Mit wenig zufrieden
Google bietet jetzt auch Schweizer Medien die Möglichkeit, ihre Inhalte selbstständig auf Google News zu präsentieren. Die Verlage haben sich nicht zweimal bitten lassen. Ihr Jubel über das neue Angebot zeugt auch von Rat- und Fantasielosigkeit.
Die Neuerung nimmt sich ganz und gar unspektakulär aus. Auf der Site news.google.ch gibt es seit letzter Woche eine neue Rubrik. Am rechten Rand unter dem Titel «Redaktionsempfehlungen» können Schweizer Medien nach eigenem Gutdünken Links zu ihren Artikeln präsentieren. Damit gewährt ihnen Google eine gewisse Autonomie bei der Mitgestaltung des Nachrichtenaggregators Google News. In der Hauptspalte entscheiden dagegen weiterhin Algorithmen über die Platzierung auf der Seite.
Eine grosse Suchhilfe bietet die neue Rubrik dem Leser allerdings nicht. Die Redaktionsempfehlungen werden nur mit einer – oft nichtssagenden – Titelzeile angekündigt. In der algorithmisch generierten Rubrik dagegen erscheinen die Artikel mit dem Lead, was dem Lesern den Klickentscheid doch erheblich erleichtert. Trotzdem ist man des Lobes voll: Ein «sinnvolles Instrument für Verlage», «prominente und attraktive» Präsentation, klingt es begeistert aus dem Redaktionsstuben. Der Jubel ist nicht ohne Ironie: Den Verlagen war bisher Google News ein Dorn im Auge genau wegen den Textanrissen. Das sei ein urheberrechtlich unlauteres Vorgehen. Nun geben sie sich mit einer wesentlich unattraktiveren Präsentationsform zufrieden.
Die Verlage mögen sich sagen: Nützt es nicht, so schadet es auch nicht. Der Aufwand für die Redaktionsempfehlungen hält sich schliesslich in Grenzen. Sie können sogar automatisiert erfolgen mit einem verlagsseitig konfigurierten RSS-Feed. So weit so pragmatisch: Google News ist ein Nischenangebot. Der Traffic, der von hier auf News-Seiten gelenkt wird, hält sich bescheiden im einstelligen Prozentbereich. Diesen geringen Verlust verzeichneten 154 Zeitungen aus Brasilien, nachdem sie ihre Online-Inhalte von Google News fernhielten. Die Titel haben den Verlust schnell kompensiert und Googles Ärger über die fehlenden Artikel dürfte sich in Grenzen halten.
Das Beispiel Brasiliens zeigt, dass es für Zeitungsverlage auch Wege ausserhalb vom Google-Imperium gibt, um ein interessiertes Publikum zu erreichen. Aber Google macht es einem auch leicht, seine Dienste zu nutzen. Verlagshäuser lassen ihre E-Mails und Kalender von Google verwalten, Journalisten schwärmen von der Google-Brille, Streetview-Bilder nutzen Redaktionen als Gratis-Content – und nun kann die Branche auch den Redaktionsempfehlungen nicht widerstehen.
Diese jüngste – ungleiche – Partnerschaft mit der Internet-Supermacht will man aber nicht als Präjudiz für künftige Verhandlungen mit Google verstanden wissen. Das sei «kein Abrücken von irgendwelchen Positionen und Forderungen», kommentiert Luzi Bernet, Nachrichtenchef der NZZ. Bei Ringier und Tamedia klingt es gleich. Der Schritt ist breit abgestützt und erfolgte auch «im Sinne des Verbandes», wie Urs F. Meyer, Geschäftsführer vom Verband Schweizer Medien, sagt.
Solche Unbekümmertheit im Umgang mit Google überrascht doch einigermassen. Gilt doch der Suchkonzern vielen Verlagsoberen als Verkörperung des schädlichen Schmarotzertums und der ungeliebten Gratiskultur im Internet. Nun kriegen die Medien ein bisschen Auslauf im ansonsten streng reglementierten Google-Imperium und schon jubeln sie. Die Argumentation gegen Googles missliebiges Geschäftsgebaren macht das sicher nicht glaubwürdiger. Wenn die Konstellation schon an David und Goliath gemahnt, dann vermisst man bei den Verlagen die Cleverness des kleinen Hirtenjungen.
Wer die Dominanz des Quasimonopolisten schädlich findet, sollte sich ihm nicht bei der billigsten Gelegenheit an die Brust werfen, sondern nach Alternativen suchen. Die gibt es durchaus. (Wenn auch bei anderen Giganten, aber immerhin nicht nur beim ewig gleichen Google.) Schweizer Medien auf tumblr? Fehlanzeige. Schweizer Medien auf Instagram? Fehlanzeige. Beides Plattformen mit einem aktiv kommunizierenden Millionenpublikum. So gesehen zeugt die Begeisterung für das neue Google-Angebot auch von Rat- und Fantasielosigkeit bei der Suche nach neuen Wegen, die eigenen Inhalte im Netz zu streuen.