von Michael Ziesmann

So verändert Admeira das Spielfeld

Mehr als die Summe seiner Einzelteile: Admeira, das Gemeinschaftsunternehmen von Swisscom, Ringier und SRG, kann nicht nur Werbevermarktung. Der neue Player begibt sich mit seinen Angeboten auch auf das Terrain der Mediaagenturen und verändert so das Spielfeld.

Admeira ist nicht nur eine Kampfansage an andere Medienhäuser und -vermarkter wie Tamedia oder Goldbach Media. Admeira ist auch eine Kampfansage an Mediaagenturen. Denn Admeira verkauft nicht nur Werbeplätze der drei beteiligten Unternehmen Swisscom, Ringier und SRG, Admeira plant nicht nur den Medieneinsatz, sondern stellt auch je nach Zielsetzung einer Kampagne individuelle und vor allem crossmediale Konzepte zusammen.

Admeira vereint nicht weniger als 80 Medienmarken, die laut Medienkonsumstudie 2016 zusammen 95 Prozent der Schweizer Bevölkerung erreichen. Deshalb schafft Admeira mit diesem umfassenden Portefeuille die Voraussetzungen für individuelle und medienübergreifende Gesamtlösungen für seine Kunden – im Kern also genau das, was bisher nur Mediaagenturen leisten konnten. Das trifft auch auf neue Werbeformen zu, etwa interaktive Angebote fürs Fernsehen. Und zwar zukünftig nicht nur über die wenig verbreiteten Smart-TV-Geräte, sondern über das populäre Swisscom-TV . So können seit Anfang April TV-Werbekunden erste interaktive Möglichkeiten nutzen, indem Fernsehwerbung – wenn sie denn auf einem internetfähigen Gerät konsumiert wird – direkt mit Angeboten der Werbekunden auf einer Website verknüpft werden.

Das Admeira Digital Network führt Webseiten mit Werbeformen in TV und Print zusammen. Daraus bilden sich thematisch fokussierte Kombinationen wie «Kombi Serien» oder «Kombi People». Oder Pakete, die sich auf bestimmte Werbeziele fokussieren, wie «Kombi Reach national» – also dem schnellen Aufbau von maximaler Reichweite. Oder die «Kombi HHF national» – also das zielgruppenspezifische Paket, um haushaltsführende Personen crossmedial zu erreichen.

Neben diesen crossmedialen Standard-Paketen will Admeira gemeinsam mit den Werbeauftraggebern individuelle Lösungen entwickeln. Je nachdem, was als Kampagnenziel definiert wird: schneller Reichweitenaufbau für schnell drehende Konsumprodukte wie Jogurt oder Waschmittel (Fast Moving Consumer Goods, FMCG), langfristige Image- oder Sponsoring-Kampagne zur Steigerung der Markenbekanntheut oder sehr individuelle Zielgruppen beispielsweise für hochwertige Investitionsgüter wie Autos.

Das entspricht durchaus den Erwartungen der Werbeauftraggeber: «Unsere Mitglieder erwarten grundsätzlich einfache und vorteilhafte Angebote über Mediengrenzen hinweg, welche ihnen helfen ihre Kommunikationsziele zu erreichen», sagt Roland Ehrler, Direktor des Werbe-Auftraggeberverbands SWA. Ende April wird Admeira den interessierten Verbandsmitgliedern die neuen Möglichkeiten präsentieren.

Martin Schneider, CEO von Admeira, geht davon aus, dass sein Unternehmen bieten kann, was die Werbeauftraggeber verlangen: «Unser Portfolio beinhaltet crossmediale und massgeschneiderte Kommunikationslösungen sowie Erweiterungen oder Kombination von Produkten zur Verstärkung der Wirkung. Werbekunden können auf Wunsch mit ihren Zielgruppen interagieren. Mittels Landing Pages, Shopping und Verknüpfung mit e-Commerce oder speziellen Rabatt-Angeboten. Die Interaktivität wird schrittweise ausgebaut. Bald auch auf Swisscom-TV, Tablets und Smartphones. Und in einem weiteren Ausbauschritt auf dem Big-Screen bei Swisscom-TV».

