von Nick Lüthi

Nach Ringier-Austritt, vor GAV-Gesprächen und mitten in der Service-public-Debatte

Seit eineinhalb Jahren leitet Verena Vonarburg den Verband Schweizer Medien. Die langjährigen Politik-Journalistin (SRF, Tages-Anzeiger) ist angetreten, um den Verlegerverband zu modernisieren und das politische Lobbying zu stärken. Mit dem Verbandsaustritt von Ringier, den angekündigten GAV-Gesprächen und der Service-public-Debatte bieten sich dazu gleich mehrere Bewährungsproben.

MEDIENWOCHE: Der Verband Schweizer Medien hat zuletzt von sich Reden gemacht wegen dem Austritt von Ringier. Was heisst das für den Verband?
Verena Vonarburg: Dieser Schritt von Ringier schmerzt uns. Bis dahin waren wir ein schlagkräftiger Verband, weil wir alle relevanten Kräfte unter einem Dach vereint hatten. Genau das fehlt ja etlichen anderen Verbänden und nun leider ein wenig auch uns. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt: Bis jetzt sind alle wieder in den Verband zurückgekehrt.

Hat man mit einem Austritt von Ringier gerechnet?
Nein, wirklich niemand. Das kam aus heiterem Himmel. Zumindest seit ich dabei bin, hat man im Präsidium, in welchem auch Marc Walder von Ringier sass, trotz unterschiedlichster Interessen immer sehr effizient und konstruktiv zusammengearbeitet. Es gab dort keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten, nicht einmal bei der Frage zum Umgang mit der SRG. Auch Ringier hat die Verbandspositionen mitgetragen. Innerhalb einer Woche kam es zum Umschwung und dann zur Explosion. Ringier hätte wegen der Zusammenarbeit mit SRG und Swisscom den Verband nicht verlassen müssen. Wir bedauern diesen Austritt sehr.

Muss der Verband nun sparen, wenn die Ringier-Beiträge wegfallen?
Ich habe schon mal meine Sekretärin eingespart, respektive nicht ersetzt. Auch sonst schauen wir an allen Ecken und Enden, wo wir sparen können. Nur: Für all die Aufgaben, die wir für unsere Mitglieder erfüllen, sind wir bereits sehr schlank aufgestellt.

Einen Austritt könnte man mit Neumitgliedern kompensieren.
Wir haben rund hundert Mitglieder, das sind praktisch alle Medienunternehmen der Schweiz. Wir könnten theoretisch auch Google aufnehmen. Zu Google hat sich ja das Verhältnis entkrampft. Mittlerweile arbeiten viele Verlage mit ihnen zusammen. Insofern wäre das gar nicht so absurd. Aber das politische Profil des Verbands würde an Schärfe verlieren, wenn man die Mitgliedschaften in diese Richtung ausweiten würde, das müsste man sich sehr gut überlegen.

Es gab ja nicht nur Negativschlagzeilen, sondern auch die – vor allem für die Journalistinnen und Journalisten – erfreuliche Meldung, dass die Verleger zu Gesprächen über einen Gesamtarbeitsvertrag bereit sind. Ist an diesem Entscheid auch Ihre Handschrift als langjährige Journalistin abzulesen?
Für meine Tätigkeit ist es extrem hilfreich, dass ich aus dem Journalismus komme. Ich weiss, was es heisst, auf einer Redaktion zu arbeiten und kenne die Arbeitsbedingungen. Deshalb habe ich mich in diesen Prozess eingebracht.

Wann sitzen Verleger und Berufsverbände zusammen am Verhandlungstisch?
Wir haben nun eine interne Arbeitsgruppe gebildet und werden dort unsere Eckpfeiler definieren, eng koordiniert mit den zuständigen Stellen der einzelnen Medienhäuser, damit wir einen branchenweit tragfähigen Vorschlag hinbekommen. Danach geht das Ergebnis der Arbeitsgruppe ins Präsidium und dieses entscheidet über ein Verhandlungsmandat. Wie schnell das geht, dafür möchte ich überhaupt keine Prognose abgeben. Der Verband hat einen ersten Schritt gemacht.

