Angriff auf Privatradio und -fernsehen
Nun kommt sie also doch, die Initiative zur Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren. Ein entsprechendes Begehren liegt bei der Bundeskanzlei zur Vorprüfung. So weit will nicht einmal Natalie Rickli gehen. Sie verlangt «nur» die Halbierung der Empfangsgebühren. Was bis jetzt wenig beachtet wurde: Die radikalen Forderungen würden mindestens ebenso hart wie die SRG auch die privaten Radio- und Fernsehveranstalter treffen. Ihnen wollen Bürge und Rickli den Gebührenhahn komplett zudrehen. Die Betroffenen reagieren vorderhand gelassen auf den Angriff.
Je simpler eine politische Forderung, desto grösser das Risiko für Kollateralschäden. So auch im Fall der Gebührenabschaffungsinitiative, die mit gerade mal fünf Worten auskommt: «Der Bund erhebt keine Empfangsgebühren.» Der Thurgauer Informatiker This Bürge und seine Kleinstpartei «Solidarische Schweiz» wollen Artikel 93 der schweizerischen Bundesverfassung um diesen Absatz ergänzen. Ein entsprechender Initiativtext liegt derzeit bei der Bundeskanzlei zur Vorprüfung, wie 20 Minuten berichtete. Bürge will den öffentlichen Rundfunk in seiner heutigen abschaffen. Was aber auch heisst: Nicht nur die SRG würde ihre Haupteinnahmequelle verlieren. Ebenso müsste der Grossteil der privaten Radio- und Fernsehveranstalter massiv Federn lassen und gar um seine Existenz bangen.
Sämtliche 13 Regionalfernsehen und ein Grossteil der Lokalradios erhalten zusammen 50 Millionen Franken pro Jahr aus dem Gebührentopf. Der Betrag mag im Vergleich zu den 1,1 Milliarden für die SRG zwar als Bagatelle erscheinen. Doch im Einzelfall decken die 2 bis 3 Mio. Franken, die ein Sender erhält, bis zu 60 Prozent des Betriebsaufwands. Das gleiche Geld auf dem Werbemarkt zu erwirtschaften, wäre für die meisten Sender ein Ding der Unmöglichkeit.
Gebührenabschaffer Bürge ist sich der Folgen seiner Forderung bewusst und propagiert einen Neuanfang: «Wenn die Einnahmen aus Gebühren wegfallen, sind alle Radio- und TV-Stationen gleichgestellt», teilt Bürge auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. Zuerst habe er sich überlegt, ob die Empfangsgebühren einfach anders verteilt werden sollten, sei dann aber zum Schluss gekommen, dass dies in ein kompliziertes Subventionsverfahren münde; also Tabula rasa. Auf dem grünen Rasen soll eine neue Medienordnung entstehen – so denn die Initiative zustande kommen und in der Abstimmung angenommen würde. Zwei hohe Hürden, die bei aller vordergründigen Popularität des Anliegens kaum überwunden werden dürften, zumal die radikale Forderung von keiner relevanten politischen Kraft in der Schweiz geteilt wird.
Nicht einmal die SVP geht so weit, die Abschaffung des gebührenfinanzierten Rundfunks zu verlangen. Denn die Partei weiss nur zu gut, was sie der SRG zu verdanken hat. Nicht trotz, sondern wegen den öffentlichen Medien ist die Partei zu dem geworden ist, wie sie heute ist. Die von SVP-Nationalrätin Natalie Rickli mitlancierte Petition «Gebührenmonster» fordert eine Festsetzung der Empfangsgebühren auf 200 Franken pro Haushalt und Jahr.
Während Rickli und ihre Mitstreiter für die SRG eine drastische Reduktion der Gebühren fordern, wollen sie den Privaten den Hahn komplett zudrehen. «Ich finde das Gebührensplitting grundsätzlich falsch: Die Privaten sollen gute Rahmenbedingungen haben, um wirtschaftlich zu arbeiten und sich nicht auch aus dem Gebührentopf bedienen», schreibt Rickli auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Das heisst: keine 50 Millionen mehr pro Jahr für Regionalfernsehen und Lokalradios.
Die Konsequenzen wären absehbar: Ohne das Geld, das heute fliesst, kann die föderalistische Radiolandschaft, die das Parlament so gewollt hat, nicht aufrecht erhalten werden. Das sagt Martin Muerner, Sendeleiter von Radio BeO und Leiter der Gebührenradiogruppe Schweiz, ein Zusammenschluss aller Lokalradios mit Gebührenanteil. Dennoch hat Muerner keine Angst vor der radikalen Forderung: «Ich gehe davon aus, dass bei einer Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes das föderalistische Modell mit dem Gebührensplitting als Marktausgleich nicht angetastet wird.» Das hätten ihm auch SVP-Exponenten versichert. Schliesslich befinde sich ein Grossteil der Gebührenradios in ländlichen Regionen, wo die Partei stark sei.
Martin 22. Juni 2011, 11:03
Was ist an staatlich subventionierten Radio- und Fernsehsendern noch privat?