Mussten Werbeauftraggeber bisher bei Mediaplänen über mehrere Mediengattungen hinweg Mediaagenturen beauftragen, ermöglicht nun auch Admeira das individuelle Erstellen von Kommunikationslösungen, bei denen im besten Fall nicht mehr allein für die Tatsache bezahlt werden muss, dass Werbung stattfindet sondern fürdie konkret erreichten Werbekontakte. Und zwar bei quantitativen Zielgruppen aber auch bei qualitativ definierten Zielgruppen, die aufgrund der sehr präzisen Möglichkeiten mit TV-Werbung in Kombination mit den Daten der Swisscom möglich werden. Ob dies das Aussteuern von Werbekampagnen mittels Programmatic Buying über Mediengrenzen hinweg in Echtzeit möglich sein wird, und durch Native Advertising und Content Marketing ergänzt werden wird, ist im Detail zwar noch offen, erscheint aber als der nächste logische Schritt.

Denn das Kombinieren von Umfeldern verschiedener Print-Angebote von Ringier mit Sendungen der SRG auf der Basis der Daten der Swisscom – ergänzt durch interaktive Verknüpfung mit Webseiten und den Möglichkeiten des Internets – ist der grosse Mehrwert von Admeira gegenüber anderen Medienvermarktern aber auch Mediaagenturen. Diese sind in der Schweiz vermittelnd tätig und kaufen im Gegensatz zum deutschen Markt keine Werbeplätze auf eigenen Namen und eigene Rechnung, um dann selbst damit zu eigenen Preisen damit zu handeln.

Im Kern realisiert eine GroupM in Deutschland genau das was Admeira in der Schweiz umsetzt: das Kombinieren verschiedener Arten von Werbeplätzen, die zu einem vorher nicht vorhandenen Paket veredelt werden. Nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Werbeplätze, die Admeira vermarktet, nicht bei Dritten gekauft wurden, sondern ohne zwischengeschaltete Konstrukte direkt gegenüber den Werbeauftraggebern angeboten werden. Das könnte erklären, weshalb sich Mediaagenturen in der Diskussion über Admeira bisher auffallend zurückgehalten haben.

So verwundert es kaum, dass auch die deutsche Werbefachpresse Admeira erhöhte Aufmerksamkeit widmet. Denn der Strukturwandel der Werbewirtschaft findet nicht nur auf Medienseite oder auf Seiten der Werbeauftraggeber statt, sondern deshalb auch bei vermittelnd tätigen Marktteilnehmern.

Leserbeiträge

Markus Knöpfli 26. April 2016, 09:32

Man kann von Admeira halten, was man will. Eines ist aber klar: Herr Ziesmann hat das Businessmodell von Admeira gründlich missverstanden.

Admeira ist eine Vermarktungsfirma. Sie vertritt deshalb die Interessen ihrer Inventaranbieter, also der Medienunternehmen. Insofern ist ihre Tätigkeit ähnlich jener der (früheren) Publicitas, als diese noch Beteiligungen an Verlagen hatte oder Pachtverträge (von denen sie heute noch einige besitzt). Publicitas war und ist keine neutrale Vermittlerin, sondern vermarktet(e) aktiv primär ihre Pachttitel und vermittelt(e) auch jene Titel, die ihr dafür eine Kommission bezahlen. Gerade wegen dieser Parteilichkeit macht(e) die Publicitas die Mediaagenturen nicht obsolet, auch wenn sie ihnen viele Tools zur Verfügung stellte, die ihnen das Buchen bei Print (und Online) erleichter(te)n.

Bei Admeira ist es genauso: Hier tritt ein Riese auf, der die Reichweiten, Titel, Plattformen und Sender seiner Inventargeber an den Werbetreibenden bringen will. Letzterer kann wie bisher bei Publicitas das Angebot von Admeira unbesehen übernehmen und buchen. Doch er tut gut daran, dieses auf seine Interessen und Ziele hin zu überprüfen. Gerade weil dies wegen dem grossen Angebot, den vielen Daten und den neuen Technologien so anspruchsvoll ist, werden die Mediaageuren als Anwälte der Auftraggeber keineswegs überflüssig, sondern umso unerlässlicher.

Admeira (oder Publicitas) sind vergleichbar mit einem Supermarkt . Als budgetbewusster Konsument (=Werbeauftraggeber) komme ich nicht darum herum, mich mit meinen Haushaltsmitgliedern (=Mediaagentur) vor dem Betreten des Ladens zu beraten und einen Einkaufszettel zu erstellen. Denn erst, wenn ich genau weiss, was ich will und brauche, kann ich den Werbeverlockungen, der Produktevielfalt und den Aktionen widerstehen – oder sie zu meinen Gunsten nützen.

Nebenbei – und das hat Herr Ziesmann wohl übersehen, tritt Urs Schneider, Inhaber der grössten Schweizer Mediaagentur, in der Admeira-Einführungskampagne auf. Warum wohl?

