Schlachtplan Zufall
Als Anteilseigner der Basler Zeitung ist Christoph Blocher seit Mitte 2014 offiziell ein Zeitungsverleger. Auch wenn sein Einstieg in die Medien von vielen Rückschlägen begleitet und mehr zufällig erfolgt als sorgfältig geplant war, bahnt sich der Wille, Schweizer Medien zu beherrschen und zu beeinflussen, einen Weg. Als roter Faden zieht sich die konsequente Vermeidung von Transparenz durch die bisherigen Aktivitäten; eine fragwürdige Vorgehensweise in einer Branche, deren Produkt die Schaffung von Transparenz ist. Teil 1 unserer Serie zu den «Blocher-Medien» und ihren Exponenten.
«Ein Parteiführer und Milliardär lässt im Geheimen seine Tochter eine Zeitung kaufen und schiebt gegenüber der Öffentlichkeit einen Flugunternehmer als Besitzer vor und gegenüber den Banken den ehemaligen Chef einer Grossbank. Und all das, um seinen Biographen als Chefredaktor einzusetzen. Das ist eine Geschichte, die klingt wie aus Russland. So etwas tun Oligarchen.»
Constantin Seibt in einer auf Einladung der Medienvielfalt Holding AG gehaltenen Rede 2012.
«Ich lese Organe der Blocher-Presse, die vor Fremdenfeindlichkeit strotzen» – dieser Satz von Martin Schulz am 9. Februar 2014 gegenüber der NZZ am Sonntag ist der Auslöser für die hier beginnende Serie. Denn offenbar existiert eine «Blocher-Presse», gibt es «Blocher-Medien», von denen zwar der Präsident des Europäischen Parlaments weiss, aber nicht die breite Öffentlichkeit. Zeit für eine Untersuchung also, welchen Einfluss Blocher hat auf Journalisten und was es bedeutet, dass er eine traditionsreiche Tageszeitung unter seine Kontrolle gebracht hat.
Was eine Strategie ist, das weiss Christoph Blocher ganz genau, nämlich «ein genauer Plan zur Erreichung eines Ziels unter Einschluss sämtlicher Faktoren, die der Zielerreichung entgegenwirken können» («Das Blocher-Prinzip», Seite 89). Auch Roger Köppel weiss es: «Was ist eine Strategie? Eine Strategie ist ein präziser Plan zur Erreichung eines vorher festgesetzten Ziels», schreibt er; schliesslich hat ihm das Blocher in einem Interview aus dem Duden zitiert.
Um so verwundernswerter ist es, wie unvorbereitet der Unternehmer und Ex-Bundesrat ins Mediengeschäft gestolpert ist, wie plump er versucht hat, undurchsichtig zu bleiben. Hat es eine Strategie zur Übernahme der Basler Zeitung gegeben, dann muss sie so ausgesehen haben:
- Zeitung unter Kontrolle bringen
- Die realen Machtverhältnisse über viele Monate hinweg leugnen
- Konkurrenzierende Medienhäuser dazu spekulieren lassen
- Die Wahrheit per Salami-Taktik ans Licht kommen lassen
- Die realen Machtverhältnisse am Ende nur unzureichend transparent machen
Ein doch sehr erstaunlicher Einstieg in das Geschäft mit dem Journalismus, dessen Rückgrat das Bemühen ist, die Wahrheit herauszufinden und die damit gewonnene Glaubwürdigkeit. Der «Schweizer Journalist» erklärte deshalb dem Unternehmer in Ausgabe 8-9/2014, er würde «das Geschäftsmodell der Medien nicht verstehen», das heisse nämlich am Ende Transparenz:
«Blocher hat seine Lektion noch nicht gelernt, dabei wäre es auch aus wirtschaftlichen Gründen besser, reinen Tisch zu machen. Seit dem Verkauf der BaZ 2010 an rechtsbürgerliche Kreise hat nichts dem Blatt so sehr geschadet wie das Wirrwarr um die Besitzverhältnisse, über die Blocher die Öffentlichkeit lange hinters Licht geführt hat.»
