Abwarten im Windschatten
Die Schweizer Verleger hatten sich zum Ziel gesetzt, in diesem Jahr auf die Einführung eines Leistungsschutzrechts hinzuarbeiten. So schnell geht das aber nicht. An der wiederaufgeflammten Diskussion in Deutschland will sich der Verband Schweizer Medien nicht beteiligen.
Sie fordern beide das Gleiche. Sowohl deutsche Verleger als auch ihre Brachenkollegen in der Schweiz wollen mit einem Leistungsschutzrecht verhindern, dass ihre Produkte im Internet von Dritten, beispielsweise Google, übernommen und vermarktet werden. Die bestehenden Urheberrechtsgesetze reichten dafür nicht aus, finden die Verleger. Mit Leistungsschutzrecht wollen sie gegen rechtswidrige Nutzung vorgehen. Gegen die Zahlung von Lizenzgebühren könnten die Verlage Dritten eine rechtmässige Nutzung einräumen. So weit die Theorie. In der Praxis sieht die Lage etwas komplizierter aus.
Seit vor einer Woche ein erster Gesetzesentwurf öffentlich bekannt wurde, gehen in deutschen Fachkreisen die Wogen hoch. Kritiker monieren insbesondere die Rechtsunsicherheit, die mit der Einführung eines Leistungsschutzrechts entstehen könnte. Denn der Entwurf lasse mehr offen, als dass er kläre. In extremis wäre es gar möglich, fürchten Medienjuristen, dass Wortkombinationen unter den Schutz des neuen Rechts fielen und Verlage gegen deren Verwendung rechtlich vorgehen könnten; von einer «Monopolisierung der Sprache» ist in diesem Zusammenhang gar die Rede. Derweil versuchen die Befürworter zu beschwichtigen, und solche Befürchtungen zu entkräften. Es sei alles nicht so gemeint, das Zitatrecht weiterhin gewährleistet, nur gewerbliche Nutzung würde entschädigungspflichtig.
In der Schweiz ging es bisher noch nicht so hoch zu und her, obwohl der Verband Schweizer Medien das genau gleiche fordert. Nach einer Artikelserie in der NZZ vor zwei Jahren verlief die Debatte im Sand und wird inzwischen nur noch in Fachkreisen geführt. Etwa an einer Tagung des Schweizer Forums für Kommunikationsrecht Ende Februar. Wie es scheint, haben die Verleger auch gar kein Interesse an einer öffentlichen Diskussion. Obwohl der Verband Schweizer Medien die Einführung eines Leistungsschutzrechts als ein Ziel für 2012 gesetzt hat, mag sich der Vorsitzende des dafür zuständigen Departements Recht, der Tamedia-Verleger Pietro Supino, nicht selbst zum Thema äussern.
Für den Verband nimmt Rechtskonsulent Martin Ettlinger Stellung. Aus seinen Ausführungen wird klar, weshalb die Schweizer Verleger den Ball flach halten: «Das Leistungsschutzrecht für Verlage wird in der Schweiz aus Verlagssicht noch nicht prioritär begleitet, bis die Situation in Deutschland eindeutig geklärt ist.» Zum Inhalt des deutschen Gesetzesentwurfs könne man sich nicht äussern. Nur so viel: Man begrüsse grundsätzlich die Konkretisierung und das Fortschreiten des Anliegens in Deutschland. Gleichzeitig weist Ettlinger auch darauf hin, dass es nur bedingt möglich sei, inhaltliche Parallelen zu ziehen, «da die Urheberrechte der beiden Länder relevante Unterschiede aufweisen.»
Ein anderer, wesentlicher Unterschied ist die Haltung der Regierungen. In Deutschland steht die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage im Koalitionsvertrag festgeschrieben, während sich der schweizerische Bundesrat klar gegen ein solches Sonderrecht für Verlage ausgesprochen hat.
Ähnliche Positionen zum Leistungsschutzrecht in der Schweiz und Deutschland vertreten die Journalistenverbände. Sie stellen sich nicht grundsätzlich gegen ein solches Vorhaben, machen aber ihre Unterstützung davon abhängig, ob die Medienschaffenden angemessen aus den zu erwartenden Lizenzerlösen entschädigt werden. Kritik an den zu befürchtenden Kollateralschäden für die freie Online-Kommunikation vernimmt man von den Berufsverbänden und Gewerkschaften kaum. Was auch daher rühren mag, dass sie die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht nicht prioritär behandeln. Das sagt auch Stephanie Vonarburg, Juristin und Zentralsekretärin der Mediengewerkschaft Syndicom: «Für uns steht die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht nicht zuoberst auf der Traktandenliste, da es Medienschaffende nur indirekt betrifft.»
Beim Urheberrecht sieht die Gewerkschaft bedeutendere Baustellen als die Einführung eines Leistungsschutzrechts. «Unserer Meinung nach müsste zuerst das urheberrechtliche Verhältnis zwischen Autoren und Verlagen sauber geklärt werden, bevor die Verlage dank einem Leistungsschutzrecht Geld eintreiben gehen», sagt Stephanie Vonarburg. «Schliesslich soll das Leistungsschutzrecht eine Leistung schützen, die Verlage nur deshalb erbringen können, weil sie sich die Urheberrechte der Medienschaffenden davor umfassend abtreten lassen.»