Sie sind beim Verlegerverband auch angetreten, um das Image der Organisation aufzupolieren. Zum Teil ist das schon sichtbar in einer moderneren Kommunikation. Wie weit ist dieser Umbauprozess fortgeschritten?
Wir befindenden uns auf sehr guten Wegen, wenn man die Geschichte mit Ringier mal ausklammert. Unser Branchenmarketing kommt viel moderner daher, der Medienkongress ist wieder attraktiv, unser Lobbying ist professionell, wir treten in Bundesbern regelmässig mit Veranstaltungen auf, die sehr gut besucht sind, und das Medieninstitut richtet sein Angebot neu und nah am Markt aus. Das Problem in der Vergangenheit war auch, dass die Geschäftsstelle, ohne die geleistete Arbeit gering schätzen zu wollen, weiterhin so funktionierte wie zur Hochblüte des Zeitungsgeschäfts, obwohl rund herum längst alles im Umbruch war. Die ganze Digitalisierung steckte noch ziemlich in den Kinderschuhen, als ich die Stelle antrat. Die Korridore am Verbandssitz waren gesäumt von schwarzen Ordnern und die Einzahlungen erledigte man noch mit dem gelben Büchlein am Postschalter. Die Geschäftsstelle ist nun eine moderne Dienstleistungsstelle und keine graue Funktionärszentrale mehr.

Sie arbeiten meist in reinen Männergremien. Wie begegnen Ihnen die Herren Verleger?
Ich arbeite sehr gerne mit Männern zusammen, nur gelegentlich fühle ich mich im reinen Männerpräsidium des Verbands etwas exotisch, vor allem wenn es um Machtspiele geht. Da lehne ich mich zurück und beobachte (lacht). Es ist schon so, dass gewisse weibliche Perspektiven fehlen, wenn nur Männer unter sich sind. Aber ich würde nie Quoten fordern, noch würde ich behaupten, Frauen würden irgendetwas besser machen. Es ist übrigens durchaus auch ein Vorteil als einzige Frau. Man wird manchmal etwas sanfter angefasst und man kann Charme spielen lassen.

Sie arbeiten unter dem ewigen Präsidenten Hanspeter Lebrument. Niemand weiss, wann er aufhört. Ist das Chance oder Hypothek?
Hanspeter Lebrument engagiert sich enorm für den VSM, weit mehr, als es ein ehrenamtlicher Präsident tun müsste, und wir tauschen uns oft aus. Seine Erfahrung ist Gold wert. Auf jeden Fall braucht es eine integrative Figur als Präsidenten. Und das ist Hanspeter Lebrument. Er ist auch etwas altersmilde geworden (lacht).

Journalistenvertreter sehen das definitiv anders.
Gegen innen wirkt er sehr stark integrativ und hält die Grossen und Kleinen zusammen. Er hat den Vorteil, dass er derzeit, soviel ich weiss, mit seinem «Somedia»-Verlagshaus keinem Grossverlag in die Quere kommt. Daher bin ich froh, dass Lebrument weiter den Verband präsidiert. In seinem Wirken nach aussen übernimmt er einfach eine andere Rolle. Und auch diese füllt er sehr gut aus.

Die Verleger haben sich seit einiger Zeit auf die SRG als Lieblingsgegner eingeschossen. Ist es schwierig diese Position mitzutragen, wenn man, wie Sie, lange fürs Schweizer Fernehen gearbeitet hat?
Ich habe persönlich überhaupt kein Problem mit der SRG und ich bin auch nicht im Groll gegangen. Fernsehmachen finde ich weiterhin total cool! Und ich schätze die Rolle der SRG als Service-public-Anbieterin für die Schweiz und anerkenne die grosse journalistische Leistung, die täglich erbracht wird. Man kann und soll die SRG nicht demontieren oder zerstören.