Medien nach eigenem Gusto
Den Erfolg, eine der bekannteren Schweizer Zeitungen zu besitzen und sie nicht einem der Grossverlage zu überlassen, hat Blocher zu einem hohen Preis erkauft. Einerseits hat er am Ende sehr viel für das Produkt bezahlt, auch weil er sich mutmasslich hat täuschen lassen über den tatsächlichen Zustand des Unternehmens (siehe dazu das MEDIENWOCHE-Interview mit CEO Rolf Bollmann). Andererseits hat die unausgegegorene Strategie unmässig viele Abonnenten vertrieben. Die Auflage brach von 83 773 verkauften Exemplaren 2010 über 30 Prozent ein auf verkaufte 57 647 Exemplare 2013.
Im Nachhinein zu analysieren, was alles falsch gemacht wurde, ist zugegebenermassen simpel. Es ist wahrscheinlich, dass auch anders gewählte Einstiege von Blocher ins Zeitungsgeschäft nicht reibungslos verlaufen wären. Doch hier liegt das Problem der Investments: Weil man sich offenbar nicht zutraut, ein Medienprodukt zu lancieren, das ausreichend Publikum anzieht, um Wirkung zu entfalten, versucht man, bestehende Produkte zu übernehmen und inhaltlich neu, also nach eigenem Gusto, auszurichten. Ein solches Vorgehen lässt viele Beobachter vermuten, dass hier unter dem Deckmantel etablierter Marken Propaganda betrieben und mit Geld eine politische Ausrichtung erkauft wird.
«Blocher-Medien»
– und wer gehört dazu? Retten sie den Journalismus oder schaffen sie ihn ab, geht es um Information oder Propaganda? Die MEDIENWOCHE beleuchtet in einer Serie Persönlichkeiten und Medien, die in einer Beziehung mit dem Politiker und Unternehmer Christoph Blocher stehen.
Erfüllung des Auftrags
Ein weiteres Problem von Blocher in der Medienbranche ist, dass er nichts anderes kennt und akzeptieren will als Untergegebene, die zu führen und zu kontrollieren sind. Doch im Journalismus geht es anders als in jeder anderen Branche um Transparenz und um Augenhöhe. Wird der Journalist zum nicht mehr reflektierenden Befehlsempfänger, so hört er auf, Journalist zu sein, so einfach ist das. In einer Partei oder einem Unternehmen kann eine unreflektierte Gefolgschaft per Befehl geführt werden, doch im Journalismus ist das ein schwieriges Unterfangen. Blocher ist nicht der erste und nicht der letzte Verleger, der damit umgehen muss, dass freie Geister sehr viel Spielraum benötigen, um den von ihm ausgegebenen Auftrag, wie auch immer er lautet, erfüllen zu können. Ein Auftrag? Ja, ein Auftrag. Im Führungssystem von Blocher geht es immer um den Auftrag, so steht es auf Seite 29 im «Blocher-Prinzip», dem von Matthias Ackeret niedergeschriebenen Blocher-Führungsbuch:
Wer führt und Verantwortung trägt, hat stets nach dem Auftrag zu fragen: nach dem Auftrag, in einer ganz bestimmten Sache an einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes zu tun, um etwas ganz Bestimmtes zu erreichen. Zweck der Führung ist, den Auftrag zu erfüllen.
Stellt Blocher einen Auftrag an die von ihm finanzierten Medien? Offiziell ist nicht bekannt, in welcher Höhe Geld fliesst, ob es einen Auftrag gibt und wie dieser lautet. Aber bedingungsloses Geld erhält niemand, und schon gar nicht von einem mit allen Wassern gewaschenen Unternehmer wie Blocher. In der normalen Privatwirtschaft mögen solche Fragestellungen als Geschäftsgeheimnis durchgehen, aber im Journalismus ist die Frage nach der Abhängigkeit und der Unabhängigkeit die allerwichtigste. Denn wenn Journalisten einen Auftrag erfüllen müssen, der darüber hinausgeht, unvoreingenommen die Wahrheit zu berichten, dann muss die Öffentlichkeit darüber Bescheid wissen. Ist das nicht der Fall, dann sind die Zweifel an der Unabhängigkeit der mit Blocher verbandelten Medien folgerichtig.