Und noch etwas: Admeira mit der Groupe M zu vergleichen, ist völlig abwegig. Admeira ist ein Anbieter, kein Einkäufer.

Markus Knöpfli, freier Journalist in Basel

Michael Ziesmann 26. April 2016, 11:20

Besten Dank für Ihren Kommentar, lieber Herr Knöpfli.

Ich denke, dass Sie das Geschäftsmodell von Mediaagenturen gründlich missverstanden haben und daher zu unrichtigen Schlussfolgerungen gelangen.

Zuerst zu Ihrem Einwurf mit Urs Schneider. Da Mediaschneider die Swisscom als Grosskunden betreut, kann ich gut verstehen, dass er für Admeira sehr gerne als Testimonial wirbt. Damit ist Ihre Frage „Warum wohl?“ beantwortet, oder? 🙂

Mediaagenturen sind längst keine „Anwälte der Auftraggeber“ mehr. Kleine Independents mal ausgenommen – die dann aber wiederum den gewinnbringenden Einkauf von Werbeplätzen in Joint Ventures den Networks überlassen. Das sagt sogar der Chairman der GroupM selbst: „Media Agencies Aren’t Really ‚Agents‘ Anymore“.

Wie das W&V vorrechnete erlangen solche Mediaagentur-Gruppen nur noch ca. 20% ihrer Einnahmen aus Honoraren der Kunden. Die „restlichen“ 80% stammen aus dem Einkauf und Verkauf von Werbeplätzen auf eigenen Namen und eigene Rechnung zu eigenen Preisen – und Kickbacks aller Art.

Auch Mediaagenturen stellen Werbeplätze ihrer Kooperationspartner zu neuen Paketen zusammen, die es vorher nicht gab. Dann erfolgt eine „Veredelung“ mit Daten, die Firmen wie Xaxis oder Plista beisteuern. Und dann wird das alles „Trading“ genannt und Werbekunden zu eigenen Preisen verkauft. Oder um es mit Ihren Worten zu sagen: „Hier tritt ein Riese auf (60% Marktanteil, Anm.), der die Reichweiten, Titel, Plattformen und Sender der Inventargeber an den Werbetreibenden bringen will“. Ganz genau das realisiert z.B. eine GroupM. Und genau das wird gerade vom einflussreichen US-Werbekundenverband überprüft.

Das vermittelnde Geschäft, das Sie meinen, ist nur noch Mittel zum Zweck. Nämlich als Druckmittel auf Medien, um an „Trading-Inventar“ mit 90% Rabatt und mehr zu gelangen, um es Werbekunden mit 50% Rabatt zu verkaufen und den „Rest“ als Gewinn zu realisieren.

Der Unterschied zu Admeira: die Kooperationspartner haben kein Joint Venture mit diesen Mediaagentur-Gruppen und profitieren nicht von den 40%-Profitabilitäten, die diese realisieren. Insofern ist Ihre Sichtweise durchaus richtig – endete aber vor etwa 10 Jahren. Ein weiterer Unterschied ist es, dass dies bei Admeira – wohl – transparent erfolgt, ganz im Gegenteil zu Mediaagenturen, die ihre vermittelnde Tätigkeit mit ihren eigenen Geschäften vermischen.

Offenkundig hindern auch die geschäftsbesorgenden Strukturen in der Schweiz nichts daran, dass solche Kickbacks fliessen. Der BSW schrieb sogar ernsthaft, dass Mediaagenturen Rückvergütungen einbehalten wollen (Punkt 16). Als „Anwalt der Auftraggeber“ eher ungewöhnlich…

Dass Mediaagenturen längst Medienvermarkter geworden sind, Werbeplätze und Werbepakete selbst zusammenstellen und „veredeln“, aber gleichzeitig ernsthaft meinen, objektiv als „Anwälte der Auftraggeber“ beraten zu wollen, ist abwegig.

Oder würden Sie einen Steuerberater beauftragen, der gleichzeitig und überwiegend vom Finanzamt bezahlt wird? Oder einen Anwalt, der auch von der „Gegenseite“ bezahlt wird?

Michael Ziesmann 26. April 2016, 13:02

Aktueller Nachtrag: Für einen „Anwalt der Auftraggeber“ erscheint mir dieses aktuelle Zeugnis eher suboptimal:

„The analysis showed that in 73 percent of cases, the audit identified rebates which the agency had not returned to the client. “

„In 53 percent of cases, some form of access to relevant financial records was restricted by agencies.“

„In 59 percent of audits, FirmDecisions found insufficient or incomplete clauses in the contracts.“

„32 percent had insufficient audit rights.“