«Eigenständige Online-Welten»
Wieder einmal schiessen die Verleger scharf gegen den Ausbau der Online-Aktivitäten von Schweizer Radio und Fernsehen. Doch auch diesmal wird das Geschütz sein Ziel verfehlen. Die SRG hat es bisher bestens verstanden, mit Leerformeln von ihren wahren Online-Pläne abzulenken. Zudem erhält sie Rückendeckung vom Bundesrat.
Die Zukunft der SRG liegt im Internet. Das klingt zwar selbstverständlich, ist es aber nicht für alle. Der gebührenfinanzierte Rundfunk kann nicht einfach tun und lassen, wie ihm beliebt. Enge Leitplanken für die Online-Aktivitäten von Schweizer Radio und Fernsehen fordern die Verleger. Sie sehen in der SRG einen Konkurrenten, der ihnen dank dem Gebührenprivileg das Wasser abzugraben droht. Können sf.tv und drs.ch (und künftig wohl auch srf.ch) zudem Werbung schalten, wie der Bundesrat dies im Grundsatz bewilligt hat, dann bedeute dies für die SRG noch längere Spiesse im ungleichen Wettbewerb im Internet. Deshalb versuchen die privaten Medienunternehmen seit Jahren die SRG in die Schranken zu weisen. Gegenwärtig mit einem Vorstoss von FDP-Nationalrat und Kleinverleger Filippo Leutenegger und einem Gutachten, das die Verleger Ende Woche veröffentlichen wollen. Ähnliche Druckmittel haben in der Vergangenheit nie zum gewünschten Erfolg geführt und auch dem aktuellen Vorstoss dürfte es nicht besser ergehen.
Tatsache ist: Die Webseiten und weitere Online-Dienste der SRG waren noch nie so umfassend und gut ausgebaut wie heute. Rund 70 Redaktorinnen, Produzenten und Multimedia-Journalistinnen betreuen das publizistische Angebot von Schweizer Radio und Fernsehen im Internet. In den letzten zwei Jahren wurde insbesondere die Plattform sf.tv massiv ausgebaut und zu einem Nachrichtenportal aufgewertet. Dieser Ausbau erfolgte weder «still und heimlich», wie die Sonntagszeitung gestern behauptete, noch handelt es sich bei der geplanten Stärkung der Online-Aktivitäten von Radio und Fernsehen um ein Geheimnis. Wer wissen will, wie viel Personal für die Webseiten von Radio DRS und Schweizer Fernsehen arbeitet, braucht nur einen Blick ins Impressum zu werfen.
Bis jetzt ging es bei den Online-Aktivitäten der SRG immer nur in eine Richtung – ungebremst vorwärts. Und das trotz den zahlreichen und lauten Interventionen der Verleger und ihres Verbands gegen den Ausbau der Webseiten zu umfassenden Nachrichtenportalen. Die Grenzen setzte sich die SRG dabei gleich selbst. Etwa mit der Leerformel des «Added value», die als Maxime in der Online-Strategie für die Jahre 2003 bis 2008 verankert war. «Added-value bedeutet, dass die Websites der SRG SSR ergänzende Programmbestandteile sind und keine eigenständigen Newsportale», lautete der Kernsatz dieser Strategie. Das klingt zwar nach nobler Zurückhaltung und problembewusster Selbstbeschränkung, aber die Realität sah anders aus. Die Webseite des Schweizer Fernsehens ging schon in den Tagen des «Added value» als Newsportal durch. Wer das problematisierte, wurde eines Besseren belehrt: Das sei nur ein ergänzendes und programmbegleitendes Angebot, «Added value» eben, lautete die Standardantwort der SRG.
Wer sich erhofft hatte, dass die Ende 2007 in Kraft getretene neue SRG-Konzession in dieser Frage Klarheit und deutlichere Leitplanken schaffen würde, sah sich getäuscht. Der Spielraum bleibt weit offen und liefert ausreichend Legitimation für den Betrieb vollwertiger Nachrichtenportale im Internet. Unter dem in der Konzession geforderten Programmbezug der Online-Aktivitäten kann man offensichtlich auch verstehen, «eigenständige Online-Welten» zu schaffen, wie dies die SRG auf ihrer Webseite festhält. So ist auch nicht weiter erstaunlich, wenn unter diesen Prämissen die wissenschaftliche Überprüfung der Konzessionskonformität nichts Grundlegendes an diesen Online-Aktivitäten zu beanstanden hat. Bei einem dermassen weit gesteckten Rahmen liegt vieles drin.
Wie die grosszügig formulierten Bestimmungen in der Konzession zeigen, ist es politisch durchaus gewollt, dass sich die SRG im Internet entfalten kann, wie es ihr beliebt. Bundesrätliche Rückendeckung erhält die SRG auch bei der Forderung, ihre Online-Angebote als Werbefläche nutzen zu dürfen. «Im Grundsatz» hat der Bundesrat diesem alten Wunsch der SRG stattgegeben – unter dem Vorbehalt, dass es hierzu eine Einigung mit den Verlegern gibt. Aber selbst wenn sich die Parteien nicht finden sollten, kann der Bundesrat Online-Werbung für die SRG bewilligen: «Die Verleger können den definitiven Entscheid nicht auf ewig hinauszögern, indem sie jeden Kompromiss verweigern», sagte hierzu Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamts für Kommunikation im letzten Herbst gegenüber dem Medienmagazin Klartext.
bugsierer 21. März 2011, 17:44
solange die verleger noch dermassen hinter der digitalen entwicklung hinterherhinken, kommt mir das sperrfeuer gegen die srg als reine verteidigungsmassnahme vor. ähnlich weltfremd ist ja deren geschrei um ein sog. leistungsschutzrecht.
die zurückhaltung der srg sollte sich für meinen geschmack an anderen orten ausdrücken, z.b. an der überlassung von dümmlichen formaten an die privaten. ist aber, wie herr de weck erläutert, auch nicht so einfach:
http://www.blick.ch/news/politik/zwangsgebuehr-ist-ein-kampfausdruck-168929
wohin eine beschränkung der öffentlichrechtlichen online angebote führen kann, sahen wir an der unsäglichen depublikationsorgie in deutschland.