Eine seltene Chance
In Zukunft sollen alle Schweizer Haushalte und auch die Mehrheit der Unternehmen eine Medienabgabe zahlen. Noch bevor die Gesetzesvorlage ins Parlament kommt, drohen die Verleger bereits mit dem Referendum. Ganz unabhängig von deren Motiven, verlangt die Tragweite des Systemwechsels nach einer möglichst soliden öffentlichen Legitimation. Für die SRG ist es eine Chance.
Der Weg ist vorgespurt. Nach den Vorstellungen des Bundesrats lassen sich Radio und Fernsehen in Zukunft nur noch finanzieren, wenn alle Haushalte und grösseren Unternehmen eine Abgabe bezahlen. Das bisherige Modell mit einer geräteabhängigen Gebühr habe ausgedient. Mit einer Gesetzesrevision soll das alte System nun abgelöst und die neue Medienabgabe eingeführt werden. Bis es so weit ist, wird es noch ein paar Jahre dauern. Die Prognosen bewegen sich zwischen 2017 und 2019. Dennoch sorgt die Vorlage bereits heute für rote Köpfe.
Der Verband Schweizer Medien («Verlegerverband») und die Aktion Medienfreiheit haben kürzlich angekündigt, das neue Finanzierungsregime für den öffentlichen Rundfunk allenfalls mit dem Referendum bekämpfen zu wollen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das freilich nicht mehr als ein erstes Säbelrasseln und ein Fingerzeig in Richtung Parlament, den Interessen der Verleger bei der Ausarbeitung der Vorlage angemessen Rechnung zu tragen. Noch weiss niemand, wie das Gesetz nach den parlamentarischen Beratungen aussehen wird. Zu strittigen Punkten, etwa zur Abgabepflicht für alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 500’000 Franken, ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.
Bei der SRG zeigt man sich derweil wenig überrascht, dass schon jetzt kritische Stimmen gegen die Medienabgabe laut werden. Generaldirektor Roger de Weck will heute aber nur so viel dazu sagen: «Beschliesst das Parlament ein neues Modell der Finanzierung von SRG und von konzessionierten privaten Sendern, ist es ein demokratisches Recht, dagegen das Referendum zu ergreifen.» Er würde weder als Bürger noch als SRG-Generaldirektor würde ich einen solchen demokratischen Vorgang scheuen. Ob er es letztlich auch für sinnvoll hält, dass die Bevölkerung über die Finanzierung von Radio und Fernsehen abstimmen könnte, lässt de Weck offen.
Andere Führungspersonen der SRG können einer Referendumsabstimmung über die Finanzierung von Radio und Fernsehen durchaus etwas abgewinnen. Schliesslich würde ein positiver Entscheid der SRG und den gebührenfinanzierten Lokalsendern eine ungleich grössere Legitimation geben. Eine Bekenntnis an der Urne zum Service public wiegt ungleich schwerer als jedes günstige Umfrageergebnis. Ein negativer Entscheid würde dagegen den öffentlichen Rundfunk nicht grundsätzlich infrage stellen, sondern nur seine Finanzierung. Anstelle einer Haushalt- und Unternehmensabgabe würde weiter eine geräteabhängige Gebühr erhoben. So betrachtet kann die SRG bei einer Abstimmung über die Medienabgabe mehr gewinnen, als dass sie verlieren würde.
Ganz unabhängig von eigennützigen Überlegungen der SRG gebietet allein die (medien)politische Tragweite des geplanten Systemwechsels eine möglichst breite Verankerung in der Bevölkerung. Denn bei der Medienabgabe geht es um mehr als «nur» um die Finanzierung von Radio und Fernsehen. Wie verschiedentlich formuliert wurde, handelt es sich dabei um eine eigentliche «Demokratieabgabe». Von den Leistungen der damit unterstützten Medien profitierten «letztlich alle und nicht nur diejenigen, die Radio- und Fernsehprogramme konsumieren», steht in einem Bericht des Bundesrats zu lesen. Ein Referendum gegen die Medianabgabe – aus welchen Gründen es auch immer ergriffen würde – böte die seltene Chance, eine bedeutende medienpolitische Weichenstellung einer breiten öffentlichen Diskussion zuzuführen.