRG in dieser Frage mit den Verlegern einigt. Wie weit ist man von dieser Einigung entfernt?
Dies Gespräche finden statt und ich habe den Eindruck, dass beide Seiten imstande sind, sachlich und zielführend zusammen zu reden. Konkreter will und kann ich aber nicht werden, weil damit der Rahmen der Gespräche eingeengt würde.

Haben Sie überhaupt ein Interesse an einer solchen Einigung? Bakom-Direktor Dumermuth hat gesagt, Online-Werbung würde auch dann erlaubt, wenn es zu keiner Einigung kommt.
Die SRG ist sehr stark den schweizerischen Werten und Traditionen verpflichtet. Dazu gehört auch der Konsens. Daher streben wir ganz klar eine Einigung mit den Verlegern an und wollen nicht die Politik in dieser Angelegenheit entscheiden lassen. Es ist immer besser, wenn die direkt Betroffenen gemeinsam eine Lösung finden. Powerplay fände ich keinen angemessenen Weg.

Noch fehlt der Tatbeweis. Wäre es nicht an der SRG, einen Schritt auf die privaten Medien zuzumachen?
Wir sind offen für alles und mit uns kann man reden. Es gibt zig Ideen, die man weiterverfolgen kann. Es gibt einen grossen Spielraum um sich zu finden. Das gemeinsame Ziel von SRG und Privaten muss es sein, eine eigenständige, von Schweizer Unternehmen geführte Medienlandschaft zu pflegen. Daher kann auch niemand ein Interesse an einer schwachen SRG haben. Mit dem Geld, das wir zur Verfügung haben, um Radio und Fernsehen zu machen, leisten wir einen grossen Beitrag zu einer eigenständigen schweizerischen Medienlandschaft.

Leserbeiträge

bugsierer 06. April 2011, 17:55

seit monaten oder gar jahren jammern die verleger über die scheinbar erdrückende konkurrenz der srg. das mag z.t. seine berechtigung haben, aber im wesentlichen wird man den eindruck nicht los, dass es nur darum geht, von den eigenen versäumnissen abzulenken. die verleger haben jahrzehntelang hochprofitabel geschäftet (zuweilen mit renditen gegen 20%, wenn ich mich richtig erinnere)) – und dabei die digitale revolution der letzten 10 jahre weitgehend verschlafen. jetzt fällt ihnen nicht viel schlaueres ein, als die srg zurückzubinden und nach weltfremden leistungschutzrechten zu verlangen. eigene ideen, innovationen oder gar experimente waren dagegen eher sehr dünn gesät.