von Nick Lüthi

Zwei Hüte, ein Problem

Weltwoche-Mitarbeiter Peter Keller steht wegen seiner Doppelrolle als Journalist und Politiker in der Kritik: Kollege Alex Baur wirft dem SVP-Nationalrat populistisches Agieren im Parlament vor und stellt seine journalistische Redlichkeit infrage. Weltwoche-Verleger und Chefredaktor Roger Köppel sieht kein Problem in politisch aktiven Mitarbeitern, fordert aber maximale Transparenz – wozu auch Baurs öffentliche Kollegenschelte zählt.

Es sind überraschend offene und deutliche Worte, mit denen Weltwoche-Redaktor Alex Baur seinen Kollegen Peter Keller öffentlich ins Gebet nimmt. Unter dem Titel «So nicht» setzt Baur in der aktuellen Ausgabe der Weltwoche zu einer heftigen Kollegenschelte an. Sie gipfelt in einem wenig verblümten Opportunismusvorwurf. Baur gibt zudem seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass Kollege Keller den Spagat zwischen Rat und Redaktion offenbar nicht aushalte und der Politik den Vorzug gebe.

Was war geschehen? Weltwoche-Mitarbeiter Keller sitzt seit 2011 für die SVP im Nationalrat. In der vergangenen Herbstsession half er massgeblich mit, eine Mehrheit zu organisieren für eine Standesinitiative, die den Kantonen ein Vetorecht zugestehen will bei der Suche nach Endlagerstätten für radioaktive Abfälle. Nun fürchtet Redaktionskollege und Kernenergiebefürworter Alex Baur, dass damit eine Lösung für das Abfallproblem praktisch verunmöglicht würde. «Und ausgerechnet bei diesem zynischen Spiel wirkt nun Peter Keller mit, der als Befürworter der Kernenergie gilt», schreibt Baur, der in dem konkreten Verhalten nur ein Symptom sieht eines grösseren Problems. «Politik und Journalismus sind unversöhnliche Gegensätze. Gute Journalisten sind Störenfriede, die radikal alles hinterfragen und sich um den Applaus foutieren; erfolgreiche Politiker dagegen sind Opportunisten, stets auf der Suche nach Zustimmung und Mehrheiten.»

Der kritisierte Keller reagiert gelassen. Auf die konkreten Vorwürfe zur Standesinitiative und zu möglichem Konfliktpotenzial aufgrund seiner Doppelrolle mag er gar nicht erst eingehen. Entsprechende Fragen der MEDIENWOCHE lässt er unbeantwortet. Nur so viel: Was Baur geschrieben habe, sei «ein gut gemeinter Ratschlag eines Arbeitskollegen». Allerdings mit einem Haken. Baur gehe davon aus, dass er sich als Journalist in die Politik verirrt habe. Vielmehr sei es aber so, dass er zuerst Politiker gewesen sei und erst danach sporadisch für die Weltwoche zu schreiben begonnen habe. Damit sagt Keller auch, dass er im Zweifelsfall der Politik den Vorzug gibt. Das war auch schon so, als er sein Pensum bei der Weltwoche vor einem Jahr wegen der Belastung als Parlamentarier reduzierte und seither nur noch als redaktioneller Mitarbeiter für das Blatt schreibt.

Weltwoche-Verleger und -Chefredaktor Roger Köppel, der den Politiker Keller angestellt hat, stellt sich trotz der redaktionsinternen Kritik hinter das Doppelmandat. Er sei ein Verfechter des Milizsystems. Sprich: Amateur-Parlamentarier müssen einen Beruf ausüben. Dazu zählt auch der Journalismus. Diesem Credo folgend hat Köppel jüngst einen weiteren Mitarbeiter eingestellt, der politische Ämter bekleidet. Mit Christian Mundt arbeitet seit 1. September der Präsident der Jungfreisinnigen Stadt Schaffhausen sowie Kassier der Jungfreisinnigen Schweiz als Inlandredaktor für die Weltwoche. Mundt selbst sieht mit der Offenlegung seiner Interessenbindung vor dem Stellenantritt dem legitimen Bedürfnis nach Transparenz ausreichend Genüge getan.

Chefredaktor Köppel versteht, dass der Umgang mit politisch gebundenem Personal eine grössere Sensibilität erfordert: «Das zwingt alle Beteiligten zu grösstmöglicher Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz.» Etwa indem auch mal eine Kollegenschelte im eigenen Blatt veröffentlicht wird, wie sie in anderen Medien höchstens an der Redaktionskonferenz aufs Tapet käme.

Doch selbst die grösste Transparenz vermag gewisse Grundkonflikte nicht aus dem Weg zu schaffen. Das wusste auch der langjährige Weltwoche-Redaktor Urs Paul Engeler. Wenige Monate nach Kellers Wahl in den Nationalrat sagte er öffentlich: Ein SVP-Nationalrat als Politikredaktor, gehe eigentlich nicht. Er sei gegen die Anstellung Kellers gewesen. «Stellen Sie sich vor, wenn Keller beispielsweise in einer Kommission arbeitet und ich einen kritischen Artikel über die Arbeit schreiben möchte, dann haben wir ein Problem.» Inzwischen sind beide als Redaktoren zurückgetreten und arbeiten nur noch als redaktionelle Mitarbeiter. Damit hat sich zumindest in diesem Punkt das Konfliktpotenzial verringert. Für alles andere gibt es die Zeitungsseiten der Weltwoche, wo sich die Differenzen öffentlich austragen lassen.

Leserbeiträge

Clyde Burke 04. Oktober 2013, 14:24

Früher, als Tageszeitungen noch Parteiblätter waren, konnte man noch darüber hinwegsehen — aber heute? Lobbyist mit angeschnalltem Medium?