von Nick Lüthi

Problem erkannt, Entscheid vertagt

Kein Entscheid ist auch ein Entscheid: Zwar teilt der Bundesrat die Einschätzung der Wissenschaft, wonach der freie Markt alleine die Vielfalt und Qualität der Medien nicht zu sichern vermöge – vertraut aber dennoch auf den Markt. Trotz konkreten Handlungsempfehlungen entscheidet sich der Bundesrat zum Nichtstun. Zu diesem Null-Ergebnis kommt die Landesregierung in ihrem Bericht als Reaktion auf das Postulat «Pressevielfalt sichern».

Zwei Jahre nachdem SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr den Prozess ins Rollen gebracht hatte, reibt man sich verwundert die Augen: Was der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat «Pressevielfalt sichern» festhält, hätte er genauso gut ohne den Aufwand von sechs wissenschaftlichen Studien und Kosten in der Höhe von 445’000 Franken entscheiden können; wenn denn überhaupt von einem Entscheid gesprochen werden kann. Denn der Bundesrat hält an der bisherigen indirekten Presseförderung fest, mittels verbilligter Posttaxen und reduzierter Mehrwertsteuer, und er will anstatt neue Massnahmen zu prüfen, lediglich «die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen» und in vier Jahren «erneut eine Standortbestimmung vornehmen». Vermutlich mit wissenschaftlichen Studien.

Der 46-seitige Bericht, den der Bundesrat nun veröffentlicht hat, ist trotz des Nicht-Entscheids sehr aufschlussreich. Denn er zeigt, wo die Landesregierung in einer zentralen medienpolitischen Frage steht: Der Bundesrat setzt bei der Presse auf «Eigenverantwortung und Selbstregulierungsfähigkeit der Medien». Damit stützt er die Position der Verleger und der «pressenahen Verbände», die in ihren Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung für den Status quo plädierten und jegliche weiterreichenden Eingriffe, wie etwa eine direkte Presseförderung oder die Einrichtung einer «Stiftung Meinungsvielfalt Schweiz»  ablehnten, teils «kategorisch». Mehr Markt bedeutet aber nicht automatisch mehr Qualität im Journalismus. Das weiss auch der Bundesrat.

Dennoch hat er entschieden, keine einzige Fördermassnahme prüfen zu wollen, die ihm die Wissenschaft in ausführlichen Studien vorschlägt. Was auch heisst: mit der Arbeit der Forscher konnte er wenig anfangen. Für künftige Übungen mit einer vergleichbaren Anlage, muss die Rolle der Wissenschaft genauer definiert werden. Nur um das akademische Feigenblatt für einen Nicht-Entscheid abzugeben, lohnt sich der Forschungsaufwand nicht wirklich.

Leserbeiträge

Max Peyer 30. Juni 2011, 10:53

immerhin hat der forschungsaufwand eine rege diskussion über die medienlandschaft in der schweiz ausgelöst, dünkts mich.
und es war sehr erhellend, welche vorurteile und einstellungen gewisse journalistische kräfte gegenüber der wissenschaft pflegen…

Vinzenz Wyss 30. Juni 2011, 21:48

Schoene Analyse. Am Schluss gehts aber arg journalistisch in die Zielgerade. Die Wissenschaft vermag schon zu Rationalisierng von Entscheidungsgrundlagen beitragen. Auch in diesem Fall. Da muss man sich keine Sorgen machen. Wissenschaftler sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen, zudem tauschen sie ihre Befunde unter transparenten Bedingungen international aus. Da ist das Marktversagen bezueglich journalistischer Qualitaet ein alter Hut und man macht sich laecherlich, wenn man das Gegenteil behaupten wollte. ABER: Wissenschaftliche Rationalitaet ist eben nicht politische oder wirtschaftliche oder religioese Rationalitaet. Der Bundesrat richtet sich an einer politischen Logik aus. Da gehoert das Nichtstun dazu und das gehoert zum Spiel des Politischen. Die Frage ist, wie lange man das aushalten kann. Irgendwann holt die Realitaet auch die Politik ein. Wissenschaft ist es gewohnt, dass sie in einer eigenen Welt lebt und meistens kann sie damit gut leben.

Christian 02. Juli 2011, 07:55

Die Geschichte hat mich zu einem kleinen Storify-Experiment veranlasst:
http://sfy.co/CSR