von Nick Lüthi

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Die Grenzen zwischen einer freundlichen Geste und dem unzulässigen Geschenk sind fliessend. Deshalb sollten Journalisten, wann immer möglich die Finger von Zuwendungen lassen. Doch das ist einfacher gesagt als getan, denn Verlockungen lauern überall und dagegen zu widerstehen ist nicht immer einfach.

Was sind schon 500 Franken bar auf die Hand gegen eine Woche gratis Fünfsternehotel in der sonnigsten Ecke Europas mit Privatchauffeur und kostenlosem Alkoholkonsum? Der zugesteckte Umschlag mit den Banknoten passt einfach besser ins gängige Bild der Bestechung. Doch der Gegenwert der «Pressereise» dürfte mindestens das Fünffache der Barzahlung tendieren.

In seiner jüngsten Ausgabe berichtet «Der Sonntag», wie eine Zürcher Tourismusmarketing-Firma Journalisten für die Teilnahme an einem Anlass mit 500 Franken entschädigt hat. Redaktoren von Sonntagszeitung und NZZ hätten das Geld angenommen (um es der Ressortkasse abzuliefern), schreibt «Der Sonntag», andere mit Verweis auf die Gefährdung ihrer Glaubwürdigkeit dankend abgelehnt.

Dass dies kein Einzelfall ist, sondern einfach ein besonders augenfälliges Beispiel für die alltäglichen kleineren und grösseren Geschenke, mit denen die Medien in Versuchung geführt werden, weiss jeder Journalist. Nur spricht niemand gerne darüber. Gegen das schlechte Gewissen, wenn man einmal doch nicht hat widerstehen können und sich als informeller Werbeschreiber für eine Tourismusdestination anheuern liess – um ein weitverbreitetes Beispiel zu nehmen –, gibt es verschiedene Rechtfertigungsstrategie.

  • Die Pressereise als quasi-legitimer Naturallohnanteil.
  • Wenn sonst niemand will, wäre es ja schade, das Angebot ungenutzt vorbeiziehen zu lassen.
  • Die Einladung wird ja deklariert im Artikel.
  • Ich berichte auch kritisch und erwähne den Gastgeber nicht und seine Angebote nur in der Faktenbox.
  • Wir können auch noch über politische und nicht nur über touristische Aspekte der Region berichten.
  • Kann ja nicht so schlimm sein, wenn es die beste Freundin auch schon gemacht hat.

Im Kodex der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten steht: «Journalisten nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken.» Die Finanzierung einer Reise für Reisejournalisten kann man durchaus als geeignet ansehen, die Unabhängigkeit der Berichterstattung einzuschränken. Es geht nicht einmal darum, ob sie es tatsächlich tut, sondern dazu führen könnte. Grösste Zurückhaltung wäre also geboten. Umso mehr, weil solch gekaufte Berichterstattung meist in langweilige Texte mündet.

Doch wann wird es heikel? Schon beim Stehlunch nach der Medienkonferenz oder dem UBS-Stick mit der Präsentation drauf? Oder ist es erst beim DAB-Radio angebracht, nein zu sagen? Was ist mit dem Champions-League-Ticket? Es gibt die Weinflaschenregel: Der Tropfen zu Weihnachten als Goodwill-Geste für die gute Zusammenarbeit liegt drin, findet etwa der Presserat. Es gibt also Spielraum. Das ist auch gut so. Wie Journalisten Kritik einstecken müssen, sollen sie auch Wertschätzung erfahren dürfen und sei es in Form eines kleinen Geschenks.

Eine entscheidende Rolle spielen die Vorgesetzten. Sie stellen Regeln auf und können z.B. die Teilnahme an Pressereisen verbieten oder die Weinflaschenregel etablieren. Nur ist das leichter gesagt als getan, wenn der Chef selbst der grösste Reisejournalist ist. Letztlich liegt es an den Journalisten, nein zu sagen. Das ist auch ein klares Signal an diejenigen, die sich mit Geschenken eine Wohlgesinnung der Medien zu kaufen erhoffen.

Bild: Flickr/Bob Therina (CC BY-SA 2.0)

Leserbeiträge

Vladimir Sibirien 05. September 2012, 07:12

Dazu folgender, aktueller Artikel:

„Sawiris Leute bezahlen Urner Journalisten für PR-Texte

Vielleicht sollten zukünftige Artikel gekennzeichnet sein, wenn sie NICHT irgendwie gesponsert sind. Z.B. mit einem Bio-Label für fairen Journalismus…

Christian Bütikofer 05. September 2012, 19:37

Etwas ging vergessen: Je mehr sich die Verlage aufs Geldsparen konzentrieren, desto mehr finden solche Abhängigkeiten Platz. Zwei Beispiele: Für IT-Events vor Ort zu zahlen (Hotel, Flug), ist kein mir bekannter Verlag bereit. Ebenso für Reiseberichte: Das wird praktisch immer bezahlt – nicht von den Redaktionen, nicht von den Verlagen, aber von der jeweiligen PR-Agentur.

Christoph Hugenschmidt 11. September 2012, 12:08

Als spezialisierte „Fach-Journalisten“ sind wir laufend mit „Geschenken“ (vom USB-Stick bis zum teuren Smartphone) konfrontiert. Zudem werden wir sehr oft zu Firmen-Anlässen weltweit eingeladen. Wir haben versucht, die Problematik in unserem Redaktionsstatut zu regeln:

Nicht ganz einverstanden bin ich mit dem Schuss in Nicks Kommentar. Klar ist jedeR JournalistIn für die eigene Sauberkeit verantwortlich. Aber es ist auch Aufgabe der Verlage wie auch der PR-Abteilungen, die Rolle von Medien zu verstehen und das Verhalten von Medienschaffenden klar zu regeln.