Kein voreiliger Aktivismus
Behörden und Parteien in der Schweiz sind sich einig: Gegen Fake News braucht es keine neuen Gesetze und Regulierungen. Anders als etwa in Deutschland, wo die Regierung ein «Abwehrzentrum» plant, gibt man sich hierzulande einigermassen gelassen und verzichtet auf voreiligen Aktivismus.
Seit dem 1. Januar kämpfen in Tschechien zwanzig Mitarbeitende des Innenministeriums gegen Fake News. Das neu eingerichtete «Abwehrzentrum gegen Terrorismus und Cybergefahren» CTHH soll Falschmeldungen in Medien und Social Media identifizieren und diese öffentlich als Fälschung oder Erfindung kennzeichnen. Das Vorgehen der Tschechen gilt auch andernorts als gangbarer Weg. So schwebt etwa der deutschen Regierung ein ähnliches Vorgehen vor.
In der Schweiz existiert mit der «Melde- und Analysestelle Informationssicherung» Melani schon länger ein Abwehrzentrum für Cybergefahren. Als eine aktuelle Bedrohung nennt die Behörde etwa Social Engineering, also die Manipulation von Menschen mittel der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Man beobachte die Entwicklung verschiedenster Szenarien aufmerksam, erklärt Max Klaus, stellvertretender Leiter von Melani, doch «das Thema Fake News spielte bisher keine zentrale Rolle.» Mit Betonung auf «bisher». Denn Melani-Vize Klaus erklärt ebenso: «Sollte sich die Lage jedoch verändern, würden wir unsere Kunden selbstverständlich Unterstützung bieten.» Zu den Kunden von Melani zählen Verwaltungseinheiten von Bund, Kantonen und Städten, sowie private Betreiber kritischer Infrastrukturen. Was dieser «geschlossene Kundenkreis» macht, unterliegt der Schweigepflicht. Sprich: Die Öffentlichkeit würde nicht zwingend davon erfahren, wenn Firmen oder Behörden Fake News verstärkt als Problem wahrnehmen und der Bund aktiv würde.
Beim Kampf gegen Fake News könnte Melani auf bestehender Gesetzesbasis aktiv werden, so wie sie bereit heute auf aktuelle Gefahren reagiert; vorab mit Information und Prävention, bisweilen auch zusammen mit anderen Behördenstellen, etwa dem Nachrichtendienst des Bundes NDB und dem Zentrum für Elektronische Medien ZEM, die in einem gemeinsam realisierten Präventionsfilm zur Wirtschaftsspionage auch Social Engineering prominent thematisierten.
Das Rad muss also nicht neu erfunden werden, es rollt bereits und kann jederzeit die Richtung ändern. Darum sehen auch andere potenziell zuständige Behörden keinerlei Grund zur Aktivität. Das Bundesamt für Kommunikation Bakom sieht dafür schlicht keinen Hebel: «Weder im Fernmeldegesetz noch im Radio- und Fernsehgesetz sind Bestimmungen zu finden, die uns eine Eingriffsmöglichkeit in solchen Fällen geben würden.» Ebenso deutlich erklärt das Bundesamt für Polizei seine Nichtzuständigkeit, da falsche Nachrichten als solche nicht per se strafbar seien.
Die Haltung der Schweizer Behörden heisst demnach: Kein unnötiger Aktivismus, aber gut vorbereitet auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Fake News und ihr Fallout drohen den politischen Prozess in der Schweiz auch nicht in vergleichbarem Mass zu beschädigen, wie dies in Tschechien und Deutschland im Hinblick auf die nationalen Wahlen in den beiden Ländern befürchtet wird.
Den Kurs der Behörden stützen auch die Parteien. Keine der vier Bundesratsparteien sieht unmittelbaren Handlungsbedarf in Sachen Fake News, sie halten aber die Entwicklung im Visier. Ein Vorgehen, wie es Tschechien gewählt hat und Deutschland andenkt, kollidiere mit der Pressefreiheit, findet etwa die SVP, wie ihr Sprecher ausrichten lässt. Auch für die SP gilt klipp und klar: «Von Zensur und ähnlichen Repressionsmassnahmen halten wir nichts, da die Verbreitung von Falschmeldungen keine Straftat ist und auch keine sein soll.»
Trotzdem wollen die Parteien nicht untätig bleiben. So schlägt etwa die SP vor, die Haftbarkeit von Verbreitungsplattformen wie Facebook zu verbessern, sowie die Medienkompetenz in den Schulen und den Journalismus zu stärken – unter anderem mit staatlichen Mitteln. Sehr ähnlich klingt es auch bei der CVP, doch sie geht noch einen Schritt weiter und kündigt – als einzige Partei – gesetzgeberische Aktivitäten an: Man sei «zurzeit am abklären, was im speziellen Fall von Fake News politisch überhaupt machbar ist» und wie ein Vorstoss zum Thema aussehen könnte. Keinerlei Vorstösse für weitergehende Regulierungen hat die FDP geplant. In erster Linie seien jene zu belangen, die Fake-News verbreiten, findet die FDP. «Hierzu bietet die bestehende Gesetzgebung Möglichkeiten. Auch liegt es im Interesse der einzelnen Medienunternehmen entsprechende Massnahmen zu treffen, um gegen Fake-News vorzugehen», so FDP-Sprecher Georg Därendinger.
Nicht nur Behörden und Parteien geben sich einigermassen gelassen. Auch Schweizer Medienunternehmen lassen sich aufgrund der an- und teils aufgeregten Fake-News-Debatte nicht vorschnell zu Aktivismus verleiten. Wie persoenlich.com dokumentiert, verzichten die grossen Schweizer Verlagshäuser auf eine Teilnahme an der sogenannten First Draft Coalition. Unter dem Dach von Google wollen bisher vierzig Unternehmen gegen Falschmeldungen im Internet vorgehen. SRF hält sich die Beitrittsoption offen und die NZZ hält ihr eigenes Immunsystem für stark genug.