(K)einen Schritt weiter
Mehrere hunderttausend Swisscom-Kunden können ab sofort die HbbTV-Dienste der SRG nutzen. Inhalte, die bisher nur online zur Verfügung standen, gibts nun am TV. Die Kooperation bringt die vom Bundesrat weiterhin angestrebte Regulierung des Teletext-Nachfolgers keinen Schritt voran.
Anders als bei gedruckten Medien, wo das neue Layout am Tag X vollumfänglich zur Verfügung steht, dauert es bei elektronischen Medien oft Jahre, bis sich ein neues Format etabliert hat. Gegenwärtig kann man das beim Relaunch des Teletext beobachten.
Mit HbbTV (Hybrid Broadband Broadcast TV) steht die Nachfolgetechnologie längst in den Startlöchern. Damit können Sender zum Beispiel ihre Online-Mediatheken am TV zugänglich machen oder Live-Streams zeigen, die heute nur auf Computer, Tablet oder Smartphone zugänglich sind. Ebenso dienst HbbTV als Teletext-Ersatz für Kurznachrichten, neu aber mit Bild.
Einzelne kleinere Kabelnetzbetreiber stellen den Dienst bereits heute zur Verfügung. In der Westschweiz hat die SRG den multimedialen Informationsdienst schon vor drei Jahren getestet. Der Nutzer profitiert auch von den bereits zahlreichen ausländischen Sender, die entsprechende Angebote zu ihren Programmen bereitstellen.
So richtig in die Gänge ist die Neuerung aber bisher nicht gekommen. Auch deshalb nicht, weil Kabelnetzbetreiber und andere Programmweiterverbreiter nicht verpflichtet sind, HbbTV aufzuschalten. Ein Versuch, in der Radio- und Fernsehverordnung eine Verbreitungspflicht für den Teletext-Nachfolger festzuschreiben, scheiterte im ersten Anlauf. Das Bakom schrieb in der Verordnung quasi ein SRG-Wunschprogramm und rechnete wohl nicht mit dem Widerstand der anderen betroffenen Akteure.
Gegen eine gesetzliche Regulierung von HbbTV stellten sich insbesondere Swisscom und die grossen Kabelnetzbetreiber. Ihr Verband Swisscable droht weiterhin mit dem Gang vor Gericht, sollte die Verordnung dahingehend ergänzt werden. Zur Zeit liegt die Revision auf Eis. Der Bundesrat hat HbbTV aus der Vorlage zurückgenommen und nur die übrigen Teile in Kraft gesetzt.
Unabhängig von der ungeklärten Rechtslage haben sich Swisscom und SRG jetzt darauf verständigt, dass Nutzer von Swisscom TV 2.0 ab sofort auf die HbbTV-Dienste der SRG zugreifen können. Bereits Ende 2014 hatten 250’000 Haushalte die neueste Generation des TV-Angebots von Swisscom installiert. Heute dürften es entsprechend mehr sein.
Mit dem jüngsten Schritt der beiden Schwergewichte erhält der Teletext-Nachfolger HbbTV den bisher grösste Schub. Mit ihrem Entscheid, das Angebot der SRG zugänglich zu machen, öffnet Swisscom seine TV-Plattform für einen Wettbewerb der Zusatzdienste. Swisscom selbst bietet bereits heute – unabhängig von HbbTV – auf ihrer TV-Plattform eine ganze Reihe interaktiver und multimedialer Funktionen an, die sich mit der Fernbedienung anwählen lassen. Die neue Vielfalt ist für den Nutzer eine gute Nachricht. Er kriegt eine Auswahl und kann sich für den besseren Dienst entscheiden. Oder im Idealfall beide nutzen.
Zur Frage, ob die TV-Plattformen (v.a. IPTV und Kabelnetze) per Verordnung dazu gezwungen werden sollen, die Zusatzdienste der Programmanbieter (Sender) aufzunehmen, herrscht weiterhin grosse Uneinigkeit. Vor dem Hintergrund des Swisscom/SRG-Deals werden die Gespräche des Bakom mit der Branche im Mai unter neuen Vorzeichen stattfinden.
Die Kabelnetzbetreiber werden die Einigung von Swisscom und SRG als Beleg dafür ins Feld führen, dass es eben gerade keine Regulierung brauche. «Eine Privilegierung von HbbTV durch den Gesetzgeber ist absolut unnötig», schreibt Matthias Lüscher vom Verband Swisscable. Auch Swisscom teilt diese Haltung, wie Sprecher Olaf Schulze festhält: «Wo Dienste freiwillig erbracht werden, besteht keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Pflicht.» Allerdings schlägt das frühere Staatsunternehmen weniger harsche Töne an als die Kabelnetzbetreiber. Die Vereinbarung mit der SRG zeigt auch, dass Swisscom bereit ist, auf vertraglicher Basis, ohne Regulierung, die Dienste aufzuschalten.
Trotz dieses für die Entwicklung des eigenen HbbTV-Angebots wichtigen Schritts, hält die SRG an der Forderung fest, den Bereich zu regulieren, nicht alle Netzbetreiber seien so zugänglich wie die Swisscom, schreibt SRG-Sprecher Daniel Steiner. Damit könnte er Cablecom meinen, das HbbTV aus «technischen Gründen» im digitalen Angebot («Horizon») nicht zur Verfügung stellt. Man biete «heute schon gleichwertige Dienste wie Replay und Apps an», teilt das Unternehmen seinen Kunde mit. Auch bei Sunrise TV gibt es kein HbbTV.
Für die SRG ist der zusätzliche Vektor auch für die Kommerzialisierung von strategischer Bedeutung. Im gescheiterten Verordnungsentwurf war davon die Rede, dass Werbung möglich sein sollte, allerdings nur in Text und Bild. Die SRG möchte hier auch Bewegtbild und interaktive Formate einsetzen können. Sie sieht die geforderte Durchleitungspflicht für HbbTV quasi als Gegenleistung für die Privilegierung der Plattform- und Netzbetreiber, die ohne Vertrag das Signal der Sender weiterverbreiten und teilweise kommerzialisieren dürfen. Es geht also auch hier: ums Geld.
Auch um Gebühren. Die SRG argumentiert auch dahingehend, dass sie im Bestreben um einen effizienten Einsatz der Mittel, dort präsent sein will, wo das Publikum mit seinen Bedürfnissen hingeht. Also auch zu multimedialen Zusatzdiensten, die immer stärker in den Fokus rücken mit dem Smart-TV als Standardausstattung in einer Mehrheit der Haushalte.
Wie weiter nun? Beim Bakom betont Susanne Marxer, die für das Dossier zuständige Co-Sektionsleiterin Recht, dass sich an er Ausgangslage für die Revision nichts geändert habe. «Die Fragestellungen sind durch die neuesten Entwicklungen bei Swisscom-TV nicht gelöst», schreibt Marxer auf Anfrage. Bei den anstehenden Anhörungen in den kommenden Wochen müsste schon ein Wunder geschehen, damit eine Lösung gefunden wird, die allen Mitspielern passt.
Felix Hürlimann 20. April 2015, 00:45
Ist es nur Zufall, dass die HbbTV-Einigung mit der Swisscom zweieinhalb Wochen nach dem Informatik-Deal der SRG mit der Swisscom bekannt wurde?