von Nick Lüthi

Grössere Meinungsvielfalt, kritischere Fragen

Seit einem halben Jahr leitet Isabelle Jacobi (44) das «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF. Die Nachrichtensendung zählt zwar immer noch den meistgehörten, verliert aber kontinuierlich Hörerinnen und Hörer. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, versucht Jacobi mit monothematischen Sendungen ein jüngeres Publikum anzusprechen. Im Gespräch mit der MEDIENWOCHE erklärt die Journalistin zudem, dass das «Echo» ein grössere Meinungsvielfalt bei den Experten in der Sendung anstrebt und sie kritischer befragen will.

MEDIENWOCHE: Sie leiten eine der wichtigsten Nachrichtensendungen der Schweiz. Dennoch kennt man Sie selbst in Medienkreisen kaum. Suche Sie die Öffentlichkeit bewusst nicht?
Isabelle Jacobi: Ich erlebe die momentan geringe öffentliche Präsenz nicht als Nachteil. Hinter den Kulissen nehme ich massgeblich Einfluss als Redaktionsleiterin. Ausserdem produziere ich weiterhin selbst Ausgaben vom «Echo der Zeit» und bin so ins journalistische Tagesgeschäft eingebunden.

Sie arbeiten, mit Unterbrüchen, seit 1996 bei Radio DRS, heute SRF. War die Redaktionsleitung vom «Echo der Zeit» ein Traumjob?
Radiojournalistin an und für sich ist für mich ein Traumjob. Da kommen verschiedene Sachen zusammen, wo ich mich leidenschaftlich eingeben kann. Ich liebe die politische Analyse und ebenso das Radiohandwerk. Das Gestalterische und die Dramaturgie liegen mir beim «Echo» sehr am Herzen, obwohl im hektischen Informationsjournalismus dafür nicht so viel Zeit bleibt, wie etwa bei DRS 2, wo ich aus dem Vollen schöpfen konnte.

Wo erkennt man im «Echo» Ihre Handschrift?
Ich muss die wichtigen Richtungen vorgeben. Da bin relativ entscheidungsfreudig. Während des Tages tragen dann die Produzenten die Verantwortung. Ich muss nicht jede Minute kontrollieren, was sie tun, sondern Freiräume schaffen, wo sie ihre Kreativität ausleben können. Ausserdem bin ich überhaupt nicht stur und lasse mich gerne beraten. Am Ende habe schon ich das letzte Wort. Das nutze ich aber eher als eine Art Vetorecht.

Das «Echo» ist auf Zuträgerdienste angewiesen der verschiedenen Redaktionen, von Ausland bis Wirtschaft, sowie auf der Korrespondenten im In- und Ausland. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?
Das läuft nicht immer reibungslos. Wir sind zum Beispiel dafür bekannt, dass wir die Beiträge ausführlich redigieren, wir korrigieren nicht nur fehlerhafte Grammatik, sondern schauen auch, wie eine Geschichte erzählt wird. Da gibt es manchmal Konflikte. Aber die dienen letztlich dem Programm. Es gibt auch Tage, da liegt bei Sendungsbeginn noch kein einziger Beitrag vor. Da wird man schon nervös. Aber Stress gehört zum Radiogeschäft, das wissen alle im Haus.

Sie sind in grosse Fussstapfen getreten. Ihre beiden Vorgänger, Casper Selg und Markus Mugglin, sind prominente Radiofiguren. War das eine Starthypothek?
Ich kenne und schätzte die beiden als Arbeitskollegen sehr. Wir korrespondieren auch mental. Deshalb gibt es eine grosse Kontinuität. Ich leide aber nicht darunter, dass ich weniger bekannt bin.

Worin unterscheiden Sie sich von den Vorgängern?
Im Unterschied zu meinen Vorgängern interessiere ich mich vielleicht etwas stärker für die Teamdynamik und sehe mich nicht nur als publizistische Leiterin.

Ein Markenzeichen des «Echo» sind die Expertengespräche. Wie gross ist die Versuchung, mit der Auswahl der Experten, eine politische Tendenz einzubringen?
Das ist eine gute Frage. Die Experten versuchen wir natürlich möglichst sachgerecht auszuwählen. Wir wählen Leute, die eine grosse Kenntnis vom Thema haben. Um verschiedene Perspektiven einzubringen, arbeiten wir auch mit unterschiedlichen Experten zusammen.

Eine Zeit lang waren Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP aus Berlin Stammgäste im «Echo». Als Hörer hat man nie erfahren, dass die SWP eine regierungsnahe Organisation ist.
SWP-Experten – die meistens fundierte Kenner ihrer Region sind – kommen bei uns heute eher weniger zu Wort als früher. Denn wir arbeiten daran, die Vielfalt der Experten zu erhöhen und die Qualität der Gespräche zu steigern. Unsere Expertengespräche, eines unserer Markenzeichen, sind zwar gut, aber sie können noch besser werden. Wir müssen uns deshalb besser überlegen, mit wem wir weshalb worüber sprechen, und die Experten auch kritischer befragen.

Unterstellt das Publikum dem «Echo» eine politische Tendenz?
Interessanterweise erhalten wir aus sehr verschiedenen politischen Ecken Rückmeldungen. Für mich ist das ein gutes Zeichen, weil wir offenbar nicht auf die eine oder andere Seite neigen.

