Unser Medienjahr in Good, Bad & Ugly
The Good – Die Kleinen sind die Guten
Das Muster lässt sich nicht übersehen. Und da stehen wir durchaus zu unserer Befangenheit als Kleinstmedium: Andere kleine und junge Medien geniessen die Sympathie der MEDIENWOCHE. Entsprechend oft würdigten wir 2021 an dieser Stelle Projekte, die der Monopolisierung im Medienmarkt etwas entgegensetzen. Das ist insofern unfair gegenüber etablierten Medien, als die Neuen erst noch liefern müssen, was sie versprechen. Vorschusslorbeeren ersetzen den Tatbeweis nicht. Doch sie können auch zu Höchstleistungen motivieren. Und hinter den meisten kleinen und jungen Medien, sei dies beim Satiremagazin «Petarde» oder dem Innerschweizer (Sub-)Kulturmagazin «Kultz», stehen gestandene Journalist:innen, die für Qualität bürgen.
Wenn wir ein «Good» des Jahres auswählen müssten, dann fiele uns der Entscheid zwar nicht leicht, aber es wäre vermutlich kein Jungmedium, sondern die Aufbereitung der Medien von vorgestern: Seit diesem Mai sind auf der Plattform «memobase.ch» über 100’000 historische Film- und Tonbeiträge aus schweizerischer Produktion zum freien Abruf bereitstellt. «Kaum je lud eine Online-Suchmaske so sehr zum Schmökern ein», schrieben wir. Und: «Für Journalist:innen werden damit Materialien, die sie bisher mit Aufwand sichten mussten, geradezu spielerisch greifbar.» Womit wir dann wieder in der Gegenwart angekommen wären.
The Bad – Schlecht für die Branche
Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Das wissen auch wir und profitieren schamlos davon, indem wir damit die «Bad»-Rubrik füllen. Aber wir wünschen uns, dass es anders wäre. Besonders bei den Abgängen, die wir immer wieder vermelden müssen. Ob die gestandenen Kollegen bei den Berner Tamedia-Zeitungen oder die zahlreichen Kündigungen bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF: Der Aderlass schwächt nicht nur die betroffenen Redaktionen, sondern die Medien insgesamt. Mit jedem Abgang gehen Fachwissen und Erfahrung verloren. Und das ist schlecht. Ins gleiche Kapitel gehören die Arbeitsbedingungen in der Branche. Der Verein Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz schlug im Juni Alarm: Viele junge Medienschaffende würden unter Stress leiden und im Berufsalltag ihre psychische Gesundheit riskieren. Umso erschreckender waren die teils zynischen Reaktionen älterer Kolleg:innen auf die berechtige Klage der Jungen – wobei die eigentlich in die nächste Rubrik gehören.
The Ugly – Wann wir den Kopf schütteln
Zugegeben, die Abgrenzung zwischen «Bad» und «Ugly» ist nicht immer einfach. Als verlässlicher Indikator taugt der Kopfschüttelfaktor: Je stärker man mit rhythmischen Seitwärtsbewegungen seines Haupts auf ein Vorkommnis reagiert, desto «uglier». Leider, und wir bedauern das wirklich, kommt das viel zu oft vor. «Ugly» ist aber auch jene Rubrik, die wir am häufigsten nochmals komplett neu schreiben, weil wir am «Ugly»-Gehalt der ersten Version zweifeln.
Statistisch gesehen schüttelten wir 2021 den Kopf besonders häufig, wenn die SRG-Familie wieder irgendetwas angestellt oder unterlassen hat. Ob Bankensponsoring in der Kindersendung, schlampige Untersuchung der Belästigungsvorwürfe bei RTS oder unkritische Talk-Gastgeber – die Liste ist lang und wir wünschten uns, sie wäre kürzer. Aber die SRG ist gross und steht stärker im Rampenlicht als die private Konkurrenz. An ein öffentlich finanziertes Medienunternehmen darf – ja, muss – man strengere Massstäbe anlegen. In letzter Zeit kamen wir kaum mehr aus dem Kopfschütteln heraus. Aber nicht in dem Fall: Wenn wir diese Woche ein reguläres «The Good, the Bad & the Ugly» verfasst hätten, wäre «Tschugger» wohl zuoberst gestanden, als «Good» der Woche. Da stimmen wir gerne in den allgemeinen Jubelchor ein und freuen uns mit und für das Schweizer Fernsehen für diesen Serien-Coup.