Nun folgt sicher noch ein grosses «Aber».
Es gibt wirklich ein «Aber»: Gegen die Grossmachtpolitik der SRG der letzten Jahren braucht es starke Verleger als Gegengewicht und auch einen entsprechend starken Verband, sowie einen Regulator auf der Staatsseite, der seine Aufgaben ernst nimmt. Es geht beispielsweise nicht, wenn die SRG über das geplante Joint Venture mit der Swisscom und Ringier, die Daten ihrer Kunden kommerzialisiert und sich digitale Werbemöglichkeiten erschliessen will. Die Medienwelt hat sich nun mal verändert und die SRG wildert heute teils im Revier der Verleger. Deshalb müssen ihr Grenzen gesetzt werden.

Welche SRG wollen die Verleger?
Bei der SRG muss insbesondere die Ertragssituation kritisch angeschaut werden. Wir halten Werbebeschränkungen, wie sie heute bereits für Radio und Online gelten, für den richtigen Weg. Weniger Kommerz bei der SRG. Das Problem ist die immer grösser werdende Kluft in der Ertragslage zwischen dem gebührenfinanzierten Rundfunk und den privaten Verlagen, die mit sinkenden Abo- und Werbeeinnahmen kämpfen. Was die SRG heute an Programm macht, ist zu breit. Es braucht keine Formate wie «Voice of Switzerland», für die sich auch Privatsender interessiert hatten, aber von der SRG überboten wurden. Mit weniger Geld wäre die Versuchung der SRG automatisch kleiner, sich in private Bereiche auszudehnen.

Wäre das zu verhindern mit einer engeren Service-public-Definition?
Den verfassungsrechtlichen Rahmen halten wir weiterhin für tauglich, daran muss man nichts ändern. Aber in der SRG-Konzession, die ja erneuert werden muss, sollte Etliches präzisiert werden. Wie schon heute der Kulturbegriff in der Konzession präzis und ausführlich definiert wird, so sollte auch die Unterhaltung genauer gefasst werden. Heute heisst es in der Konzession lediglich: «Die SRG trägt bei zur Unterhaltung». Punkt. So geht es natürlich nicht. Es ist nun die Aufgabe der Politik, das genauer zu definieren. Und da wirken wir mit.

Teilen Sie die Hoffnung mancher Verleger, dass es ihnen besser ginge, wenn man den Spielraum der SRG einschränkte?
Es geht um ein faires Nebeneinander. Hierbei verweise ich immer auf die Bundesverfassung, wo klar festgehalten ist, dass die SRG auf die privaten Medien Rücksicht nehmen soll. Das muss gewährleistet sein. Was die Werbung angeht, räumen übrigens auch viele Fernsehleute off-the-record ein, sie empfänden es sogar als einen Wettbewerbsvorteil, wenn ab acht Uhr am Schweizer Fernsehen keine Werbung mehr ausgestrahlt würde.

SRG-Generaldirektor Roger de Weck plädiert für den nationalen Schulterschluss: SRG und Verleger sollten sich gemeinsam gegen die übermächtige internationale Konkurrenz wehren. Ist das kein Weg?
Natürlich sind Google, Facebook und Amazon übermächtige Konkurrenten, die viel Geld aus dem heimischen Markt abziehen. Aber da bringe ich als Fussballfan gerne den Vergleich: Nur weil es eine Champions League gibt, in der ein Schweizer Vertreter gern mitspielen würde, kann man doch in der Super League nicht auf alle Regeln verzichten und den FC Basel immer gewinnen lassen!

Das Interview ist eine gekürzte und redigierte Abschrift des «Journitalk», den der Autor am 16. Oktober mit Verena Vonarburg im Polit-Forum Käfigturm in Bern geführt hat.