Wie gehen Sie mit diesen Reaktionen um?
Ich nehme sie sehr ernst und versuche sie angemessen und seriös zu beantworten. Denn die kritischen Fragen, die unsere Hörer stellen, sind nicht dumm, einfach manchmal etwas aggressiv formuliert. Da stehe ich hin und argumentiere.

Viele Leute informieren sich heute während des Tages ausführlich über das Nachrichtengeschehen. Das «Echo» wird am Abend ausgestrahlt. Wird das zunehmend zum Nachteil?
Da hat sich in den letzten Jahren schon etwas verändert. Jahrzehntelang hatte das «Echo» eine einzigartige Stellung. Das ist heute nicht mehr so. Aber publizistisch finde ich das kein Problem. Im Gegenteil. Am Abend haben wir die Übersicht über die Ereignisse des Tages und können bereits fundiert analysieren. Unser Anspruch ist es, Tagesaktualität einzuordnen.

Das «Echo» verliert kontinuierlich Zuhörer. Was unternehmen Sie dagegen?
Eine konkrete Massnahme sind monothematische Sendungen, die wir nun eingeführt haben. Im letzten Herbst machten wir eine Sendung über «Twitter und Politik» oder eine über «Die Deutschen und wir». Über solche Ereignisse können wir uns besser verkaufen. So auch in den letzten Tagen wieder mit dem «Echo-Forum», das wir in Zusammenarbeit mit unserer Schwestersendung «Forum» von RTS realisiert haben. Für den Herbst planen wir eine Bildungstrilogie, bei der wir an je einem Tag an eine Universität, eine Fachhochschule und an eine Gewerbeschule gehen, klar auch mit dem Ziel, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Grundsätzlich werde ich aber das «Echo» weiterführen, wie es ist, weil es eine Sendung mit einer sehr hohen Akzeptanz und Glaubwürdigkeit ist.

Das Interview ist eine gekürzte und redigierte Fassung des «Journitalk» vom Montag 22. April mit Isabelle Jacobi im Berner Käfitgturm unter der Leitung des Autors.

Leserbeiträge

Fred David 26. April 2013, 08:36

Frauen trau ich mehr zu, Journalismus wieder zu einem ernstzunehmenden Handwerk zu machen. Ein wesentlicher Faktor dabei: Sie nehmen sich selber als Person nicht so furchtbar wichtig wie die Pfauen-Männer. Und: Sie sind weniger bestechlich, sieht man übrigens auch in der Politik. Das kann dem Journalismus nur guttun. Frauen an die Front!

Mark 26. April 2013, 08:57

Für mich sind monothematische Sendung ein Grund, um das Radio auszuschalten. Am Echo der Zeit schätze ich gerade die Themenvielfalt, der Mix aus schweizerischen und internationalen Themen, genau in der richtigen Länge, um Hintergründe vermitteln zu können und dennoch nicht zu weitläufig zu werden.

Fred David 26. April 2013, 09:18

@)Mark, mit den monothematischen Sendungen sehe ich das auch so. Das wird nicht funktionieren. Auch Printmagazine versuchen das öfters mal wieder. Es funktioniert in den seltensten Fällen. Eigentlich nie.

Frank Hofmann 26. April 2013, 14:44

Der Sendung fehlt es massiv an Lebendigkeit, Spontanität, Debatten. Der Hörer hat den Eindruck, dass ihm da eine Zeitung vorgelesen wird. Alles ist perfekt ausgewogen und zugefeilt, staatsnah, gouvernemental. Mindestens war es bis vor 2 J. noch so, seither höre ich nur noch „Forum“ auf RTS. Was mich dort stört, ist einzig Couchepin, der fast wöchentlich seine Moutarde absondert. Casse-toi, v.c.

Dani Brandt 13. Mai 2013, 23:00

Ah, die Frau Jacobi, Echo der Zeit und die Experten, wie Rüdiger «Kim Jong Un ist sehr rational» Frank oder der Lobbyist Michael Lüders! Peinlicher gehts wohl kaum und es ist kein Wunder, dass sie Zuhörer verlieren. Wer will schon „Die altuelle Kamera 2.0“ hören?
Ich hatte das Vergnügen mich mit Frau Jacobi zu unterhalten. Siehe: http://etwasanderekritik.wordpress.com/2013/04/05/srf-und-rudiger-kim-jong-un-ist-sehr-rational-frank/

Marco Wyser 14. Mai 2013, 09:22

Ich habe mir die Kritik auf dem Blog angetan und komme zum Schluss, dass selbst das schlechteste Echo der Zeit-Interview der letzten 20 Jahr niveaumässig weiter über diesem liegt.

Dani Brandt 28. Mai 2013, 12:23

@ Marco Wyser
Meine Kritiken dürfen schlecht sein. Die werden auch nicht mit Zwangsgebühren finanziert. Das ist aber der Fall bei Frau Jacobi, Leiterin «Echo der Zeit»!
Und nebenbei mir würde nie in den Sinn kommen Rüdiger Frank oder Michael Lüders als Experten zu bezeichnen. Und ich bin noch keine Journalistin!