Transparenz
Mit Transparenz wären viele dieser Zweifel zu zerstreuen. Doch wenn es eine Linie gibt in der bisherigen Geschichte der «Blocher-Medien», dann ist es die konsequente Vermeidung von Transparenz. Diese Strategie, wenn es denn eine ist und nicht nur ein dem Unwillen verschuldeter Zufall, fördert alle Zweifel an den guten Absichten, die möglicherweise hinter dem Einstieg von Blocher stecken. Will Blocher ernsthaft im Journalismus mittun und sich als Retter oder Ermöglicher von journalistischen Produkten feiern lassen, so muss er – so mein Rat – möglichst alles klar und nachvollziehbar machen. Öffentlich werden muss:
- Die Besitzverhältnisse der Medienprodukte
- Den an die Verleger und Journalisten gestellten Auftrag
- Die Abhängigkeiten, Verpflichtungen, Haltungen und Interessen der Verleger und aller journalistischen Mitarbeiter
Werden hier nicht andere Massstäbe angelegt als an die Konkurrenz? Ja. Aber überrascht es denn, dass die Öffentlichkeit an einen Unternehmer und Politiker, der die öffentliche Debatte der letzten Jahrzehnte wesentlich geprägt hat, sehr viel höhere Transparenz-Ansprüche stellt als an etablierte Verlegerfamilien und Medienkonzerne? Wer keine anderen Ziele hat als die Produktion von wertvollem Journalismus, wird keine Mühe haben, die Antworten zu diesen Fragen offenzulegen.
Journalisten als Unternehmer
Das Bestreben von Investoren wie Christoph Blocher oder Tito Tettamanti, Journalisten zu eigenständigen Unternehmern zu machen, ist sehr begrüssenswert. Es ist unverständlich, weshalb eine solche Idee bei anderen Journalisten auf Ablehnung stösst, während sie gleichzeitig beklagen, dass Grossverlage wie Tamedia nur noch nach rein kommerziellen Aspekten agieren. Aber, um mal innezuhalten: Ist es denn nicht so, dass selbst grosse Verleger und Unternehmer wie Axel Springer oder Rudolf Augstein das Glück hatten, in einer Zeit zu wirtschaften, als die Lizenz als Printverleger auch eine Lizenz zum Gelddrucken war? Das Betreiben vieler Zeitungen war während Jahrzehnten ein No-Brainer-Geschäftsmodell, in dem auch ein Kartoffelsack an der Spitze Rendite gemacht hätte. Deshalb ist es doch auch immer wieder allerliebst, wenn sich Leute, die ein todsicheres Geschäft betreiben, als geniale Unternehmer oder CEOs feiern. Im Internet wird bisher mit E-Commerce (Amazon, Alibaba) oder Abonnements / Flatrates (Spotify, Netflix) Geld verdient, doch die einträglichen Internet-Geschäftsmodelle sind bisher am Journalismus vorbeigegangen. Vielleicht ist die Zeit des profitablen Journalismus für immer vorbei, vielleicht aber wird sich in den nächsten Jahren ein (Abonnement-)Modell etablieren, wie es die gedruckten Zeitungen etabliert hatten.
Als kapitalistisch orientierte Menschen sind die Verleger der «Blocher-Medien» nach wie vor überzeugt, dass guter Journalismus nur entstehen kann unter dem Druck des Markts. Weltwoche-Medienkolumnist Kurt W. Zimmermann sagt im MEDIENWOCHE-Interview: «Sobald der Erfolgsdruck ausgehebelt wird, geht die Dynamik weg, vor allem im Mediengeschäft.» Ich glaube das nicht. Dass eine Weltwoche in den letzten Jahren mit kleinem Team grosse Aufmerksamkeit erzeugt hat, liegt zu einem guten Teil an Roger Köppel, der als unermüdlicher Antreiber seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen gebracht hatte. So wenig wie ein Köppel ausschliesslich aus finanziellen Gründen angetrieben wird, so wenig ist finanzielle Absicherung ein Hindernis, grossartige Werke zu erschaffen. Dass in vielen Schweizer Medien eine «gförchige Langeweile» vorherrscht, liegt an der Durchschnittlichkeit und der Angepasstheit jener, die von Verlagschefs in Chefpositionen gehievt werden, an der fehlenden helvetischen Streit- und Debattierkultur und an der Genügsamkeit vieler hiesiger Journalisten.
