Gegenwind statt Rückenwind
In Deutschland gehen die Wogen hoch, seit die Regierungskoalition beschlossen hat, ein Leistungsschutzrecht für Verlage einzuführen. Von diesem Entscheid erhoffen sich auch die Schweizer Verleger Rückenwind. Doch die Bedenken gegenüber einem zusätzlichen Schutz für Verlage sind gross.
Neidisch dürfte der eine oder andere Schweizer Verleger nach Deutschland blicken. Geht es nach dem Willen der regierenden CDU und FDP sollen deutsche Verlage entschädigt werden, wenn Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren Texte und Textzitate im Internet weiterverbreiten. Dazu will die schwarz-gelbe Koalition ein sogenanntes Leistungsschutzrecht einführen.
Wie bereits bei früherer Gelegenheit, als die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag die Absicht bekundet hatten, den Verlagen mit einem Leistungsschutzrecht zu mehr Einnahmen zu verhelfen, wird auch jetzt wieder Protest laut. Auf grosses Unverständnis stösst insbesondere die Aussicht, dass dereinst Suchmaschinen zur Kasse geben werden, obwohl sie ja den Verlagen einen beträchtlichen Teil des Publikums zuführen.
Die meisten Verleger und ihre Branchenorganisationen sehen das freilich anders. Sie halten es für legitim, sich qua Gesetz am Erlös von Suchmaschinen zu beteiligen, weil diese – bisher unentgeltlich – Verlagserzeugnisse verwenden. Beispielsweise dann, wenn Google den Titel und die ersten Sätze eines Artikels in seinem Nachrichtenaggregator «Google News» anzeigt.
Während man in Deutschland der Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage einen Schritt näher gerückt ist, steht die Diskussion in der Schweiz erst ganz am Anfang. Zwar fordern auch hier Verleger und der Verband Schweizer Medien ein zusätzliches Schutzrecht für die Nutzung ihre Erzeugnisse, aber die Politik hat diesem Begehren bisher eine klare Absage erteilt.
Ende 2009 stellte sich der Bundesrat deutlich gegen ein Leistungsschutzrecht. In seiner Antwort auf eine Interpellation von FDP-Nationalrat Kurt Fluri hielt die Regierung fest, dass der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz für Verlage ausreiche. «Ein Leistungsschutzrecht würde somit einzig eine zusätzliche Schicht von Rechten schaffen, ohne dass dafür ein Bedürfnis ausgewiesen ist.»
Doch mit der bundesrätlichen Absage war die Forderung der Verleger nicht vom Tisch. Von der aktuellen Entwicklung in Deutschland erhofft sich der Verband Schweizer Medien Rückenwind die eingeschlafene Debatte um ein Leistungsschutzrecht auch hierzulande wieder zu beleben, wie Martin Ettlinger, Rechtskonsulent des Verlegerverbands, sagt. Denn: «Wer im Internet eine vielfältige Medienlandschaft erhalten will, muss sich damit auseinandersetzen, dass nicht alles, was digital verfügbar ist, auch gratis zur Weiternutzung freigegeben ist.»
Doch vom erhofften Rückenwind spüren die Schweizer Verleger nicht viel. Im Gegenteil. Aus verschiedenen Himmelsrichtungen weht ihnen ein Gegenwind entgegen. Dass Google auch in der Schweiz ein Leistungsschutzrecht ablehnt, liegt auf der Hand; schliesslich wäre die Suchmaschine von der neuen Regelung direkt betroffen. Aber auch unabhängige Fachleute stehen einer neuen Gesetzgebung skeptisch bis ablehnend gegenüber. So auch Emanuel Meyer, Leiter Rechtsdienst Urheberrecht und verwandte Schutzrechte am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum.
Meyer hält die geltende Gesetzgebung für ausreichend. «Über die abgetretenen Nutzungsrechte der Autoren partizipieren die Verlage schon heute an der Zweitnutzung. Mit einem neuen Leistungsschutzrecht würde der bestehende Schutz verdoppelt und der Schutzumfang massiv erweitert.» Ob das mit Blick auf die Systematik der Gesetzgebung sinnvoll sei, dürfe bezweifelt werden, sagt Meyer im Gespräch mit der MEDIENWOCHE.
Vorderhand stehen mehr Fragen als Antworten zum Leistungsschutzrecht im Raum. Das sei auch an einer Fachtagung des Schweizer Forums für Kommunikationsrecht deutlich geworden, berichten Meyer und Ettlinger, die beide daran teilgenommen hatten. Wie den Tagungsunterlagen zu entnehmen ist, drehte sich die Veranstaltung vor einer Woche in Zürich um Grundsatzfragen unter Berücksichtigung aller relevanten Positionen. Viel mehr als eine Auslegeordnung gab das nicht her.
«Wie es konkret weitergeht mit dem Leistungsschutzrecht in der Schweiz, ist schwer abzuschätzen», sagt Martin Ettlinger vom Verlegerverband. «Politische Vorstösse zum Thema sind keine hängig.» Das kann sich zwar schnell ändern, aber damit wäre noch überhaupt nichts entschieden.
Thomas Schläpfer 08. März 2012, 14:47
Wenn denn ein Leistungsschutzrecht käme, damit die Verlage von den Suchmaschinenbetreibern den Obolus einfordern könnten:
– Geschieht dann dasselbe wie in Belgien? Dass Google konsequent alle Verlage nicht mehr in den Suchresultaten aufscheinen lässt und sie schwerer gefunden werden?
Es ist ja heutzutage eine Binsenweisheit, dass für viele Internet-NutzerInnen Google die erste Anlaufstelle ist.
Sollte Google so reagieren, dann würde ich nur noch auf die Zeitspanne wetten, in der die Verlage im Staube kriechend Google anflehen, sie wieder in die Suchresultate aufzunehmen und das Leistungsschutzrecht zu kappen.
Mike 13. März 2012, 18:24
Sehe ich auch so.
Als Nutzer will ich Resultate. Wenn ein Link zu einem Artikel führt, der meiner Meinung nach Wert hat, bin ich auch bereit zu zahlen.
Aber für Suchresultate Geld verlangen ist Selbstmord.
Da würde ich im Browser einen Knopf begrüssen, der mir alle kostenpflichtigen Resultate ausblendet.
Oder als Google würde ich den ganzen Aufwand für das Bezahlsystem dem Verlag übergeben. Inkl. Inkasso. Das gäbe mehr Kosten, Ärger und Aufwand als Geld.
Thommen_62 16. März 2012, 09:29
In dieser Diskussion geht vergessen, dass google niemals kostenlos ist! Worüber erhält google seinen Aufwand rückbezahlt? Über die Werbung, die ständig neu organisiert und so nebenbei aufgeführt wird…
Es geht auch vergessen, dass google – wie facebook auch – über spezielle Algorithmen – selbst entscheiden, welche Suchresultate sie zulassen oder anbieten. Es empfiehlt sich also, mehr als eine Suchmaschine zu benützen, statt einfach nur zu bezahlen! 😉
Pauschalabgaben sind immer weniger zu begrüssen. Denn bei jeder Kopie aus einem Buch könnte ja die ISBN-Nummer eingegeben und gerecht abgerechnet werden. Genauso wie bei der Heizungsberechnung in den Wohnungen… Wieso will das niemand?
Wer Inhalte ins Web stellt, muss selber entscheiden, was und wieviel er gratis hinstellt. Das nimmt ihm kein Gesetz ab. Und schliesslich verlangt auch keineR von den Buchantiquaren, dass sie bei jedem Verkauf nochmals Copyrights abrechnen…