RESSORT

Auf dem Radar

«Wir sind ja nicht zum Spass hier»

Ein Jahr lang war Deniz Yücel, Korrespondent der «Welt», in der Türkei im Gefängnis – ohne zu wissen, was ihm genau vorgeworfen wird. Gegenüber der Sendung «TTT – Titel, Thesen, Temeperamente» hat er sein bislang erstes und einziges Fernseh-Interview gegeben nach der Haftentlassung Mitte Februar und der Rückkehr nach Deutschland. Darin berichtet Yücel, dem es in Haft untersagt war zu schreiben, wie er bei einem Arztbesuch einen Stift mitlaufen liess und mangels Notizpapier in das Kinderbuch «Der kleine Prinz» schrieb, das er von seiner Frau erhalten hatte. Seine Verhaftung habe er nie bereut. «Es war ein bisschen auch das Ergebnis dessen, dass ich mit meiner Arbeit einigen Leuten, und ich glaube den richtigen Leuten, auf den Zeiger gegangen bin. Und dafür ist Journalismus da. Wir sind ja nicht zum Spass hier».

Auto-Attacke: politische Instrumentalisierung und Medienschlamperei

Inzwischen ist man es sich gewohnt, dass nach einer Gewalttat, die von der Machart her nach einem Anschlag aussieht, sofort versucht wird, daraus politisches Kapital zu schlagen. Nach der tödlichen Auto-Attacke von Münster war es, wenig überraschend, die AfD, die sich insinuierend zu Wort meldete und einen Konnex zur deutschen Flüchtlingspolitik machte. Doch auch internationale Medien trugen nicht eben dazu bei, die Umstände des Vorfalls zu erhellen. So wollte ein rumänischer TV-Sender wissen, dass der Täter ein Kurde gewesen sei. Eine Quelle zur Aussage gab es keine. Und schon fast lustig ist der Übersetzungsfehler britischer Medien, die aus dem deutschen Satzfragment, beim Täter «soll es sich um Jens R. handeln», kurzerhand den vollen Namen Jens R. Handeln bastelten.

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Scheiss-Journalismus

Eine Perle des Lokaljournalismmus, allein schon der Titelzeile wegen: «‹Scheisser von Heuchelheim› gefasst». Es geht nicht etwa um Hunde, sondern um Männer, die ihre Notdurft in aller Öffentlichkeit verrichten. Bis der Wiederholungstäter gefasst werden konnte, brauchte es aber schon «ein hartes Stück Ermittlungsarbeit – inklusive Fahndung im Gemeindebrief und Stuhlprobe». Doch damit ist Heuchelheim sein Scheissproblem nicht los. Bereits verkoten Nachahmungstäter den öffentlichen Raum. Wir sind gespannt auf die Fortsetzung der Berichterstattung in der Hessenschau.

Datenschutz bringt Rechtsunsicherheit bei der Personenfotografie

Die neue Datenschutz-Grundverordnung die in der EU am 25. Mai in Kraft tritt, wird im Bereich der Personenfotografie für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgen. Jemanden abzulichten gilt unter der neuen Regelung als ein «Akt der personenbezogenen Datenerhebung» und erfordert die Einwilligung der Betroffenen. «Eine Konsequenz ist, dass der Fotograf nunmehr vor der Aufnahme alle Abgebildeten um Erlaubnis bitten muss – ein in der täglichen Praxis schon technisch nicht durchführbarer Vorgang», halten Dirk Feldmann und Lutz Fischmann auf dem Fotojournalisten-Portal Freelens fest. Klären können die Unsicherheit nur die Gerichte. Doch das wird dauern. Bis dahin bewegen sich Fotografen, ob Profis oder Amateure, in einer rechtlichen Grauzone.

Was Zuckerberg mit Gutenberg gemein hat

Detlef Esslinger vergleicht in der Süddeutschen Zeitung (und nun auch im Tages-Anzeiger) den Epochenbruch, den der Buchdruck im 15. Jahrhunderte markierte mit den gesellschaftlich-medialen Umwälzungen rund um Facebook heute: «Der Epochenbruch, den Gutenberg bewirkte, war, dass Texte nun von sehr vielen Menschen empfangen werden konnten. Bei Zuckerberg besteht er darin, dass nun genauso viele Menschen senden wie empfangen können, nämlich alle – aber indem er innerhalb von ein paar Jahren über die Menschheit kam, ist er viel brutaler.»

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Ein neuer Verfassungsartikel für die grossen Fragen der Medienzukunft

Nach der «No Billag»-Abstimmung kündigten Medienmacher Hansi Voigt, SP-Grossrat Jon Pult und Digital-Unternehmer Moritz Zumbühl eine Volksinitiative für Medienvielfalt an. Die drei wollen den Artikel 93 der Bundesverfassung neu formulieren. Worum es dabei geht, erklärt Zumbühl im Interview mit Nina Fargahi vom Medienmagazin Edito. Es handele sich dabei um einen «Diskussionsvorschlag und keine fertige Initiative», ordnet Zumbühl das Vorhaben ein. Jetzt müssten endlich die richtigen Fragen gestellt werden zur Medienzukunft. Und es geht um die grossen Fragen: Netzneutralität, Urheberrecht, Algorithmus-Transparenz. Am kommenden Sonntag will das Trio an einer öffentlichen Veranstaltung entscheiden, wie es weitergeht und bestenfalls ein «Organisationsteam» aufbauen, das dann wohl die Vorbereitungsarbeiten für eine Volksinitiative an die Hand nimmt.

Die Rückkehr der Langeweile

Sie haben das Internet einmal durchgespielt. Auch Jugendliche der Generation Z (Geburtsjahrgänge zwischen 1998 und 2010) fühlen sich gelangweilt, obwohl sie ständig online sind. «Für viele Jugendliche haben Smartphones und das Internet bereits an Attraktivität verloren», schreibt Taylor Lorenz auf The Daily Beast.