Schönwetter-Liberalismus
Doch werden die Verleger der «Blocher-Medien» ihre wettbewerbsfreundliche, kapitalistische Haltung beibehalten, wenn ihnen das traditionelle Geschäftsmodell abhandenkommt, was in Zukunft zu erwarten sein wird? Werden sie sich der Gruppe der durch Radio- und TV-Gebührengelder subventionierten Verlage wie der Südostschweiz Medien oder den AZ Medien anschliessen? Oder werden sie sich wie Mathias Döpfner, der CEO der Axel Springer AG, als eine Art Schönwetter-Liberale outen, die Markt dann gut finden, wenn sie selbst am Markt gewinnen? Zur Erinnerung: Der kluge Döpfner, der den anderen Printverlegern als eine Art letztmöglicher Messias dient, liess, als Suchmaschinen plötzlich mehr Werbegelder abgreifen konnten als seine Firma, seine Mitarbeiter für ein absurdes Leistungsschutzrecht lobbyieren und reichte gemeinsam mit anderen Verlegern eine Kartellamtsbeschwerde bei der Europäischen Kommission ein wegen angeblicher Verletzung des Kartellrechts durch die von den Marktteilnehmern mehrheitlich bevorzugten Suchmaschine Google. Überhaupt scheint sich bei Springer vieles geändert zu haben: Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer «Public Affairs», erklärte kürzlich gegenüber dem ehemaligen Zentralorgan der FDJ, der «jungen Welt», er habe sich «immer auch als eine Art Linker verstanden». Den Gedanken an eine demokratische Planwirtschaft hält Keese für «verlockend und nachvollziehbar»: «Es könnte tatsächlich sein, dass die sozialistische Planwirtschaft an der damals noch nicht vorhandenen Technologie gescheitert ist und dass eine neue Planwirtschaft unter digitalen Vorzeichen möglich wäre.»
Kommt erst mal eine heftige Rezession, werden auch die finanziell verwöhnten, sich jährlich in Luxushotels treffenden Schweizer Printverleger so richtig unter Druck geraten. Werbeetats werden zuerst gekürzt, und es ist auch anzunehmen, dass Zeitungsleser, bevor sie verhungern oder die Wohnung kündigen, die Zeitung abbestellen und sich kostenlos oder kostengünstig im Internet informieren werden. Betriebswirtschaftlich haben Blocher und Bollmann mit der Reduktion von aufgeblasenen Verlagsstrukturen auf das Hauptprodukt, die Zeitung, gute Arbeit geleistet. Andere Medienmanager haben diese notwendigen Sanierungen noch vor sich.
Im MEDIENWOCHE-Interview sagte Christoph Blocher, dass er selbst wohl kein Journalist sein könnte, er aber eine grosse Achtung vor dem wichtigen und schwierigen Beruf des Journalisten hätte. Bisher sieht es eher so aus, als würde Blocher jene Journalisten schätzen, die seine Positionen vertreten. Und damit wäre er unter Politikern nicht der Einzige. Michael Spreng, Chefredaktor der «Bild am Sonntag» von 1989 bis 2000, schreibt im Blogbeitrag «Kohlianer»:
Von Helmut Kohl ist bekannt, dass er nur zwei Sorten von Menschen kannte: diejenigen, die für ihn, und diejenigen, die gegen ihn waren. So teilte er auch Journalisten ein. Sein Verhältnis zur Pressefreiheit war ein rein instrumentelles: ein guter Journalist war derjenige, der sich von ihm instrumentalisieren liess.
Offenlegung: Ronnie Grob hat bisher mehrere Beiträge in der Basler Zeitung und in der Weltwoche veröffentlicht. Sie wurden angemessen vergütet, die Zusammenarbeit war stets erfreulich und verlief ohne jegliche inhaltlich-politische Einflussnahme.
Inputs zur Serie erhalten wir gerne in den Kommentaren oder per E-Mail.
Übersicht der Serie zu den «Blocher-Medien»:
1. Teil: Schlachtplan Zufall
2. Teil: Unter dem Guru von Herrliberg
3. Teil: Der Provokateur
4. Teil: Es braucht wieder Fakten
5. Teil: Politiker der Redaktion
6. Teil: Für Partei und Vaterland
7. Teil: Sicherheit in Statistiken
8. Teil: Sie sind klein und sie sind überall
Guy Krneta 21. Oktober 2014, 14:02
Die aktuelle (offizielle) Auflage der BaZ beträgt 52 178. Das wären dann fast 40% Verlust. Wobei auch die aktuelle Zahl zu hoch ist, da sie zum Teil noch die gratis verteilte Grossauflage umfasst.
Werner T. Meyer 27. Oktober 2014, 23:29
Was scheren Blocher materielle Verluste. Er besitzt das Nachfolgeprodukt der Nazi-Zytig.